Algorithmen für alle

Algorithmen und Modelle nehmen uns immer häufiger Entscheidungen ab – doch wer kann sie eigentlich anwenden? Torsten Möller möchte Algorithmen und Modelle für jede und jeden nutzbar machen. Anfang 2018 hat er dafür die interdisziplinäre Forschungsplattform "Data Science @ Uni Vienna" mitbegründet.

Ein Schneesturm eilt mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 115 Kilometern pro Stunde auf New York City zu – soll die Megastadt am Hudson River evakuiert werden? Bei Entscheidungen wie diesen vertrauen wir schon längst auf Algorithmen, die große und komplexe Datenmengen aufbereiten und zusammenfassen.

Wie Wissen bestmöglich aus Daten extrahiert wird, ist das Spezialgebiet von Torsten Möller, Data Science-Experte an der Universität Wien. "Auf der einen Seite gibt es die Personen, die Algorithmen, Methoden und Modelle kreieren, auf der anderen Seite Menschen mit vielen Daten, die sie anwenden wollen. Diese Lücke möchte ich schließen – das ist für mich Data Science." 

Im Rahmen der Forschungsplattform kommen regelmäßig WissenschafterInnen an die Universität Wien, um ihre Perspektiven auf die Herausforderungen und Möglichkeiten im Bereich Data Science darzulegen. Die nächsten Rednerinnen in der Lecture Serie: Elaine Chew von der Queen Mary University (Termin: 17. Jänner 2019) und die Historikerin Gudrun Gersmann von der Universität zu Köln (Termin: 4. April 2019). (© Data Science @ Uni Vienna)

Knotenpunkt für Datenforschung

Anfang 2018 hat er dafür die Plattform "Data Science @ Uni Vienna" ins Leben gerufen, die ForscherInnen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenbringt. DatenexpertInnen arbeiten mit WissenschafterInnen aus den Gebieten Astronomie, Digital Humanities, Finanzen, Industrie 4.0 und Medizin an konkreten Anwendungen. "Auf den ersten Blick haben diese Gebiete wenig miteinander zu tun, doch sie sind alle datengetrieben und greifen auf ähnliche Methoden aus den Bereichen Informatik, Mathematik und Statistik zurück", erklärt Torsten Möller.

Hilfe zur Selbsthilfe

Fruchtbare Fusionen lassen sich aber nicht nur im Wissenschaftsbereich finden. Während seiner mehrjährigen Forschungstätigkeit an der Simon Fraser University in Kanada arbeitete Möller erstmals mit PraxispartnerInnen zusammen: "In British Columbia ist die Fischerei einer der größten Industriezweige. Gemeinsam mit ForscherInnen aus dem Fachbereich Resource and Environmental Management haben wir ein Modell kreiert, mit dem sich die Entwicklung der Lachspopulation vorhersehen lässt", berichtet Möller. Doch nicht nur das: "Wir haben ein Tool gebaut, um die Modellierung in die Hände der ManagerInnen zu legen. So können sie das Controlling – auch für andere Fischarten und Standorte – selbst vornehmen."  


Data Science unter einem guten Stern


Seit 2013 ist Torsten Möller Professor an der Universität Wien, die ein idealer Standort für die Gründung der Data Science Forschungsplattform ist: "Die Uni Wien ist sehr vielfältig. Sie ist sowohl in der Informatik und Mathematik als auch in den Sozial-, Geistes- und Wirtschaftswissenschaften gut aufgestellt. Hier können wir eine Verbindung zwischen den verschiedenen Bereichen herstellen, was an einer rein technisch oder wirtschaftlich ausgerichteten Universität nicht möglich wäre."

In diesem Sinne arbeiten Möller und seine KollegInnen gerade an drei neuen interdisziplinären Masterprogrammen, die ab 2020 an der Universität Wien angeboten werden sollen: Ein Master für Data Science, der methodisch ausgerichtet ist, ein Programm für Business Analytics, in dem die wirtschaftliche Komponente eine große Rolle spielt, sowie ein Master für Digital Humanities, in dem Sozialwissenschaften und Datendarstellung verbunden werden.

"Keinen Credit verdiene ich für die von Studierenden selbst organisierte Initiative Data Science, empfehlen kann ich sie aber trotzdem", schmunzelt Möller. Die Data Science Initiative versteht sich als Plattform zum Fortbilden und Austauschen, organisiert Vorträge, bietet Workshops und Hackathons an. Vorbeischauen lohnt sich!

Ein Modell bleibt ein Modell

Übrigens: Als 2015 Schneechaos in New York vorhergesagt wurde, baute der amtierende Bürgermeister Bill de Blasio auf die Big Data-Prognosen und ließ die Stadt evakuieren. Der Jahrhundert-Blizzard blieb jedoch aus. Alle Modelle sind falsch, aber einige sind brauchbar, hat der britische Statistiker George Box einmal gesagt. Torsten Möller stimmt zu: "Wir treffen Entscheidungen basierend auf Algorithmen – und das ist auch gut so. Aber Algorithmen sind nie hundertprozentig korrekt. Die Herausforderung für uns WissenschafterInnen liegt darin, diese Unsicherheit in der Modellierung zu kommunizieren." (hm)    

Die interdisziplinäre Forschungsplattform der Universität Wien "Data Science @ Uni Vienna" unter der Leitung von Univ.-Prof. Torsten Möller, PhD, wurde 2018 gegründet und wird von der Fakultät für Informatik, der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie, der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften sowie der Fakultät für Mathematik getragen.