Meine Forschung: Die dunkle Seite der Medaille

Maria Theresia verewigte die Errungenschaften ihrer Herrschaft auf Medaillen – die Hintergründe dieser Prägungen sind jedoch unerforscht. Numismatikerin Anna Fabiankowitsch rekonstruiert die personellen Netzwerke und die historischen Bedingungen der Wiener Medaillenproduktion zwischen 1740 und 1780.

Unter allen Bildmedien spielen Medaillen eine herausragende Rolle: Sie sind in einer Kontinuität und Quantität entstanden, der keine andere Kunstgattung nahekommt. Die Wiener Münzstätte prägte während der 40-jährigen Regierungszeit Maria Theresias knapp 300 unterschiedliche Medaillen, die an historische Begebenheiten erinnern. Heute sind diese Medaillen mit ihrer vielschichtigen Ikonografie aussagekräftige Quellen der Geschichtswissenschaften. Angesichts ihres Quellenwerts erstaunt es, dass die Hintergründe der Medaillenherstellung bisher nicht ausreichend erforscht sind.

Ein Grund zur Prägung: 1768 fertigte der Medailleur Martin Krafft eine Medaille zur Genesung Maria Theresias von den Pocken. Die Entstehungsgeschichte zur Münze findet Anna Fabiankowitsch in Amtsberichten des Hauptmünzamts aus dem Archiv des Münzkabinetts des Kunsthistorischen Museums Wien. (© Lukas Beck)

Schriftliche Schätze im Archiv

Die Geschichte der Medaillen Maria Theresias erscheint relativ komplex, denn es gab keine zentrale Stelle, die sich mit deren Gestaltung befasste. Vielmehr wurden die Medaillen von unterschiedlichen Akteuren veranlasst, konzipiert und beauftragt. Die technische Produktion hingegen war streng reglementiert. In Wien durften Medaillen ausschließlich im k. u. k. Münzamt geprägt werden – private Prägeeinrichtungen waren im Reich Maria Theresias verboten.

Aufgrund dieser Verordnung sind im Archiv des Münzamts etliche Nachweise überliefert, die über die Fragen der technischen Produktion hinausgehen. Dort finden sich beispielsweise EmpfängerInnenlisten, Skizzen von Medaillenbildern, Nachlässe von Medailleuren oder Analysen zu vorgelegten Medaillenkonzepten. Diese Quellen bilden nicht nur die Basis zur Rekonstruktion der generellen Produktionsbedingungen, sie informieren auch über die Entstehungsgeschichte einzelner Medaillen, da sie deren Erfinder, Auftraggeber und Anlässe belegen. Neben der Auswertung der Archivalien verzeichnet Anna Fabiankowitsch diese Hintergrundinformationen in einem Katalog, damit sie zukünftigen Forschungen als Grundlage zur Verfügung stehen können.

Imagepflege und Massenmedium


Als Maria Theresia 1751 in Wien ein Invalidenhaus errichten ließ, legte sie eigenhändig eine für diesen Anlass produzierte Medaille mit ihrem Porträt unter den Grundstein. Auf der Medaillenrückseite stand auf Latein: "(…) dass dieses große Gebäude (…) auf Befehl und Kosten der großen österreichischen Heldin Maria Theresia errichtet worden" sei. Medaillen dienten nicht nur der höfischen Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur, sie erfüllten darüber hinaus ereignisbezogene Funktionen, um das zeitgenössische Ansehen der Kaiserin bei ihren Untertanen zu heben.

Die Medaille auf die Geburt Erzherzogs Joseph II. vom  Medailleur Christoph Philipp Becker wurde in den "Historischen Münz-Belustigungen" von Johann David Köhler publiziert. Dieses numismatische Nachrichtenblatt aus dem 18. Jahrhundert ist heute eine wichtige Quelle für die zeitgenössische Interpretation der Medaillen. (© Lukas Beck)

Bei öffentlichen Festen des Herrscherhauses, wie Huldigungen, Krönungen und Hochzeiten, war die Verteilung von Medaillen daher ein fixer Bestandteil des Zeremoniells. Maria Theresia ließ beispielsweise bei ihrer ungarischen Krönung 16.000 kleine Jetons prägen. Diese wurden bei der Tafel an die Gäste verteilt und ein Teil davon auch an das versammelte Volk ausgeworfen. Mit dieser Geste konnte sie ihre Freigiebigkeit vor Publikum demonstrieren.

Public Relations mit der Handschrift der Kaiserin


Zur Anerkennung von herausragenden Leistungen belohnte Maria Theresia ihre Untertanen mit goldenen Medaillen. Diese sogenannten Gnadenmedaillen zeigten auf einer Seite das Porträt und auf der anderen Seite die Devise der Monarchin "Justitia et Clementia". Sie wurden in unterschiedlichen Größen produziert, um ihren Wert dem jeweiligen Adressaten anzupassen.

Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum. (© Universität Wien)

Diese Verleihungen sind im Archiv des Oberstkämmerers sehr gut dokumentiert, denn das Ansuchen um eine solche Auszeichnung musste von einem Fürsprecher oder einer Fürsprecherin schriftlich vorgebracht werden. Maria Theresia bearbeitete diese Anträge dann persönlich, lehnte sie handschriftlich ab oder bewilligte sie mit ihrem "placet". So gewährte sie einem Beamten für sein 50-jähriges Dienstjubiläum eine Medaille im Wert von zwölf Dukaten  ̶  das waren etwa 42 Gramm Gold. Doch diese Auszeichnungen waren im wahrsten Sinne mehr als Gold wert.

Die Verleihung der Gnadenmedaille demonstrierte und verstärkte die Bindung zwischen der Stifterin und den Empfängern (Empfänger, was sich darin äußerte, dass die Beschenkten ihre Medaillen an Goldketten trugen und sich damit auf Gemälden verewigten). Dass sie ihre Gnadengeschenke öffentlich zeigten, hatte darüber hinaus Vorbildwirkung und sollte andere Personen zu mehr Arbeitseifer anspornen. Medaillen waren eben nicht nur Auszeichnungen, Bildträger und Erinnerungsstücke, sie waren auch Herrschaftsinstrumente.

Anna Fabiankowitsch, geb. 1985 in Wien, hat an der Universität Wien Numismatik studiert. Seit 2012 arbeitet sie als Kuratorin im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien. Derzeit schreibt sie am Institut für Geschichte der Universität Wien ihre Dissertation mit dem Titel "Die Medaillenproduktion im k. u. k. Hauptmünzamt Wien unter der Regierung Maria Theresias (1740 ̶ 1780). Prozesse, Praktiken, Akteure".