Die Blüte im Auge

Was haben Walnussblätter, Champignons und Mädchenaugen gemeinsam? Sie enthalten große Mengen an jenen Enzymen, die auch für Bräunungsreaktionen in Bananen oder Äpfeln verantwortlich sind. ChemikerInnen der Uni Wien haben erstmals die Enzymstruktur in den Blütenblättern des Mädchenauges analysiert.

Wer kennt das nicht: Der aufgeschnittene Apfel, die liegen gebliebene Banane werden unappetitlich braun. Annette Rompel, Vorständin des Instituts für Biophysikalische Chemie, beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Prozess, der hinter dieser Braunfärbung steckt: der sogenannten "Tyrosinase", die übrigens nicht nur bei Pflanzen, sondern auch bei den Menschen für eine "braune Haut" sorgt.

Ungeklärte Rolle der Enzyme

Das "Braunwerden" wird durch komplexe Polyphenole hervorgerufen. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die z.B. als gesundheitsfördernde Farb- oder Geschmacksstoffe vorkommen. Die Tyrosinase wiederum ist ein metallhaltiges Enzym, das die Oxidation von Phenolen katalysiert. "Und das ist der Grund für die Verfärbungen", erklärt die Chemikerin.

Zusätzlich zur Tyrosinase ist auch die Catecholoxidase in der Lage, Phenole und Catechole zu oxidieren. "Somit sind beide Enzyme für die Bräunungsreaktion verantwortlich", erklärt Rompel und der Erstautor Christian Molitor betont: "Die eigentliche physiologische Rolle der Enzyme in verschiedenen Zellen und die Frage nach ihren natürlichen Substraten ist aber noch weitgehend ungeklärt."

Champignon, Walnussblatt und Mädchenauge

Die Chemikerin hat sich dieser Frage angenommen. Nachdem sie bereits die Enzyme im Champignon und im Walnussblatt erfolgreich charakterisiert hat, steht nun eine andere Pflanze im Fokus ihrer Forschung: Das Mädchenauge – eine beliebte Gartenpflanze, deren Blüten jenen der Sonnenblume ähneln, und die alsbald auch im universitätseigenen Gewächshaus in der Althanstraße im strahlenden Gelb erblühte. "Nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden Pflege von Seiten unserer Gärtner Thomas Joch und Andreas Schröfl", lobt Rompel die Mitarbeiter mit dem grünen Daumen.

Sowohl im Glashaus des Universitätszentrums in der Althanstraße, als auch im Augarten (Bild) erblühen die Mädchenaugen zu Forschungszwecken. "Hier haben nicht nur die Enzyme, sondern auch die Gärtner Miroslav Crep und Erich Wagner dafür gesorgt, dass die Blumen ihre gelbe Farbe möglichst lange halten können", scherzt Annette Rompel. (Foto: Annette Rompel)

Woher die gelbe Farbe kommt

"Wir haben das Mädchenauge für unsere Forschung gewählt, da das 'Bräunungsenzym' in den Blütenblättern in großen Konzentrationen vorkommt", erklärt die Chemikerin. Das Enzym, in diesem Fall die Catecholoxidase, ist für die Umwandlung bestimmter Blütenpigmente verantwortlich. "Da die Blütenblätterfarbstoffe Aurone heißen, trägt das Enzym hier aber den Namen Auronsynthase", erklärt die Chemikerin.

Eine neue Einteilung muss her

Gemeinsam mit ihren MitarbeiterInnen Christian Molitor, Stephan Mauracher und Cornelia Kaintz ist es ihr nun erstmals gelungen, dieses Enzym zu charakterisieren: In der aktuell in PNAS erschienenen Publikation präsentieren die ForscherInnen die erste Kristallstruktur der Auronsynthase – sowohl in einer latenten als auch in einer aktiven Form. "In einem dritten Schritt haben wir eine inaktive Form durch eine bestimmte Reaktion, nämlich der Sulfonierung, isoliert und kristallisiert", erklärt Molitor und ergänzt: "Uns sind mit der latenten, der aktiven und inaktiven Form Kristallstrukturanalysen gelungen, die weitere Einblicke in den komplexen Aktivierungsmechanismus möglich machen."

Mit ihrer Arbeit beschreiben die ForscherInnen der Universität Wien außerdem einen neuen Mechanismus für den Katalyse-Zyklus pflanzlicher Polyphenoloxidasen – also dem "Bräunungsvorgang" in Pflanzen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Einteilung in Tyrosinase und Catecholoxidase generell überdacht werden muss", so der Erstautor Molitor.

Gesunde Anwendung?

Die Forschungsergebnisse könnten in verschiedensten Bereichen Anwendung finden: Unter anderem in biotechnologischen, pharmazeutischen oder landwirtschaftlichen Prozessen. "Anhand unserer Ergebnissen könnte man – über die Steuerung der Enzyme – z.B. den Gehalt an bioaktiven Substanzen in Früchten und Gemüse verbessern", erklärt die Wissenschafterin Rompel und schmunzelt: "Obst und Gemüse würden also noch gesünder werden." (ps)

Die Projektergebnisse entstanden im Rahmen des FWF-Projekts "Strukturelle Charakterisierung von Typ 3-Kupferproteinen" unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Annette Rompel, Vorständin des Instituts für Biophysikalische Chemie der Universität Wien. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit haben mitgewirkt: Christian Molitor, Stephan Mauracher und Cornelia Kaintz.


Publikationen zum Thema:

Die Publikation "Aurone synthase is a catechol oxidase with hydroxylase activity and provides insights into the mechanism of plant polyphenol oxidases"  (AutorInnen: C. Molitor, S.G. Mauracher, A. Rompel) erschien im März 2016 in PNAS.

Die Publikation "Crystallization and preliminary crystal structure analysis of latent, active and recombinantly expressed aurone synthase - a polyphenol oxidase - from Coreopsis grandiflora" (AutorInnen: C. Molitor, S.G. Mauracher, A. Rompel) erschien im Journal "Acta Cryst".

Die Publikation "Site-directed mutagenesis around the CuA site of a polyphenol oxidase from Coreopsis grandiflora (cgAUS1)" (AutorInnen: C. Kaintz, R.L. Mayer, F. Jirsa, H. Halbwirth, A. Rompel) erschien 2015 in FEBS Letters.

Die Publikation "Latent and active aurone synthase from petals of C. grandiflora: a polyphenol oxidase with unique characteristics" (AutorInnen: C. Molitor, S.G. Mauracher, S. Pargan, R.L. Mayer, H. Halbwirth, A. Rompel) erschien 2015 in "Planta".

Die Publikation "Cloning and functional expression in E. coli of a polyphenol oxidase transcript from Coreopsis grandiflora involved in aurone formation" (AutorInnen: C. Kaintz, C. Molitor, J. Thill, I. Kampatsikas, C. Michael, H. Halbwirth, A. Rompel) erschien 2014 in FEBS Letters.