Mittelalterliche Funde am Burgstall in Neudegg
| 14. Februar 2018Erstmalige Ausgrabungen am Burgstall in Neudegg, Bezirk Tulln, unter der Leitung von Mathias Mehofer liefern eindeutige Beweise für ein mittelalterliches Burgleben. Derzeit werden die Funde – darunter Glasflaschenbruchstücke, Tierknochen, Keramiken, ein Eisenschlüssel und Pfeilspitzen – analysiert.
Solches Glück ist ArchäologInnen selten zuteil: Gleich beim ersten Grabungsschnitt einen "Treffer" zu landen. Im Fall von Mathias Mehofer und seinem Team von der Universität Wien handelt es sich dabei um einen zwei Meter großen steingesetzten Ofen, der Zentrum des Küchenlebens der früheren Burganlage in Neudegg gewesen sein dürfte. "Darin fanden wir viele Tierknochen, vor allem vom Schwein, Rind und Fischen, auch ein Vogelknochen war darunter. Dieser relativ hohe Fleischkonsum lässt auf wohlhabende BurgbewohnerInnen schließen", schlussfolgert Mehofer.
Der Burgstall am Hausberg
Burgstall ist ein spezifischer Begriff, der eine Burg bezeichnet, von der noch weniger erhalten ist als eine Steinruine. In Neudegg ist die ehemalige Anlage komplett überwachsen und gilt landläufig als der "Hausberg" der kleinen niederösterreichischen Gemeinde. Seit vielen Jahren arbeitet der Heimatforscher Karl Mehofer, ein Verwandter des Archäologen Mathias Mehofer von der Universität Wien, zum Burgstall in Neudegg. Sein Ziel ist es, Informationen zu sammeln, ob sich hier der "Stammsitz" des Adelsgeschlechts der Neudegger befunden haben könnte.
Unter der Leitung des Archäologen Mathias Mehofer von der Universität Wien wurden insgesamt zwei Grabungsschnitte am Hausberg durchgeführt. (Foto: M. Mehofer)
"Manches deutet darauf hin, aber aus heutiger Sicht können wir das noch nicht belegen", so der Archäologe Mehofer: "Die früheste urkundliche Nennung, die auf eine ansässige Adelsfamilie 'de Neidekke' in der Region weist, auf 1296 n. Chr. datiert. Auch ist um 1411 n. Chr. eine 'feste Neydeck' urkundlich nachweisbar." Ist diese erwähnte Burg tatsächlich jene von Neudegg und war sie der Stammsitz des Neudegger Geschlechts? Der Antwort auf diese Frage wollen die Archäologen mit ihren Ausgrabungen in Zukunft näher kommen.
Seit 2012 unter Denkmalschutz
Auf Initiative von Karl Mehofer und Martin Krenn vom Bundesdenkmalamt wurde der Neudegger Burgstall bereits 2012 unter Denkmalschutz gestellt. Nach mehreren Begehungen und Voruntersuchungen konnten im Sommer 2017 erstmals wissenschaftliche Grabungen durchgeführt werden. Die Archäologen vollführten zwei kleinere Schnitte auf dem Gelände, um einen ersten Eindruck zu bekommen – und wurden von einer großen Menge an Funden überrascht.
Neben dem bereits erwähnten Steinofen legte Mehofer und das Grabungsteam auch einen Teil eines etwa 1,5 Meter dicken Steinfundaments sowie einen rund zwei Meter tiefen Spitzgraben frei. Sowohl das Fundament als auch der Graben deuten auf eine durchaus starke Befestigung der Burganlage hin. Gefunden wurden auch schmale Pfeilspitzen ohne Widerhaken, welche eher für den Kampf, etwa zum Durchschlagen eines Kettenhemds, als für die Jagd verwendet wurden.
Ein Highlight der Ausgrabungen am Burgstall in Neudegg ist ein zwei Meter großer steingesetzter Ofen. (Foto: M. Mehofer)
Weitere Funde umfassen die Spitze eines Lanzenschuhs, viel Keramik, darunter auch glasierte Teile, Glasflaschenreste, ein Eisenschlüssel und eine Lampenschale sowie die bereits erwähnten Tierknochen. "All diese Funde – speziell die glasierte Keramik und das Glas – lassen sich einer sozial gehobenen Bevölkerungsschicht zuordnen. Glas war im Mittelalter ein Luxusgut, auch großer Fleischkonsum findet sich in der einfachen Bevölkerung nicht", erläutert Mehofer.
Besiedlung des Burgstalls
Die Archäologen dokumentierten auch die verschiedenen Sedimentschichten während der Grabung, durch die ein Einblick in die zeitliche Abfolge der Besiedelung möglich ist. Erste Analysen zeigen, dass der Schwerpunkt der Besiedelung des Burgstalls von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis Anfang des 14. Jahrhunderts reichte. Eine stark rot gebrannte Schotterschicht deutet auf ein massives Brandereignis hin, das die BewohnerInnen allerdings nicht zur Flucht veranlasste, denn auch danach ist noch intensive Siedlungstätigkeit – wie der Bau des Steinofens – nachweisbar.
Diese stark rot gebrannte Schotterschicht deutet auf ein massives Brandereignis auf der mittelalterlichen Burganlage hin. (Foto: M. Mehofer)
"Um zu einer wirklich genauen Datierungschronologie der Besiedelung zu gelangen, wollen wir unsere Funde mit der 14C-Methode untersuchen lassen. Mehr jedoch erhoffen wir uns von der sogenannten Dendrochronologie, der Jahresringanalyse von Bäumen", erklärt der Archäologe und ergänzt: "Diese Methode ist sehr genau. Zum Glück haben wir bei uns in der interdisziplinären Forschungsplattform Archäologie der Universität Wien einen Experten direkt an der Hand."
Die Zukunft des Burgstalls
Aktuell arbeitet Mehofer die Funde archäologisch auf, KollegInnen unterstützen ihn bei der interdisziplinären Bestimmung des archäozoologischen und archäobotanischen Fundmaterials sowie der Glas- und Keramikanalyse. Für 2018 plant das Team um Mehofer eine geophysikalische Prospektion des Areals, bei der verborgene Strukturen durch Messungen der physikalischen Eigenschaften des Bodens erfasst werden können. "Das ist eine zerstörungsfreie Forschungsmethode in der Archäologie. Sie liefert ein genaues Bild der im Boden vorhandenen baulichen Strukturen anhand derer wir gezielt graben können." (td)
Die Ausgrabungen auf dem Burgstall von Neudegg, Gemeinde Großriedenthal, fanden unter der Leitung von Dr. des. Ing. Mag. Mathias Mehofer vom Vienna Institute for Archaeological Science der Universität Wien in Zusammenarbeit mit Mag. Martin Obenaus, Fa. Silva Nortica, im Sommer 2017 statt. Die Grabungen wurden von der Niederösterreichischen Dorf- und Stadterneuerung, dem Land Niederösterreich, dem Bundesdenkmalamt (Abteilung für Archäologie), der Gemeinde Großriedenthal sowie dem Kunst- und Kulturverein "Art.Wagram" finanziert. Beratend stand dem Team Dr. Martin Krenn vom Bundesdenkmalamt zur Seite.