Max Kölbel: Berufsphilosoph mit Tradition

Spanien, England, Mexiko, Deutschland und Österreich. Max Kölbels Weg durch die Wissenschaft zählt einige Stationen. Seit 2017 hat er am Institut für Philosophie der Universität Wien eine neue Heimat gefunden – als Professor für Analytische Philosophie.

"Als ich anfing Philosophie zu studieren, hatte ich keine Ahnung, worauf ich mich einlasse", schmunzelt Kölbel in Erinnerung an seine Studienzeit. "Damals hieß es ja noch: Nach dem Studium fährt man sowieso Taxi." Und obwohl der heutige Professor sein auserwähltes Fach anfangs nur verwirrend fand, wurde es schließlich zu seiner Lebensaufgabe.

Eine Aufgabe, die Kölbel anfangs nicht leichtfiel: "Als Studienanfänger in Berlin boten die Lehrveranstaltungen wenig Orientierung, und damals habe ich das meiste von engagierten Mentoren sowie befreundeten Studierenden außerhalb der Universität gelernt." Aus diesen Erfahrungen hat der Philosoph jedoch viel für seine eigene Lehre mitgenommen. "Ich versuche mich immer wieder zu erinnern, dass philosophische Thesen sehr schwer zu verstehen sind und man leicht die Übersicht verliert."

Intellektuelle Unabhängigkeit  

Für Kölbel, der seit September 2017 an der Universität Wien forscht und lehrt, ist Philosophie eines der schwersten akademischen Fächer: "Viele Leute glauben, in der Philosophie könne man einfach alles sagen, was einem durch den Kopf geht. Das ist aber nicht so", gibt Kölbel zu bedenken. Als besondere Fähigkeit, die jeder Philosoph besitzen sollte, nennt er die intellektuelle Unabhängigkeit: "Ansonsten ist man den Meinungen und Erzählungen anderer ausgeliefert." Um diese Fähigkeit zu erlangen, müsse man sich immer wieder erneut mit philosophischen Fragestellungen beschäftigen – und sich mit KollegInnen austauschen.
 
Bei seinen Vorlesungen für Erstsemestrige legt der Philosoph deshalb großen Wert auf den Dialog mit den Studierenden. "Sie verstehen die Thesen viel besser, wenn sie sie diskutieren." Dass die Lehre einen großen Teil seiner Professur an der Universität Wien ausmacht, freut Kölbel besonders: "Bei Lehrveranstaltungen im Bachelor darf ich mit den Studierenden die großen Fragen, also die philosophischen Evergreens behandeln – über Skeptizismus bis zur Frage des Wesens moralischer Werte. Das sind Fragen, bei denen man immer wieder etwas dazulernt, auch wenn sie schon eine lange Tradition haben."
 
Alte Traditionen neu beleben

Obwohl seine Professur für "Analytische Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Sprachphilosophie" neu geschaffen wurde, knüpft ihre Widmung laut Kölbel an eine philosophische Bewegung an, die ursprünglich aus Wien kommt – jene des Wiener Kreises. Der zweite Weltkrieg hat diese radikale intellektuelle Bewegung des 20. Jahrhunderts jäh unterbrochen. "Ein Großteil der Philosophen sind emigriert und haben damit die Philosophie außerhalb Österreichs stark beeinflusst", erzählt der Wissenschafter von der Vorgeschichte seiner Professur.

Die wenigen, die in Österreich geblieben sind, konnten sich institutionell nicht durchsetzen. Kölbel erwähnt etwa Victor Kraft, der den Krieg als Bibliothekar überdauert hat. Obwohl er im hohen Alter eine Philosophieprofessur an der Universität Wien erhielt, konnte er die Tradition des Wiener Kreises nicht wieder aufbauen. Seine Professur sieht Kölbel in diesem Sinne auch als Versuch der Universität, an das anzuschließen, was es in Wien bereits einmal gab: "Die Philosophie außerhalb des europäischen Kontinents wurde stark von der damaligen Bewegung in Wien – und in geringerem Maße auch in Berlin, Prag und Paris – beeinflusst."

Der neue Professor sieht seine Aufgabe allerdings nicht darin, die Geschichte der analytischen Philosophie aufzuarbeiten. "Vielmehr werde ich mich bemühen, zu verschiedenen aktuellen Diskussionen in der zeitgenössischen analytischen Philosophie Stellung zu nehmen, und sie Studierenden näher zu bringen."

Max Kölbel kam im September 2017 von Barcelona nach Wien (Bild), wo er am Institut für Philosophie seine neue professionelle Heimat fand. Die Stärken des Standorts sieht er in Wiens langer philosophischer Tradition, in der vergleichsweise modernen Ausrichtung der Universität und in der Kollegialität und Fächerbreite seines neuen Institutes. (© privat)

Von Barcelona nach Wien

Kölbel selbst hat bereits auf zwei Kontinenten Philosophie studiert und gelehrt. Aus den zaghaften Anfängen als Student wurde bald seine Profession: Nach einer zweijährigen Studienzeit in Berlin und fünf Jahren in London, lehrte er zuerst in Mexiko. Nach zehn Jahren als Hochschullehrer in Großbritannien, verbrachte er die letzten neun Jahre in Barcelona, bevor ihn seine Berufung an die Universität Wien führte.

Zwar kannte er die Stadt nicht gut – aber sie ist ihm doch auch nicht fremd. "Berlin und Wien in ihrem heute prägenden Stadtbild sind ungefähr zur selben Zeit entstanden. Da gibt es viele Parallelen", so Kölbel über seine alte und neue Heimat." Dennoch fangen die Unterschiede schon bei der Sprache an", schmunzelt er. Seine Wiener Freunde hätten ihn aber vor allem vor den vielen Nebeltagen gewarnt. "Doch das schreckt mich nicht. Immerhin habe ich habe als Kind sowohl in Berlin als auch in Hamburg gelebt – und dort ist es im Winter noch wesentlich grauer als hier." (pp)

Max Kölbel ist seit September 2017 Professor für Analytische Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Sprachphilosophie am Institut für Philosophie der Universität Wien. Am Mittwoch, 21. März 2018 hält er um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Ist die objektive Realität nur eine Ideologie?".