Markus Aspelmeyer: Ein konsistentes Weltbild schaffen

Weil er "von den Besten lernen" wollte, verschlug es Markus Aspelmeyer vor fast zehn Jahren nach Wien. Mit Erfolg – der gebürtige Bayer ist seit August 2009 Professor für Quantum Information on the Nanoscale und Sprecher des "Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ)" an der Fakultät für Physik. In seiner Antrittsvorlesung am Mittwoch, 2. März 2011, erzählt er unter anderem, was man von Sprungbrettern über die Quantenphysik lernen kann.

Schon während seines Studiums an der LMU München war Markus Aspelmeyer von den Paradoxien der Quantenphysik fasziniert. Obwohl er sowohl seine Diplomarbeit als auch seine Dissertation im Bereich der Festkörperphysik verfasst und sich auf Phasenübergänge in Festkörpersystemen spezialisiert hat, sind es die Phänomene der Quantenphysik, die ihn bis heute in den Bann ziehen. "Ich denke, jeder Physiker nimmt es sich zum Ziel, eine Konsistenz im Weltbild zu schaffen", so Aspelmeyer: "Die Quantenphysik ist mit ihrer Vielzahl an ungeklärten Fragen eine besondere Herausforderung."

Anstatt also naheliegenderweise eine Postdoc-Stelle im Bereich Festkörperphysik anzutreten, folgte der Jungwissenschafter seinem Interesse und wagte sich auf physikalisches Neuland – sowie ab 2002 in eine neue Stadt. "Die Möglichkeit, mit Anton Zeilinger, einem der weltweit führenden Grundlagenforscher der Quantenphysik, zusammenarbeiten zu dürfen, war für mich als Quereinsteiger ein großes Glück", beschreibt Aspelmeyer die Anfänge seiner Karriere an der Universität Wien.

Den Paradoxien der Quantenphysik …


Seitdem ging es für den Wahlwiener steil bergauf: Nach zahlreichen Auszeichnungen folgte im August 2009 die Berufung zum Professor für Quantum Information on the Nanoscale – mit gerade einmal 35 Jahren. Am meisten beschäftigt den Wissenschafter die Frage, wie sich quantenphysikalische Phänomene in größeren Systemen verhalten. "Bis heute steht die Quantenphysik vor dem Widerspruch, dass sich bestimmte Messergebnisse unmöglich dadurch erklären lassen, dass Teilchen exakt einen von zwei möglichen Wegen wählen", erklärt er. "Die Teilchen verhalten sich so, als ob sie an zwei Orten zugleich wären – Schrödinger hat das eine 'burleske' Situation genannt."

Aber lässt sich diese Theorie auch auf größere Objekte übertragen? Aus klassisch physikalischer Sicht wirken auf jeden Gegenstand bestimmte Gesetze, die durch Angaben des Orts, Geschwindigkeit oder Masse beschrieben werden können. "Laut Messungen kann ein Quantenteilchen an zwei Orten gleichzeitig sein, aber wie sieht es beispielsweise mit einer Maß Bier aus? Die Möglichkeit einer Überlagerung, sprich der Gleichzeitigkeit von einander ausschließenden Möglichkeiten, passt einfach nicht in unsere heutigen wissenschaftlichen Konzepte."

… mithilfe von Sprungbrettern auf den Grund gehen

Diesem Paradoxon ging Aspelmeyer vor sechs Jahren, damals Senior Scientist am Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der ÖAW, mithilfe von sogenannten mikromechanischen Spiegeln auf den Grund. Mikroskopisch kleine, mechanische Hebel sollten Licht ins Dunkel bringen. "Unsere Hoffnung war, dass diese Hebel, ich nenne sie Sprungbretter, auf Licht reagieren. Und wenn dies funktioniert, wäre es nicht möglich, dass sich die Quanteneigenschaften von Licht auf das Sprungbrett übertragen?"

Inspiriert von den Ideen des italienischen Physikers Paolo Tombesi realisierte das Team um Markus Aspelmeyer die mikromechanische Licht-Kühlung. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, bei dem das Sprungbrett dem absoluten Nullpunkt (bei minus 273 Grad Celsius) angenähert wird – erst dort beginnen die mechanischen Schwingungen den Gesetzen der Quantenphysik zu folgen. Diese Experimente eröffneten der Fachwelt eine völlig neue Perspektive; immer mehr internationale Forschungsgruppen begannen, sich näher mit Quantenoptomechanik zu befassen.

"Wissenschaftliche Konzepte müssen hinterfragt werden"


Der erfolgreiche Forscher fühlt sich aber auch in der Lehre heimisch. "Es ist eine Herausforderung, die Brücke von fundiertem Grundwissen zu völlig offenen Fragestellungen zu spannen und Studierenden zu vermitteln, dass nicht immer vorgefertigte Antworten auf sie warten werden", betont der Physiker, dem es nicht nur um reine Wissensvermittlung geht, sondern auch um die Erkenntnis, dass "wir in der Forschung ständig unsere Konzepte hinterfragen müssen".

Auf dem Weg vom Studium zur Forschung will er die Studierenden begleiten: "Die wichtigste Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Wissenschaftskarriere ist aus meiner Sicht eine sehr einfache: genuines Interesse. Nur dann verfügt man über das nötige Durchhaltevermögen und den Enthusiasmus, um Neues zu schaffen."

Fakultät für Physik bündelt Kompetenz mit Motivation


An der Universität Wien fühlt sich Markus Aspelmeyer sehr wohl: "Es herrscht hier eine hohe fachliche Kompetenz, und es macht großen Spaß, an einer so jungen und motivierten Fakultät zu arbeiten", schwärmt der Wissenschafter.

Für Wiens kulturelle Seite hat er zurzeit wenig Muße: "Jegliche Zeit, die ich nicht an der Universität verbringe, gehört meinem acht Wochen alten Sohn, wenn sie nicht von meiner zweieinhalbjährigen Tochter beansprucht wird", scherzt der Familienvater, der leider nicht, wie die von ihm untersuchten Quantenteilchen, an zwei Orten gleichzeitig sein kann. Am Mittwoch, 2. März 2011, ist er jedenfalls im Christian-Doppler-Hörsaal zu finden, wo er im Rahmen seiner Antrittsvorlesung allen Interessierten Einblicke in seinen spannenden Alltag als Quantenforscher gewährt. (il)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Markus Aspelmeyer, stellvertretender Gruppensprecher der Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Fakultät für Physik zum Thema "Quanten-Optomechanik: Was man von Sprungbrettern über Quantenphysik lernen kann" findet am Mittwoch, 2. März 2011, um 17 Uhr im Christian-Doppler-Hörsaal der Fakultät für Physik statt.