Lehren ist Schön

26 Unterrichtsfächer und 10.600 Lehramtsstudierende: Die Universität Wien ist die größte LehrerInnenausbildnerin Österreichs – und baut mit dem neuen Zentrum für LehrerInnenbildung ein Dach über laufende und künftige Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Lehramtsstudien. "Dachdecker" ist Lutz-Helmut Schön.

Ob im Hörsaal oder im Klassenzimmer: Physikdidaktiker Lutz-Helmut Schön will "die Lernenden mit auf die Reise nehmen". Dieses Motto bringt auf den Punkt, was der neue Leiter des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität Wien für die Eckpfeiler qualitätsvollen Unterrichts hält: den Bildungswert des jeweiligen Faches herausarbeiten, Kompetenz und Begeisterung vermitteln, authentisch sein, immer die Perspektive der Adressaten einnehmen.

"Das Studium soll den zukünftigen LehrerInnen Fachwissen und Handwerkszeug mit auf den Weg geben, aber auch dazu beitragen, den oder die LehrerIn als Persönlichkeit zu entwickeln", so der Didaktikexperte, der von der Humboldt-Universität zu Berlin an die Universität Wien wechselt: "Denn auch das beste didaktische Konzept steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit des Lehrers."

Prinzip der offenen Tür

Lutz-Helmut Schön ist schon dabei, sein neues Büro in der Porzellangasse 4 einzurichten. Die Räume sind hell, hoch und repräsentativ – "früher war hier eine Bank untergebracht, die Pflanze neben meinem Schreibtisch habe ich sozusagen geerbt", schmunzelt Schön – und man kann sich bereits gut vorstellen, wie am großen Besprechungstisch intensiv diskutiert, zugehört und beraten wird. Denn das neue Zentrum für LehrerInnenbildung (ZLB) ist auch als Anlaufstelle gedacht: Hier sollen Seminarräume für Lehrerfortbildungen entstehen, Vernetzungstreffen und Weiterbildungen für die vielen internen und externen LektorInnen stattfinden, Lehramtsstudierende beraten werden – und, und, und.

Vernetzen, bündeln und voneinander lernen

Aber zunächst geht es um die hausinterne Vernetzung: Lutz-Helmut Schön wird eine Kerngruppe aus FachdidaktikerInnen und BildungswissenschafterInnen der Universität Wien um sich versammeln, man wird sich regelmäßig treffen und die ersten Schritte planen. Das sind gleich zwei große: ein "integrativer" und ein "administrativer" Schritt.

Integriert werden die zahlreichen Aktivitäten zur Weiterentwicklung und weiteren Professionalisierung der Lehramtsstudien, die bereits erfolgreich an der Universität Wien laufen. "Wir wollen diese vielfältigen Erfahrungen sammeln, uns miteinander abstimmen, Synergieeffekte nutzen und fächerübergreifende Projekte auf den Weg bringen", so Lutz-Helmut Schön: "Fachdidaktikforschung ist interdisziplinär, weil es immer um Schule und SchülerInnen geht: Da lernt der Physik- vom Religionsdidaktiker und umgekehrt."



Geballte fachdidaktische Forschung an der Universität Wien: Neben den Österreichischen Kompetenzzentren für Didaktik (AECC) und den Fachdidaktischen Zentren arbeitet auch die Forschungsplattform Fachdidaktik, an der elf Fakultäten beteiligt sind, intensiv an systematischen Beforschung und dem fachübergreifenden Vergleich der fachdidaktischen Ausbildungsmodelle.




Administrieren wird das neue Zentrum die bevorstehende Umstellung der 26 Lehramtsstudien in das Bachelor-Master-System: Bis zum Wintersemester 2014/15 sollen die neuen Curricula stehen: ein anspruchsvolles, zeitlich ambitioniertes Vorhaben: "Hier am ZLB erarbeiten wir Eckpunkte und setzen mit Senat und Rektorat den Rahmen für die Detailausarbeitung der Lehrpläne, die dann in den einzelnen Fächern und unter Einbindung der Studienprogrammleitungen erfolgt."



AUSBILDUNG NEU: WELCHES RÜSTZEUG BRAUCHEN UNSERE LEHRER/INNEN?

Darüber diskutiert Lutz-Helmut Schön am 20. März 2013 um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien mit Karlheinz Töchterle, Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien, Ulrike Greiner, Rektorin der Pädagogischen Hochschule Linz, und Andreas Salcher, Berater und Buchautor, im Rahmen von "Universität Wien im Gespräch", einer Veranstaltungsreihe der Universität Wien und der Tageszeitung Kurier. Es moderiert Helmut Brandstätter vom Kurier.




