Nicht nur für die Bräune: Ultraviolettes Licht als Jahreszeitensignal im Meer

Taucher

Änderungen in der Tageslänge sind ein wichtiges Signal für Tiere, um ihr Verhalten und ihre Lebensvorgänge zu kontrollieren. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftler*innen unter der Leitung von Kristin Tessmar-Raible an den Max Perutz Labs, ein Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien, zeigen nun, dass Borstenwürmer ihren Neurohormonspiegel und ihr Verhalten während des Jahres auch an Änderungen der Intensität des ultravioletten UVA-Lichtes anpassen. Die Studie erscheint in Nature Ecology and Evolution.

Die meisten Organismen auf der Erde sind abhängig von der Energie der Sonne. Sonnenlicht koordiniert auch biologischen Rhythmen. Tiere steuern Prozesse wie Vermehrung, Aktivität, Fressen, oder Schlaf anhand von wechselnden Lichtverhältnissen. Diese Rhythmen existieren auch im Menschen. So können die sich ändernden Lichtverhältnisse im Winter einen starken Einfluss auf die menschliche Stimmung und Psyche haben.

Ein Teil des natürlichen Sonnenlichtes, dem wir ausgesetzt sind, besteht aus ultraviolettem (UVA und UVB) Licht. Diese kurze Wellenlänge des Spektrums fehlt größtenteils in künstlichen Lichtquellen. Bisher hat sich die Forschung meist auf die Tageslänge konzentriert. "Im Gegensatz zu früheren Annahmen haben wir entdeckt, dass zusätzlich zur Tageslänge, die Intensität des UVA-Lichtes die saisonalen Reaktionen des Borstenwurms Platynereis dumerilii beeinflusst", erklärt Erstautor der Studie Vinoth Babu Veedin Rajan, der das Projekt im Rahmen seines PhD-Studiums an der Universität Wien durchgeführt hat.

Zunächst haben die Forscher*innen die natürlichen Lichtverhältnisse in einem der Lebensräume des Wurms, dem Golf von Neapel (Italien), gemessen. Dabei bemerkten sie, dass die Lichtintensität von UV-Wellenlängen jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist, die sich von den saisonalen Änderungen der Tageslänge unterscheiden. Die Wissenschaftler*innen stellten sich nun die Frage, ob diese Variationen von den Würmern verwendet werden können, um die Jahreszeit besser wahrzunehmen. In Zusammenarbeit mit einem Elektrotechniker konnte das Team Lampen konstruieren, die den natürlichen Lichtverhältnissen – inklusive des UVA-Lichtes – besser ähneln als normale Lampen. Sie fanden heraus, dass die Intensität des UVA-Lichtes das Verhalten der Würmer änderte. Diese Reaktion wird über einen Lichtrezeptor (c-opsin 1) gesteuert, den die Forscher*innen ebenfalls identifizieren konnten. Würmer denen dieser Rezeptor fehlte, zeigten veränderte Mengen von Enzymen, die wichtige Neurohormone, wie Dopamin und Serotonin, produzieren.

Opsine, die sensitiv auf UVA-Licht reagieren, finden sich auch in anderen Organismen – von Fischen bis zum Menschen. "Wir denken oft, dass UVA Licht etwas ist, vor dem man sich schützen muss, aber in diesen Würmern hat es eine biologische Funktion. Es wird spannend werden herauszufinden, welchen Einfluss natürliche Schwankungen der UVA Lichtintensität auf andere Tiere und den Menschen haben", sagt Kristin Tessmar-Raible.

Als Teil eines hochkomplexen Ökosystems ist es wichtig, dass insbesondere auch Meeresbewohner ihr Verhalten zeitlich korrekt steuern. Wie UVA Licht diese sensible Balance beeinflusst, ist ebenfalls noch unklar. "Ein genaueres Verständnis über die Relevanz von UVA-Licht auf die Physiologie und das Verhalten von Meereslebewesen wird daher auch von ökologischer Bedeutung sein", schließen die Forscher*innen. Dieser Aspekt hat bereits das Interesse von Kolleg*innen der marinen Ökologie geweckt, wodurch sich mögliche neue Kooperationen zwischen molekularer Genetik und Ökologie ergeben.

Publikation in "Nature Ecology and Evolution":
Vinoth Babu Veedin Rajan, N. Sören Häfker, Enrique Arboleda, Birgit Poehn, Thomas Gossenreiter, Elliot Gerrard, Maximillian Hofbauer, Christian Mühlestein, Andrea Bileck, Christopher Gerner, Maurizio Ribera d’Alcala, Maria C. Buia, Markus Hartl, Robert J. Lucas and Kristin Tessmar-Raible: Seasonal variation in UVA light drives hormonal and behavioural changes in a ma-rine annelid via a ciliary opsin. Nature Ecology and Evolution (2021).
https://doi.org/10.1038/s41559-020-01356-1

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Kristin Tessmar-Raible

Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik - Max Perutz Labs
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