Wertvolle Ressource Grundwasser

Grundwasserökologie ist das Forschungsgebiet des neuen Professors für Limnologie an der Universität Wien. Im Interview spricht er über die große und oft unterschätzte Bedeutung von Grundwasser und warum auch diese Ressource durch die moderne Landwirtschaft gefährdet ist.

Herr Griebler, Sie haben seit Jänner 2019 die Professur für Limnologie an der Universität Wien inne. In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich intensiv mit Grundwasserökologie. Welche Aspekte umfasst dieses Forschungsfeld?
Christian Griebler: Grundwasserökologie ist ein Forschungsfeld, das stark im Kommen ist, wo es aber bisher – auch international – noch nicht sehr viele Arbeitsgruppen gibt, die sich dieses vielschichtigen Themas annehmen. Das ist bemerkenswert, denn die sichtbaren Oberflächengewässer wie etwa Quellen, Flüsse oder Seen sind im Vergleich hundertfach weniger ergiebig als das schier unerschöpfliche Süßwasserreservoir, das in Form von Grundwasser unter unseren Füßen vorhanden ist. Grundwasser hat außerdem einen wichtigen gesellschaftlichen Aspekt: In Österreich werden 98 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser gespeist – wenn die Ressource sauber ist, muss das Wasser nicht zusätzlich aufbereitet werden, die Versorgung ist somit unproblematisch.

Welche Gefahren gibt es für die Sauberkeit unseres Grundwassers?
Griebler: Spannend – und durchaus vergleichbar mit der Tiefseeforschung – ist, dass sich auch im Grundwasser Mikroorganismen befinden, die für die Reinigung und Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichts sorgen. Das ist zunehmend eine große Herausforderung, weil durch die Einbringung von Nährstoffen aus der Düngung und Pestiziden durch die intensive Landwirtschaft oder Verunreinigungen mit Abwasser, welches Pharmazeutika, Süßstoffe oder Kosmetika enthält, die mikrobielle Reinigungskraft an ihre Grenzen gelangt.

Grundwasser fließt in unterirdischen grundwasserführenden Schichten, die hunderte Meter tief sein können. Abwechselnd gibt es undurchlässige und durchlässige Sedimentschichten – je nach Tiefe kann so das Grundwasser tausende Jahre alt sein. Auch das Trinkwasser, das wir zu uns nehmen, kann zwanzig bis hundert Jahre alt sein. (© Sacco, M., Griebler, C., et al. 2019; Science of the Total Environment, 662: 963–977)

Zusätzlich ist das im Untergrund aktive Mikrobiom durch das Fehlen von Licht energetisch limitiert. Ein Dauerbrenner ist das Nitrat im Grundwasser, welches durch die moderne Landwirtschaft im Überschuss in die Umwelt gelangt. Passiert es die oberen Bodenschichten, kann es im tieferen Grundwasserleiter von den Organismen nicht mehr abgebaut bzw. umgesetzt werden, sondern wird über den Grundwasserpfad in Oberflächengewässer wie z.B. Flüsse eingetragen und führt dort zu einer Nährstoffbelastung. Was einmal ins Grundwasser gelangt, bleibt dort meist sehr lange, denn Grundwasser hat ein extrem langes Gedächtnis. Selbst wenn wir sofort jeglichen Nitrateintrag stoppen würden, braucht es Jahrzehnte bis das eingetragene Nitrat ausgespült oder abgebaut wäre.

Ist den Menschen bewusst, welche wertvolle Ressource Grundwasser ist?
Griebler: Ich habe das Gefühl, dass es den Menschen schon grundsätzlich bewusst ist, im täglichen Umgang wird es aber anscheinend "vergessen". Österreich ist ja ein wasserreiches Land, man dreht den Wasserhahn auf und Wasser sprudelt in bester Qualität heraus. Selbst wenn einmal, wie es durch die heißen Sommertage bereits vorgekommen ist, lokal ein Wassermangel eintritt, holt man sich das Wasser einfach von woanders. Um eine nachhaltige Bewusstseinsbildung zu erreichen, reicht meiner Meinung nach die faktische Naturwissenschaft allein nicht aus – vielmehr sind PsychologInnen und SoziologInnen gefragt, die das Feld gemeinsam mit den NaturwissenschafterInnen aufbereiten.

Zellen eines Bakteriums, das ortho-Xylol – aromatischer Kohlenwasserstoff und Ölverbindung – im Grundwasser abbaut. Die Bakterien sind essentiell für ein funktionierendes Ökosystem des Grundwassers. (© Barbara Morasch)

Wo sehen Sie Ihre künftigen Herausforderungen?
Griebler: Einen Teil meiner Forschung widme ich angewandten Themen: Zum Beispiel setze ich mich schon seit fünfzehn Jahren für ein Grundwasser-Bewertungssystem ein, das es für Oberflächengewässer bereits seit Jahrzehnten gibt. Da haben wir über mehrere Projekte Werkzeuge entwickelt, z.B. zu erfassen, welche Lebensgemeinschaften zu erwarten bzw. vorhanden sind und wie die "ökologische" Wasserqualität aussieht. Dazu gehört in weiterer Folge auch, Maßnahmen zu empfehlen, die zu einer Verbesserung beitragen bzw. die zu einer gesetzlichen Verankerung eines ökologischen Monitorings führen. Ein Teil meiner Arbeit besteht also durchaus ganz praktisch in der Zusammenarbeit mit Wasserwerken und Behörden oder im Lobbying. Das kann oft auch mühsam sein, ich sehe das aber als Teil meiner wissenschaftlichen Tätigkeit, die ja von öffentlichen Geldern bezahlt wird: so erhält die Gesellschaft auch wieder einen "return of investment".

Der andere Teil meiner Forschung ist die interessensgetriebene Grundlagenforschung – die ist ja naturgemäß nicht voraussagbar, was das Ergebnis betrifft. Da gehe ich dorthin, wo die Themen mich hinführen: So etwa der Kohlenstoffkreislauf und die Auswirkungen des Klimawandels auf den tieferen Untergrund. Damit im Zusammenhang möchte ich in Lunz am See, wo es schon eine langjährige Fließwasser- und Seenforschung gibt (Biologische Station und WasserCluster Lunz), den Wasserkreislauf mit Grundwasserforschung schließen. Auch in den Donauauen möchte ich zukünftig forschen. Hier kann die Grundwasserökologie auf eine lange Geschichte der Grundwasserforschung aufbauen: vor rund 30 Jahren etwa haben Kollegen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien in der Lobau viele neue Grundwasserarten entdeckt und beschrieben. Damals zählte die Lobau zu den weltweiten "Hot Spots" der unterirdischen Biodiversität. Diese Forschung, die nun viele Jahre unterbrochen war, fortzusetzen, reizt mich sehr.

Vielen Dank für das Gespräch!

Christian Griebler ist seit 1. Jänner 2019 Professor für Limnologie an der Fakultät für Lebenswissenschaften, zuvor forschte er siebzehn Jahre lang in Deutschland. Der Übergang vom Helmholtz-Zentrum in München nach Wien gestaltete sich fließend: So hielt Christian Griebler immer Kontakt zur wissenschaftlichen Wiener Community, hatte er doch selbst an der Universität Wien Biologie studiert. Eine starke Motivation wieder nach Wien zu kommen sieht Griebler in langfristigen Perspektiven für seine Forschung sowie in der Möglichkeit, diese in ein starkes Forschungsumfeld einzubetten.