Mojib Latif: Wir müssen den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren

"Wie retten wir unser Klima?" lautet die Semesterfrage im Sommersemester 2018. Zum Abschluss lud die Universität Wien auf den Uni Wien Campus, wo der renommierte Klimaforscher Mojib Latif mit dem Publikum über die "Herausforderung Klimawandel" diskutierte.

Die Abschlussveranstaltung der Semesterfrage "Wie retten wir unser Klima?" füllte an diesem heißen Montagabend den Hörsaal C1 am Uni Wien Campus. Jedes Semester stellt die Universität Wien ihren WissenschafterInnen eine Frage zu einem Thema, das die Gesellschaft aktuell bewegt. In Interviews und Gastbeiträgen liefern die ForscherInnen vielfältige Blickwinkel und Lösungsvorschläge aus ihrem jeweiligen Fachbereich.

Durch den Abend begleitete Petra Stuiber, stellvertretende Chefredakteurin des Standard, dem Kooperationspartner der Uni Wien Semesterfrage.

Rektor Engl begrüßte die versammelten Gäste. Er freue sich mit Mojib Latif, dem Leiter des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung an der Universität Kiel, einen der führenden Klimaforscher an der Universität Wien begrüßen zu dürfen. 

Mojib Latif, der direkt vom Flughafen in den Hörsaal eilte, startet seinen Vortrag mit der Feststellung, dass er immer noch viel Skepsis erlebt. "Permanent wird mir die Frage gestellt, ob das wirklich stimmt, dass der Mensch das Klima beeinflusst", so der Wissenschafter. Das Thema sei scheinbar noch nicht so in der Öffentlichkeit angekommen, wie die wissenschaftlichen Ergebnisse vermuten lassen.

"Das Klimaproblem ist nur ein Symptom", fährt Latif fort. "Wir denken nicht zukunftsfähig." Denn das Klimaproblem könne nicht durch Isolation, sondern nur gemeinsam gelöst werden und sei eigentlich ein Energieproblem. "Seit der Steinzeit verbrennen wir fossile Brennstoffe", beklagt Latif die mangelnde Lernfähigkeit, wenn es um Energiegewinnung geht.

Das CO2 – das Treibhausgas, auf das sich Latif in seinem heutigen Vortrag konzentriert, hat heute schon einen einsamen Rekordwert erreicht, wie Latif auf seiner mitgebrachten Präsentation zeigt. "Warum interessiert das niemanden?", fragt Latif ins Publikum und hat auch eine Antwort parat: Die Bedrohung sei nicht spürbar, weil man den CO2-Gehalt in der Luft nicht wahrnehmen könne. "Stellen Sie sich vor, das CO2 wäre sichtbar und würde den Himmel braun einfärben. Wir würden sofort reagieren."

Was aber bedeutet der steigende CO2-Gehalt? Es wird wärmer, wie Latif beispielhaft erklärt: Im Alpenraum sei die Erwärmung circa doppelt so stark wie im Durchschnitt. Erstens erwärmt sich Land schneller und zweitens wird durch die Gletscherschmelze weniger Sonnenlicht reflektiert. Außerdem werden die Tropennächte mehr, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt, und die Frosttage weniger – selbst im Hochgebirge. "Gletscher reagieren nicht hektisch, sie summieren die hohen Temperaturen", so Latif.

Und wie können wir diese Entwicklungen aufhalten? Latif konstatiert ein Umsetzungsproblem in der internationalen Klimaschutzpolitik. Die Ziele, die in Paris vereinbart worden sind, seien kaum mehr einzuhalten. Problematisch sieht Latif vor allem die Schuldzuweisungen, denn "es ist völlig egal, wer wo CO2 ausstößt. Das Klima interessiert sich nur für kummulative Ausstöße."

Latifs Appell: Um das Klima zu retten, müsse der Ausstoß von CO2 drastisch reduziert werden. Denn selbst wenn der Ausstoß von CO2 stagniert, steige sein Gehalt in der Luft weiter. Sorgen würden ihm vor allem Länder wie Indien machen, deren CO2-Ausstoß im Vergleich noch niedrig sei, die aber hohe Wachstumsraten haben würden. Dennoch sei die Klimarettung machbar, meint Latif: "Die Macht, die wir alle haben, darf man nicht unterschätzen."

In der abschließenden Fragerunde kam auch das Publikum zu Wort. Wie stehe Latif zum Fliegen?, lautete etwa eine Frage. "Das Rad kann man nicht zurückdrehen: Menschen wollen fliegen und Auto fahren", antwortet Latif. Wichtig wäre, Reisen und Technik zukunftsfähig zu machen. Er sei überzeugt davon, dass die Entwicklung auch dahin gehe.

Im Anschluss an Latifs Vortrag wurde im kleinen Kreis weiter diskutiert: Nach einem Impulsvortrag von Harvard-Ökonom Gernot Wagner diskutierten Uni Wien WissenschafterInnen über mögliche Antworten auf die Semesterfrage.

Wagners These: Mit Solar Geoengineering ließe sich der Klimawandel zumindest kurzfristig einschränken. Das sei eine Art Chemotherapie für die Erde, die eine Übergangslösung sein könnte. Uni Wien Aerosol- und Umweltphysikerin Bernadett Weinzierl äußerte Bedenken zum Einsatz dieser Methoden, weil die Auswirkungen noch nicht ausreichend erforscht seien.

Meeresbiologie Gerhard Herndl vom Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie appellierte an die kommenden Wirtschaftsgenerationen. Es solle ein Prinzip des Recycelns und nicht des Wegwerfens herrschen, so Herndl.

Aus ökomomischer Sicht warf Paul Pichler von der Fakultät Institut für Volkswirtschaftslehre die Aufgabe von supranationalen Organisationen in den Raum und Global 2000-Geschäftsführer Leonore Gewessler konterte Wagner, dass eine Chemotherapie massive Nebenwirkungen auslöse. Die Entscheidungsmechanismen über einen Einatz von Solar Geoengineering seien völlig offen und müssten erst breit diskutiert werden.

Die Rettung des Klimas wird Wissenschaft und Gesellschaft fortwährend begleiten, auch auf europäischer Ebene. Auch die nächste Semesterfrage bietet viel Spielraum für Diskussionen, wenn die Universität Wien im nächsten Wintersemester fragt: "Was eint Europa?". (Fotos: Universität Wien/derknopfdruecker.com, Text: Paulina Parvanov).