Universität und Schule zusammenrücken

Einer der zentralen Diskussionspunkte, sowohl auf politischer Ebene als auch im Rahmen der Curriculumentwicklung, wird das Thema "Praxisphase" sein. "Ein Anliegen des Zentrums ist es, diese Praxisphasen sowohl im Studium als auch in der Induktionsphase forschungsbasiert zu gestalten, also die Studierenden mit kleinen Forschungsaufträgen in die Klassen zu schicken, die Ergebnisse gemeinsam theoretisch zu reflektieren", betont Schön: "Es geht in der Praxisphase nicht nur darum, das Handwerk zu erlernen, die Klasse zu beherrschen, à la: 'Vergesst, was ihr auf der Uni gelernt habt, jetzt zeigen wir euch, wie Schule wirklich geht'. Die Universität muss befruchtend durch forschungsbasierte Ergebnisse und Vorschläge in die Schule hineinwirken."

Besonders vorantreiben will der neue Zentrumsleiter, der gleichzeitig die Professur für Didaktik der Naturwissenschaften antritt, daher den Ausbau des Netzwerks an Kooperationsschulen. "Es soll ein direkter, unkomplizierter Kontakt zwischen Partnerschule und Universität entstehen – mit Vorteilen für beide Seiten. So könnten z.B. unsere Studierenden kleine Unterrichtseinheiten entwickeln und in einer der Partnerschulen halten. Der Geschichtelehrer dieser Schule wiederum 'mietet' sich einen Mittelalterforscher der Universität Wien für eine Doppelstunde o.ä. Es gibt viele Möglichkeiten."

Reizvolle Aufgabe

Lutz-Helmut Schön ist für die bevorstehenden Aufgaben bestens gewappnet. Eigentlich hat er ja bereits eine "komplette" – und erfolgreiche – akademische Karriere hinter sich: In den 17 Jahren als Professor für Didaktik der Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin war er u.a. Vorsitzender der Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik (GDCP) und hat die  Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD) mitbegründet und mehrere Jahre lang geleitet.



Im UniLab-Schülerlabor der Humboldt-Universität zu Berlin brachte Lutz-Helmut Schön SchülerInnen, Studierende und LehrerInnen zusammen, um "die Brücke zwischen Schule und Forschung" zu schlagen und "die Ausbildung von Studierenden um praxis- und forschungsnahe Elemente" zu bereichern. Auch im Rahmen der Kinderuni Berlin hat er sich engagiert – wir hoffen, dass er in Zukunft auch die KinderuniWien bereichert! (Foto: HU Berlin)




Dekan, Kollegsprecher und Wissenschaftlicher Direktor – auch diese Amtstitel hat er bereits getragen. Im Rahmen seines Forschungsschwerpunkts, der Phänomenologischen Optik, entwickelte er ein aufbauendes Curriculum für den Physikunterricht von der 6. Klasse bis in die Oberstufe, das Eingang in Lehrbücher und Lehrpläne fand.

Warum Wien? "Die Aufgabe, an der größten österreichischen Einrichtung für LehrerInnenbildung dieses neue Zentrum aufzubauen – und meine 'alten Erfahrungen' noch einmal sinnvoll einzubringen – das war einfach zu reizvoll." Privat ist Lutz-Helmut Schön ein begeisterter Segler, und gemeinsam mit seiner Frau singt er im Chor – "vielleicht suche ich mir einen Gesangsverein in Wien, oder bringe unseren Berliner Chor einmal für ein Konzert hierher". Dass er die Physikdidaktik als Berufsweg gewählt hat, verdankt er seinem Vater – der auch Physiker war: "Er hatte so eine Begabung, uns Kindern die Physik nahezubringen, er hat sie in fantasievolle Geschichten verpackt. Ja, er hat uns auf mit auf die Reise genommen." (br)



Neben SchülerInnen, LehrerInnen und Studierenden nimmt der engagierte Wissensvermittler auch Kunstinteressierte mit auf die Reise: Lutz-Helmut Schön entwickelt physikalische Exponate für Museen und Ausstellungen. Wer gerne das Technische Museum in Wien besucht, hatte bereits indirekt Kontakt mit unserem neuen Zentrumsleiter: Das dort ausgestellte Foucaultsche Pendel hat er installiert. (Foto: TMW)