Infektionsrate an Schulen mehr als verdreifacht

Kind mit Maske

Rund 1,5 Prozent positive Ergebnisse erbrachte die zweite Runde der SARS-CoV-2-Monitoringstudie an Schulen in Österreich Mitte November. Mit den neuen Virus-Mutationen werde man zudem mehr auf Schulen schauen müssen, so Molekularbiologe Michael Wagner.

Forscher*innen der Uni Wien sowie der Medizinischen Universitäten Graz, Innsbruck und der Uni Linz erheben das ganze Schuljahr mittels Gurgeltests die Häufigkeit aktiver Corona-Infektionen bei Schüler*innen und Lehrer*innen in ganz Österreich. Geplant sind insgesamt zehn Durchläufe mit den jeweils selben Teilnehmer*innen. In der ersten Runde vom 28. September bis zum 22. Oktober wurden 40 von über 10.000 Teilnehmer*innen positiv getestet (Prävalenz: 0,39 Prozent). Die zweite Erhebung lief nur von 10. bis 16. November, da sie vom 17. an vom erneuten Lockdown mit umfassenden Schulschließungen gestoppt wurde.

53 Covid-Träger*innen

Bis dahin wurden aber immerhin 3.745 Schüler*innen und Lehrer*innen in fünf Bundesländern (Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich, Vorarlberg und Wien) getestet, von denen sich 53 als
Träger *innen des SARS-CoV-2-Virus entpuppten, erklärte das Team um den Mikrobiologen Michael Wagner von der Uni Wien, dem wissenschaftlichen Koordinator der Studie, vor Journalist*innen. Das ergebe eine Prävalenz von 1,44 Prozent, wobei die Schwankungsbreite (95 Prozent Konfidenzintervall) von 1,06 bis 1,9 Prozent reicht.

Lege man die Ergebnisse der vom Bildungsministerium mitinitiierten Prävalenzstudie von Statistik Austria mit dem fast identen Erhebungszeitpunkt (12. bis 14. November) auf das Design der Schulstudie um, komme man auf einen Vergleichswert von 2,12 Prozent in der Gesamtbevölkerung über 16 Jahre. Aufgrund der etwas geringeren Sensitivität durch das Zusammenfassen von bis zu zehn Proben in "Pools" und anderer Faktoren unterschätze das Schulmonitoring "ganz bewusst Prävalenz ein Stück weit", sagte Wagner, der die beiden Werte auf vergleichbarem Niveau sieht. Dass es durch Methodik oder Studiendesign bedeutsame Verzerrungen geben könnte, glaubt auch der Generalsekretär im Bildungsministerium, Martin Netzer, nicht.

Die Drei- bis Vervierfachung des Wertes aus der ersten Runde hob Peter Willeit von der Medizinischen Universität Innsbruck hervor. Während etwa das Alter der Kinder oder der Pädagog*innen, deren Geschlecht oder die Schulform keinen Einfluss auf den Anteil Covid-19-Positiver hatte, ging eine höhere 7-Tages-Inzidenz in einer Region auch mit einem etwas erhöhten Positiv-Anteil an dortigen Schulen einher. Wie schon bei der ersten Erhebung war das auch an Schulen mit vielen Kindern aus sozial benachteiligten Familien so. An Standorten mit höherer sozialer Benachteiligung wurde eine in etwa doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit ermittelt, auf einen unerkannten Infektionsfall zu stoßen, erklärte der Epidemiologe.

"Verstehen, wo Fälle gehäufter auftreten"

Hier zeige sich, dass die Studie neben der Abschätzung der Dunkelziffer nicht nur dabei helfe, solche oft asymptomatischen Fälle an Schulen zu identifizieren, sondern auch "zu verstehen, wo Fälle gehäufter auftreten". Das soziale Umfeld sei mitentscheidend, wenn etwa ein Kind aus einer Familie mit Eltern in prekäreren Dienstverhältnissen eher auch mit milden Symptomen in die Schule geschickt wird, so Willeit.

Gerade über sozial benachteiligte Schulstandorte, die naturgemäß oft in größeren Ballungsräumen liegen, müsse man sich auch im Zusammenhang mit der Covid-Krise Gedanken machen, erklärte Netzer. Dieses "ganz wichtige Monitoring" zeige in welchen Bereichen es ein erhöhtes Risiko gibt und wie in etwa der Virus-Eintrag in und aus Schulen vonstattengeht. Man wisse, dass in vielen Elternhaushalten wenig Sensibilität auf das Thema "Covid-19" gelegt wird.

Es stelle sich daher die Frage, ob an stärker gefährdeten Schulen nicht insgesamt verdichtet getestet werden muss. Derartige Überlegungen würden vermutlich zukünftig umgesetzt werden, sagte Netzer: "Wir müssen hier mehr Testmöglichkeiten schaffen." Man hoffe hier auch sehr auf neue Testmethoden, bei denen die Abstriche weniger tief im Nasenraum entnommen werden müssen, und den verstärkten Einsatz von Gurgeltests. Wagner wünschte sich insgesamt einen "pragmatischeren Umgang" mit dem Thema Testen. Denn auf dem Gebiet sei "technisch schon viel möglich", aber rechtlich vieles nicht einfach. "Kinder werden systematisch zu wenig getestet in den meisten Ländern", so der Molekularbiologe.

Nächster Durchlauf ab 18. Jänner

Der nächste Durchlauf der Gurgelstudie ist ab 18. Jänner geplant - vorausgesetzt der Präsenzunterricht beginnt dann tatsächlich wieder. Netzer geht davon aus, dass die Rückkehr an die Schulen am 18. Jänner erfolgen kann, vorausgesetzt die Infektionszahlen erlauben dies. Dazu stünden aber in den kommenden Tagen noch politische Entscheidungen an.

Die dritte Studien-Runde wird fix um die Analyse des gefundenen Viren-Erbguts erweitert, so die Studienleiter, die ihre noch nicht von Fachkolleg*innen überprüfte Auswertung am Mittwoch auf der Plattform "medRxiv" hochgeladen haben und auch ein Ergebnis-Dashboard für künftige Erhebungen ankündigten. Gerade im Schulbereich sei es besonders wichtig, zu wissen, welche Varianten dort kursieren. Erste Daten aus Großbritannien zu der dort aufgetauchten Virusvariante würden etwa darauf hinweisen, dass Kinder und jüngere Menschen damit leichter infiziert werden könnten, so Wagner: "Mit den neuen Varianten wird man mehr auf Schulen schauen müssen."

Das sieht auch Netzer so, der aber von der pauschalen Weiterführung von breiten Schulschließungen im Angesicht der britischen Virenvariante nichts hält. Man habe hier eine komplexen Güterabwägung zu bewerkstelligen und brauche eine genauere Beobachtung der diesbezüglichen Situation in Kooperation mit der AGES und dem Gesundheitsministerium. Nach den ersten Nachweisen der Variante in Österreich sollte man nicht gleich über das Schließen von Schulen diskutieren, weil darunter auch Kinder waren, so der Generalsekretär im Bildungsministerium. (APA/red)