"Kannst du mir einen Kaffee machen?"

Eine Hand hält ein Kaffeehäferl, in das gerade Milchschaum gegossen wird.

Länge von Sprachpausen signalisiert den Willen von Sprecher*innen, anderen einen Gefallen zu tun

Wenn wir andere Personen bitten, uns einen Gefallen zu tun, beurteilen wir deren Hilfsbereitschaft oft anhand der Länge der Pausen vor ihren Antworten. Wissenschafter*innen um Theresa Matzinger von der Universität Wien konnten nun zeigen, dass diese Pausen bei Muttersprachler*innen und Fremdsprachler*innen unterschiedlich bewertet werden – aber nicht bei allen Themen. Die Ergebnisse der Studie erscheinen nun in einer Spezialausgabe zum Thema "Sprachpausen" in der Zeitschrift Languages.

Eine lange Pause vor einer Antwort auf eine Bitte wird von vielen Menschen als Zeichen für fehlende Hilfsbereitschaft interpretiert. Forscher*innen der Universität Wien und der polnischen Nikolaus Kopernikus Universität in Toruń untersuchten, ob dieser Effekt nur bei Antworten von Muttersprachler*innen oder auch bei jenen von Fremdsprachler*innen auftritt.

Dazu spielte das Team um Theresa Matzinger 100 polnischen Studienteilnehmer*innen knapp 100 kurze Konversationen vor, bei denen die Länge der Pausen vor den Antworten entweder 0,2 oder 1,2 Sekunden lang waren. Zusätzlich wurden die Antworten entweder von polnischen Muttersprachler*innen oder von chinesischen Polnisch-Lernenden, die Polnisch mit deutlichem Akzent sprachen, gegeben. Nach dem Anhören jeder Konversation mussten die Studienteilnehmer*innen beurteilen, als wie willig sie die antwortende Person wahrnahmen, die Bitte zu erfüllen.

Längere Pausen bedeuten eine geringere Bereitschaft dazu, jemandem einen Gefallen zu erweisen – aber nur bei Muttersprachler*innen

Bei Muttersprachler*innen fand sich der erwartete Effekt: eine längere Pause vor einer Antwort wurde als eine geringere Bereitschaft interpretiert, der Bitte nachzukommen. Fremdsprachler*innen hingegen wurden als gleich gewillt angesehen, unabhängig davon, wie lang die Pause vor ihren Antworten war. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Zuhörer*innen in ihre Beurteilungen der Hilfsbereitschaft anderer miteinbeziehen, wie schwierig es den Sprecher*innen fällt, sich auszudrücken. Sie sehen also lange Pausen bei Fremdsprachler*innen nicht als geringe Hilfsbereitschaft an, sondern als Herausforderung, die Antwort in einer Fremdsprache zu formulieren. Daher sind sie toleranter gegenüber längeren Pausen, wenn sie von Fremdsprachler*innen kommen", erläutert Matzinger, die derzeit am Institut für Anglistik der Universität Wien als Post-Doktorandin forscht.

Antworten auf Bitten werden anders bewertet als Wissensfragen

In einem weiteren Schritt testeten die Wissenschafter*innen, wie unterschiedliche Pausenlängen vor Antworten auf Wissensfragen  –  wie zum Beispiel auf die Frage nach dem ersten im Weltraum angebauten Gemüse – interpretiert werden. Hier wurden längere Pausen sowohl bei Muttersprachler*innen als auch bei Fremdsprachler*innen als Hinweis auf geringeres Wissen und geringeres Selbstbewusstsein im Bezug auf die Richtigkeit der Antwort interpretiert. Als Ursache vermutet Matzinger: "Wissensfragen haben geringere soziale Relevanz als Bitten. Anhand von Wissensfragen kann man nur einschätzen, wie gut jemand als Kooperationspartner*in geeignet ist, aber anhand von Bitten kann man herausfinden, ob das Gegenüber auch tatsächlich kooperieren wird."

Die Wissenschafter*innen wollen in nachfolgenden Studien klären, ob dieser Effekt unabhängig von den gesprochenen Sprachen ist und wollen nun Tests mit deutsch- oder englischsprechenden Personen durchführen.

Originalpublikation:

Matzinger, Theresa, Michael Pleyer, and Przemysław Żywiczyński. 2023. Pause Length and Differences in Cognitive State Attribution in Native and Non-Native Speakers. Languages 8(1), 26.

DOI: 10.3390/languages8010026

Wissenschaftlicher Kontakt

Mag. PhD. Theresa Matzinger MSc. PhD.

Institut für Anglistik und Amerikanistik
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theresa.matzinger@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Mag. Alexandra Frey

Media Relations Manager
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