"Wir" gegen "die Anderen": Rechte Strategien
| 22. Juli 2015Mit "Ausländerthemen" lassen sich Wahlen gewinnen. Das hat die FPÖ erst jüngst wieder bewiesen. Die Kommunikationsstrategien rechtpopulistischer Parteien und Bewegungen – in Österreich und Europa – sowie deren Erfolg beobachten Politologinnen der Universität Wien rund um Birgit Sauer.
Sie bezeichnen sich gerne als "die wahren Sozialdemokraten": Rechtspopulistische Parteien gewinnen in vielen europäischen Ländern zunehmend an Einfluss. Doch welche Erfolgsstrategien stecken dahinter? Eine Erklärung der Politikwissenschafterinnen der Universität Wien: "Rechte Parteien sind in sozialen Netzwerken äußerst aktiv. Sie setzen ganz bewusst auf diese Kanäle in neuen Medien."
Dadurch präsentieren sie sich als Bewegung und grenzen sich von den etablierten Parteien ab, erklärt Birgit Sauer vom Institut für Politikwissenschaft: "Weil sie sich in den 'Mainstreammedien' falsch dargestellt sehen, suchen sie andere Foren – und waren damit die ersten, die sich mit Facebook, Twitter und Co. auseinandersetzten. Die etablierten Parteien haben diese Entwicklung schlichtweg verschlafen." Dieser Trend lässt sich nicht nur in Österreich beobachten.
Im EU-Projekt "RAGE – Hate speech and populist othering in Europe" (Sauer, Ajanovic) haben Politologinnen der Universität Wien rechtspopulistische Kommunikationsstrategien analysiert. Im parallel dazu laufenden "e-EAV – e-engagement against violence" (Sauer, Mayer) wurden rassistische Bewegungen im Internet untersucht. (V.l.n.r.: Edma Ajanovic, Birgit Sauer und Stefanie Mayer)
Rechtspopulismus in Europa
In zwei EU-Projekten analysierten und verglichen die Politologin und ihr Team die Kommunikationsstrategien rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen sowohl in Österreich als auch "zum einen in Ländern, in denen rechte Parteien auf eine lange Tradition zurückblicken und zum anderen in neuen – von der Krise betroffenen – EU-Ländern", erklärt die Projektleiterin. Für alle untersuchten Staaten gilt: Rechtspopulistische Bewegungen sind hauptsächlich online aktiv. "Wobei Griechenland oder Bulgarien ein wenig aus der Reihe tanzen, weil dort Internet noch nicht für alle zugänglich ist", betont Projektmitarbeiterin Edma Ajanovic.
Wer sind "die Anderen"?
Populismus findet sich nicht nur unter rechten, sondern auch unter linken Parteien. "Daher haben wir zunächst ganz allgemein nach populistischen Mobilisierungsmustern gesucht", erzählt Ajanovic. "Und Unterschiede gefunden." Rechte Parteien zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie einen Konflikt zwischen "uns" und "den Anderen" konstruieren. Bei populistischen Links-Parteien findet sich diese Konfrontation nicht in solch extremer Weise. "Als 'die Anderen' werden dort meist politische Gegner konstruiert. Es gibt natürlich auch linke Parteien, die gegen die EU oder gegen den Kapitalismus wettern – aber es wird selten gegen eine spezifische Personengruppe mobilisiert", argumentiert die junge Politologin.
"Die Idee des Widerspruchs zwischen Aus- und InländerInnen wird in der politischen Diskussion gar nicht mehr hinterfragt und rechte Parteien stellen somit für viele WählerInnen die logischsten Angebote", so die Projektleiterin. "Außerdem sind den sozialdemokratischen Parteien die Themen Solidarität und Ausgleich abhandengekommen – wovon die rechten Parteien profitieren."
Verknüpfung verschiedener Feindbilder
Ein Thema zieht sich durch alle rechtspopulistischen Parteien Europas: antimuslimischer Rassismus. "Wir gegen den Islam – das ist eine Grundfigur. Die Bewegungen, die wir untersucht haben, versuchen auf einer Metaebene den Diskurs in diese Richtung zu prägen und einen entsprechenden Antagonismus herzustellen", erklärt Sauer.
"Islamophobie, Homophobie und der Schutz der traditionellen Familie sind sowohl bei Parteien als auch bei Bewegungen zentrale Themen", so Stefanie Mayer, die mit Birgit Sauer das ebenfalls von der EU geförderte Projekt "e-EAV" umgesetzt hat. Sie identifiziert eine "Kulturkampfstrategie": "Es geht darum, das von liberalen Demokratien Erreichte in Frage zu stellen: von der Gleichstellung über veränderte Familienformen, Einwanderung und Migration bis hin zur EU." Dabei kommen oft höchst widersprüchliche Argumentationen zu Tage. Einerseits werden mit Hinblick auf traditionelle Familienbilder gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder auch die Erwerbstätigkeit von Müttern kritisiert – andererseits wird Muslimen angekreidet, dass "ihre" Frauen nicht arbeiten dürften, sie zu viele Kinder und patriarchale Strukturen hätten.
Die Politologinnen der Universität Wien haben sowohl mit VertreterInnen rechter Bewegungen Interviews geführt, als auch mit Angehörigen sogenannter "Antibodies", also Gruppen, die antirassistischen Diskursen entgegenwirken. "Auffallend war die Wahrnehmung eines institutionellen Rassismus in Österreich: Rassismus und Ausgrenzung gehe hierzulande nicht allein von rechten Bewegungen und Parteien aus, sondern teilweise auch von staatlichen Institutionen", so Ajanovic. (Foto: Tim Pierce/Flickr)
Verknüpfungen
"Es hat mich überrascht, wie die unterschiedlichen Formen von Ausschluss miteinander verknüpft werden", betont Projektleiterin Birgit Sauer rückblickend. "Und wie stark die europäische Identifikation rechter Parteien und Bewegungen mittlerweile ist – viele lösen sich vom nationalistischen Denken und arbeiten ihre Ideologie entsprechend um, während sie sich aber weiterhin gegen die EU richten."
Obwohl rechtspopulistische Bewegungen in Europa vor ganz unterschiedlichen Hintergründen entstanden sind, verbindet heute alle ein Thema: der antimuslimische Rassismus. "Es ist erschreckend, dass dieser seit dem 11. September sozusagen zum Common Sense geworden ist", so Sauer. Vom kleinen Nachbarschaftskonflikt bis hin zur europäischen Politik – die Ressentiments gegenüber dem Islam seien auf allen Ebenen spürbar. (ps)
Das Projekt "RAGE – Hate speech and populist othering in Europe" wird von der Europäischen Kommission finanziert und lief von Februar 2013 bis Jänner 2015. In Österreich wird das Projektteam von Univ.-Prof. Dr. Birgit Sauer vom Institut für Politikwissenschaft geleitet, Projektmitarbeiterin ist Mag. Edma Ajanovic.
Das Projekt "e-EAV – e-engagement against violence" wird von der Europäischen Kommission finanziert und lief von 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2014. In Österreich wird das Projektteam von Univ.-Prof. Dr. Birgit Sauer vom Institut für Politikwissenschaft geleitet, Projektmitarbeiterin ist Mag. Stefanie Mayer.