Wie der Dickdarm seine BewohnerInnen kontrolliert

Unser Dickdarm ist mit seinen Mikroben einer der dichtbesiedeltsten Lebensräume der Welt. Doch es herrscht chronischer Stickstoffmangel. Daher kann der Wirt mit gezielten Stickstoff-Spenden die Zahl und Zusammensetzung seiner Bewohnerschaft steuern, wie ForscherInnen rund um Michael Wagner zeigen.

Stickstoff wird vor allem in Form eiweißreicher Nahrungsmittel wie Fleisch und Hülsenfrüchte verzehrt. Das meiste davon (80 bis 90 Prozent) nehmen die Säugetiere, egal ob Alles-, Fleisch- oder Pflanzenfresser wie etwa Menschen, Wölfe und Elefanten bereits im Dünndarm auf, berichten die ForscherInnen rund um Michael Wagner und David Berry vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Uni Wien sowie Lawrence David von der Duke University in North Carolina (USA).

Der Wirt und seine Gäste

Der Wirt sitzt also zuerst am Tisch und labt sich vor seinen Gästen, den Mikroben im Dickdarm. Er gibt ihnen aber auch etwas ab, und zwar zum Beispiel stickstoffhältige Verbindungen im Schleim, den er ausscheidet, erklärt Mikrobiologe Michael Wagner. Damit kann er nicht nur kontrollieren, wie viele Mikroben sich im Dickdarm aufhalten können, sondern auch welche. Bestimmte Populationen wie die für die Verdauung sehr hilfreichen Bakteriodeten profitieren nämlich besonders von den Stickstoff-Spenden und vermehren sich stärker als andere, wenn der Wirt damit spendabel ist.

Bakterien fordern Deckung ihrer Stickstoff-Bedürfnisse ein

Die Bakterien sind aber keine hilflosen Almosenempfänger, sie fordern durchaus die Deckung ihrer Stickstoff-Bedürfnisse ein, fand das Forschungsteam heraus. Irgendwie können sie dem Darm mitteilen, wie viele von ihnen er füttern muss, so Wagner. Es gebe also eine Möglichkeit der Kommunikation zwischen dem Wirt und seinen Mikroben.

Besonders eiweißreiche Nahrung würde das System stören und sei deshalb als Diät kontraproduktiv, erklärt der Mikrobiologe. Damit macht man nämlich die Mangelware Stickstoff zu einem allzeit verfügbaren Gut und der Darm verliert eine Kontrollmöglichkeit über die in ihm lebenden Mikroben. In Folge vermehren sich auch nicht ganz so nützliche Bakterien und schädliche Stoffe reichern sich im Dickdarm an.

Verdauungsproblemen auf den Grund gehen

Den Zusammenhang von proteinreichen Diäten und Verdauungsproblemen habe man schon früher beobachtet, nun kenne man erstmals seinen Grund. Generell konnte man mit dieser Studie erstmals nicht nur Korrelationen (Zusammenhänge), sondern auch die ursächlichen Mechanismen (Kausalität) erkennen, erläuterte Wagner. Diese wollen die verschiedenen Mikrobiomgruppen des Departments für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Uni Wien gemeinsam mit KollegInnen der Medizinischen Universität Wien in Zukunft und für klinisch relevante Ergebnisse in Zukunft vermehrt erkunden, so Wagner. (APA/red)

Die Publikation "Microbial nitrogen limitation in the mammalian large intestine" (AutorInnen: Aspen T. Reese, Fátima C. Pereira, Arno Schintlmeister, David Berry, Michael Wagner, Laura P. Hale, Anchi Wu, Sharon Jiang, Heather K. Durand, Xiyou Zhou, Richard T. Premont, Anna Mae Diehl, Thomas M. O’Connell, Susan C. Alberts, Tyler R. Kartzinel, Robert M. Pringle, Robert R. Dunn, Justin P. Wright & Lawrence A. David) erschien am 29.10.2018 im Fachjournal "Nature Microbiology".