Homelearning: Sieben Tipps aus der Praxis

Homelearning Schreibtisch

Die neuen Werkzeuge und Interaktionsformen des Studiums laufen langsam warm. Jetzt gilt es, im Homelearning auch effektiv und mit Freude zu studieren. Felix Pinkert vom Institut für Philosophie kennt sich damit aus und teilt seine "Überlebenstipps".

Die aktuelle Situation ist nicht leicht, aber es gibt zwei gute Nachrichten. Erstens: Sie sind der Herausforderung gewachsen. Auch falls Sie Ihr Studium gerade erst begonnen haben, sind Sie den großen Schritt aus dem extern strukturierten Lernen der Schule in den größtenteils selbststrukturierten Studienalltag bereits gegangen. Das ging vielleicht nicht ohne Rückschläge, aber Sie haben es geschafft. Zweitens: Sie sind mit der Herausforderung nicht allein. Sowohl andere Studierende als auch Ihre Lehrenden sind in der selben Situation und können Sie verstehen. In meiner Arbeit als Philosoph, aus Studium, Promotion, Dozenten- und Forschungstätigkeit kenne ich Zeiten des Homelearnings schon länger. Hier also sieben Überlebenstipps aus dieser Erfahrung:

1) Auch Homelearning kann man lernen

Das Wichtigste zuallererst: Auch erfahrene Homelearner lassen sich mal ablenken. Gerade jetzt, weil dies kein gewöhnliches Homelearning ist, sondern in einer Zeit voller Stress in unserem Umfeld passiert. Urteilen Sie also nicht über sich als Person – bewertende Begriffe wie "faul" sind hier völlig fehl am Platz. Bleiben Sie stattdessen sachlich: Homelearning ist eine Fähigkeit wie jede andere auch. Es gilt sie zu erlernen, und sich durch Übung, Versuch und Irrtum darin zu verbessern. 

2) Struktur schaffen und konkrete Aufgaben definieren

Arbeit zu managen ist auch Arbeit, so ein klassischer Zeitmanagement-Slogan. Nehmen Sie sich Zeit, Ihre Woche und Ihren Tag zu strukturieren. Welche festen Termine gibt es: Online-Lehrveranstaltungen, Gespräche mit Freund*innen, Pausen und Mahlzeiten? Was soll bis wann erledigt werden? In welcher Reihenfolge werden Sie Ihre Aufgaben angehen? Am besten machen Sie ihren Plan gleich am Morgen, oder als letzte Aufgabe am Vortag. Auch eine grobe Struktur für die ganze Woche ist hilfreich. Formulieren Sie Aufgaben möglichst konkret, sodass klar ist, wann Sie erledigt sind. "Arbeite an Hausarbeit X" ist eher vage, "prüfe Zitate auf Seiten X" hingegen ist eine klar erfüllbare Aufgabe.

Für die Tagesstruktur ist ein fixer erster Termin enorm hilfreich. In Abwesenheit von Bibliotheksöffnungszeiten können Sie diesen selbst schaffen: Verabreden Sie sich z. B. mit Mitstudierenden zu einem kurzen Video-Gespräch am Morgen und teilen Sie Ihre Tagesplanung miteinander. Sie können zur gegenseitigen Motivation sogar ein Videogespräch laufen lassen, während Sie mit dem Studieren anfangen. Leben Sie in einer WG oder Partnerschaft, so können Sie den Tag sogar analog gemeinsam beginnen – verabreden Sie aber auch hier eine fixe Uhrzeit, damit es nicht erst mittags losgeht!

3) Fazit des Tages

Werten Sie am Ende des Arbeitstages kurz den Tag aus. Was haben Sie geschafft? Klopfen Sie sich auf die Schultern dafür! Was haben Sie nicht geschafft? Warum nicht? Haben Aufgaben länger gedauert als erwartet? Das ist normal und passiert, und davon lernen Sie für morgen! 

4) Bleiben Sie realistisch 

Ganz wichtig dabei: Seien Sie bescheiden mit Ihren To-do-Listen! Sie müssen nicht an die Uni fahren und haben ja den ganzen Tag Zeit – also können Sie extra viel schaffen? Falsch, das ist ein Rezept für Frustration. Es ist extrem leicht, zu überschätzen, was an einem scheinbar "leeren" Tag zu schaffen ist. Das Corona-Virus hat den Tag nicht auf 30 Stunden verlängert!

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5) Was ist Pflicht, was ist Kür? 

Schreiben Sie statt einer ambitionierten To-do-Liste also eine sehr bescheidene Liste der wichtigsten Aufgaben, und dann extra eine Wunschliste von Dingen, die gut wären, wenn man sie auch schafft. Faustregel: Priorisierte Liste schreiben und dann nochmal halbieren! So haben Sie eine realistische Chance, die Liste der wichtigsten Aufgaben zu schaffen. Und wenn Sie von der Wunschliste auch etwas schaffen, dann haben Sie noch einen weiteren Grund, stolz auf sich zu sein! 

6) Auch Mal offline gehen 

Der Ruf zur bescheidenen Tagesplanung gilt umso mehr, als dass wir alle auch sehr beschäftigt damit sind, zu verarbeiten, was gesellschaftlich um uns passiert. Das bringt uns zum Thema Ablenkung: Als engagierte Bürger*innen wollen wir natürlich wissen, was gerade passiert. Aber es kommt dabei nicht auf die eine oder andere Stunde an – Sie brauchen nicht 24 Stunden am Tag Echtzeitnews, diese sind Ihrem Homelearning auch nicht zuträglich. Nutzen Sie Ihr Studium, um auch mal abzuschalten von den Nachrichten und Social Media. Fällt Ihnen das schwer (und auch das ist völlig normal), dann bedienen Sie sich einer der verschiedenen Internet-Blocker (zu finden – genau – im Internet!), mit denen Sie auf Ihrem Computer das Internet für bestimmte Zeiten blockieren können.

7) Machen Sie regelmäßig Pausen

Niemand kann 100 Prozent des Tages immer voll konzentriert an schwierigen Aufgaben arbeiten, und man kann Produktivität nicht nachhaltig durch einen Kraftakt erzwingen. Nutzen Sie z. B. eine "Pomodoro"-App, die Ihnen abwechselnd Arbeits- und Pausenzeiten signalisiert. Nutzen Sie die Pausen auch für Bewegung in der Wohnung oder vor der Haustür.

8) Über Probleme sprechen

Wenn Sie durch die allgemeine Situation oder persönliche Betroffenheit, z. B. durch Krankheit oder finanzielle Sorgen aufgrund von Verdienstausfällen, nur schwer zum Homelearnen kommen: Sprechen Sie mit Freund*innen oder Familie darüber, kontaktieren Sie Ihre Lehrenden, und suchen Sie Unterstützung. Die Situation ist neu und anstrengend für uns alle, und an der Universität Wien sind wir bemüht, einander zu helfen, damit so gut wie möglich umzugehen.

Felix Pinkert ist Philosoph an der Universität Wien und Studiengangsleiter des neuen Masterstudiengangs Philosophy and Economics. (© Universität Wien)