Rainer Abart: Das neue Image der Geowissenschaften

GeowissenschafterInnen haben oftmals mit dem Ruf zu kämpfen, dass sich ihre forscherische Arbeit auf bloße Deskription beschränkt. Für Rainer Abart, seit September 2009 Professor für Theoretische und Experimentelle Petrologie an der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie und Leiter des Departments für Lithosphärenforschung, ist dieses Bild schon längst nicht mehr zutreffend. In seiner Antrittsvorlesung "Geomaterialien: Schlüssel zur Dynamik der Erde" am Mittwoch, 12. Jänner 2010, will er zeigen, wie innovativ und vielseitig sein Fach heute aufgestellt ist.

"Es gibt nur sehr wenige Professuren für Petrologie im deutschsprachigen Raum. Als ich von der freien Stelle in Wien hörte, habe ich mich sofort beworben", schildert Rainer Abart. Für den gebürtigen Mödlinger, dessen akademischer Werdegang eine Assistenz in Graz sowie Professuren in Basel und Berlin umfasst, markiert der Dienstantritt im Wintersemester 2009 vor allem eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln: "Ich habe mein Studium 1988 in Wien abgeschlossen und finde es sehr schön und motivierend, die Universität nun auch aus Sicht eines Lehrenden kennenlernen zu dürfen."

Doppelte Herausforderung

Zurück in der österreichischen Bundeshauptstadt hat der 47-Jährige mit seiner Professur und der Position als Leiter des Departments für Lithosphärenforschung gleich zwei wichtige Funktionen inne. Diese sind zwar inhaltlich sehr stark miteinander verknüpft, in der Praxis aber durchwegs mit unterschiedlichen Aufgaben und Herausforderungen verbunden. "Die Leitungsposition ist für mich eher eine Verwaltungstätigkeit, die allerdings einige Gestaltungsmöglichkeiten mit sich bringt", meint Abart. Hauptaufgabe hierbei sei es, die insgesamt 25 MitarbeiterInnen des Departments mit geeigneten Rahmenbedingungen für ihre Forschung zu versorgen.

Seine Professur versteht der Geologe vor allem als Chance, das eigene Fach weiterzuentwickeln: "Ich habe die Petrologie als Student in Wien kennengelernt. Seitdem hat sich einiges verändert. Ich möchte einerseits diesen Fortschritt nach Wien tragen und andererseits das Fach auch aktiv weiterentwickeln." Als zweite wichtige Aufgabe dieser Position sieht er die nachhaltige Förderung junger wissenschaftlicher Talente.

Die Physik und Chemie in den Geowissenschaften

In der Forschung hat sich Abart im Laufe seiner wissenschaftlichen Karriere schon recht früh auf die Petrologie spezialisiert. In diesem Teilgebiet der Geologie, das sich mit dem Studium von geologischen Materialien - insbesondere von Gesteinen - auseinandersetzt, promovierte er 1994 an der ETH Zürich. "Ich stehe für eine ganz bestimmte Fachrichtung: die Geomaterialwissenschaften. Der Ansatz, den ich vertrete, führt die Geologie weg von der reinen Beschreibung hin zu einer rational physikalischen Analyse und quantitativen Interpretation", so der Forscher.

Sich selbst bezeichnet er als "den Physiker bzw. Chemiker in den Geowissenschaften", der für ein neues Verständnis seiner Fachrichtung eintritt. "Geowissenschaften haben immer noch den Ruf einer sehr deskriptiven Wissenschaft. Das stimmt heute nicht mehr. Wir sind von den Methoden her sehr breit aufgestellt, nutzen viel instrumentelle Analytik und verwenden physikalisch fundierte Modelle von den Materialien und Prozessen, die in der Erdkugel vor sich gehen. Deskription ist zwar die Basis, unsere Analyse darf aber nicht dort enden!"

In die Erde hineinschauen

Für den dreifachen Familienvater ist die Erforschung der Gesteine von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, einen Einblick in die Prozesse zu bekommen, die unsere Erde antreiben: "Die Frage, die uns als PetrologInnen antreibt, lautet: Was können wir aus dem Material heraus über die Geschichte von geologischen Formationen aussagen? Die Erkenntnisse, die wir gewinnen, sind nicht nur für die Interpretation von großen geologischen Strukturen wie Gebirgen wichtig, sondern generell notwendig, um die Erde besser zu verstehen."

Die Gesteine selbst sind dieser Auffassung zufolge eine Art Fenster in das Erdinnere bzw. in die Erdgeschichte. Sie werden entweder als Fragmente in Vulkaniten aus großer Tiefe gefördert oder wandern im Zuge von tektonischen Prozessen an die Oberfläche. Ziel der Petrologie ist es, die Bildungsbedingungen und Tiefenlage derartiger Materialien zu rekonstruieren. "Meine Forschung geht noch einen Schritt weiter und möchte nicht nur die Entstehungsbedingungen der Gesteine quantifizieren, sondern auch den Pfad, den diese auf ihrer Reise durch das Erdinnere durchlaufen haben", betont Abart.

Abstraktes Denken


Doch nicht nur in der Forschung bewegt sich der Geologe auf eigenen Bahnen, auch in Bezug auf seine Tätigkeit als Lehrender vertritt er einen ganz besonderen Ansatz: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass StudentInnen gerne mithilfe instrumenteller Analytik arbeiten oder im Labor experimentieren und wertvolle Daten produzieren. Wenn es aber darum geht, die Dinge im Kopf zu abstrahieren und weiter zu bearbeiten, ist oft eine gewisse Hemmung bemerkbar. Ich möchte den jungen Kolleginnen und Kollegen diese Hemmung nehmen und ihnen die Zusammenhänge so darstellen, dass sie diese auch selbst erkennen und weiterentwickeln können."

Der Hang zum Abstrakten kommt bei Abart nicht von ungefähr: "Der Grund hierfür liegt in meiner physischen Konstitution: Ich war aufgrund einer angeborenen Sehschwäche immer schon quasi gezwungen, vieles zu abstrahieren." Mittlerweile hat sich diese Eigenschaft zu einem regelrechten persönlichen Markenzeichen des Wissenschafters entwickelt, der neben "dem Denken an sich" auch zahlreiche sportliche Betätigungen wie Laufen, Schwimmen, Radfahren oder Skitouren zu seinen Hobbies zählt. (ms)


Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Rainer Abart vom Department für Lithosphärenforschung der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie zum Thema "Geomaterialien: Schlüssel zur Dynamik der Erde" findet am Mittwoch, 12. Jänner 2011, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien statt - gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Lutz Nasdala, ebenfalls Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie, der zum Thema "Geomaterialien und die Spektroskopie von Licht" sprechen wird.