"Rosa Kristall" aus dem Waldviertel: Neues Mineral mit Potenzial

In einem Steinbruch in Raabs an der Thaya (NÖ) hat ein Mineraliensammler mehrere bis zu einigen Zentimeter große, rosa gefärbte Kristalle entdeckt. Mineralogen der Uni Wien haben herausgefunden, dass es sich dabei um ein bisher unbekanntes Mineral handelt, welches einige Besonderheiten aufweist und Potenzial für Anwendungen in Wissenschaft und Technik hat.

Minerale sind natürlich vorkommende Kristalle. Aktuell gibt es weltweit mehr als 5.700 wissenschaftlich anerkannte Mineralarten. Zu dieser Zahl kommt nun der im Waldviertel entdeckte "Alumino-Oxy-Rossmanit", wie der neue Turmalin aufgrund seiner chemischen Besonderheit gegenüber dem ähnlichen Mineral Rossmanit bezeichnet wurde.

Unter dem Begriff "Turmalin" werden viele Mineralarten mit ähnlicher Kristallstruktur, also räumlicher Anordnung der Atome, aber unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung zusammengefasst. Manche davon wurden aufgrund ihrer Härte und Farbenvielfalt als Schmucksteine verwendet. So findet sich ein roter Turmalin auf der für Kaiser Karl IV angefertigten Wenzelskrone, und 21 farbige Turmaline zieren die Meisterschale der deutschen Fußball-Bundesliga. Zudem werden Turmaline aufgrund ihrer optischen und elektrischen Eigenschaften in Mikroskopen oder Sensoren eingesetzt.

Sammler stellt seine Funde der Wissenschaft zur Verfügung

"Der Mineraliensammler Albert Prayer hat mir in den vergangenen Jahren mehrere Kristalle zur Untersuchung zur Verfügung gestellt", erklärte Andreas Ertl vom Institut für Mineralogie und Kristallographie der Universität Wien. Der Turmalin-Spezialist hat den Nachweis erbracht, dass es sich dabei um eine neue Mineralart handelt und dazu mit Kolleg*innen die Kristalle mit einem breiten Arsenal an Untersuchungsmethoden chemisch und physikalisch charakterisiert. Nach erfolgreichem Abschluss des aufwendigen internationalen Zulassungsprozesses werden die Forscher*innen die Entdeckung in der Fachzeitschrift "American Mineralogist" veröffentlichen.

Für sie ist der neue Turmalin aus mehreren Gründen spektakulär: Nur selten werden heute noch neue Minerale in dieser Größe entdeckt - die Kristalle sind bis zu mehrere Zentimeter groß. Bei den meisten der heute neu entdeckten Mineralarten handelt es sich dagegen um mikroskopisch kleine Körnchen. Es handelt sich dabei auch um den ersten neuen Turmalin, der offiziell in Österreich nachgewiesen wurde ("Typlokalität").

Besonderheiten des neuen Minerals

"Alumino-Oxy-Rossmanit" zeichnet sich durch eine sehr spezielle chemische Zusammensetzung aus: Es handelt sich um den Aluminium-reichsten Turmalin, der jemals entdeckt wurde. Gleichzeitig ist er sehr arm an Wasser und Natrium, was auf ganz spezielle Bildungsbedingungen hinweist. Die Kristalle wurden Ertl zufolge vor rund 340 Millionen Jahren bei höherem Druck aus einer rund 700 Grad Celsius heißen, sehr trockenen Gesteinsschmelze gebildet.

Für die Wissenschafter*innen hat das neue Mineral Potenzial für wissenschaftliche und technische Anwendungen. Seine besondere chemische Zusammensetzung könnte neue Einblicke in die Entstehung von Gebirgen und letztlich in die Erdgeschichte eröffnen. Aufgrund spezieller Eigenschaften wären derartige künstlich hergestellte Turmaline ein interessantes Material für die Technik, etwa als Druck- und Temperatursensoren. (APA/red)

Andreas Ertl forscht am Institut für Mineralogie und Kristallographie an der Fakultät für Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Universität Wien. Aktuell leitet er das 3-jährige FWF-Forschungsprojekt "Was passiert mit Borsilikaten während der Subduktion und in verschiedener Geotektonik?" Die Publikation "Alumino-oxy-rossmanite from pegmatites in Variscan metamorphic rocksfrom Eibenstein 2an der Thaya, Lower Austria, Austria" erscheint im Fachjournal "American Mineralogist".