150. Geburtstag der Sozialdemokratin Adelheid Popp

Kaum eine zweite Aktivistin prägte die frühe Sozialdemokratie in Österreich wie sie: Adelheid Popp kämpfte für die Rechte von Arbeiterinnen, gegen den Krieg und für die Teilhabe von Frauen in der Politik. Heute wäre die sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete 150 Jahre alt geworden.

"Adelheid ging für keine Sache, und mochte sie sie sich noch so sehnlich wünschen … mit dem Kopf durch die Wand." Es war das Wahlkampfjahr 1930 und die prominente Sozialdemokratin Adelheid Popp (1869-1939), geb. Dworak, setzte sich für die auf Frauen zugeschnittenen Ziele der damaligen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) ein. Ganz auf der technischen Höhe der Zeit produzierte sie eine Schallplattenrede: "Wenn ihr eure Pflicht tut" und die Sozialdemokratie wählt, rief sie darin den Frauen Österreichs zu, würden mehr weibliche Abgeordnete in den Nationalrat einziehen.

Sie behielt Recht, die SDAP wurde wieder stimmenstärkste Partei und neun Sozialdemokratinnen kamen neben einer christlichsozialen und einer deutschnationalen Abgeordneten ins Parlament. Diese Zahl sollte erst 1974 mit 14 Frauen im Nationalrat überboten werden.

Ein Leben für Sozialdemokratie und Geschlechtergerechtigkeit

Der Weg in Richtung Geschlechtergerechtigkeit in Österreich war lang und schwierig – zu den entscheidenden ProponentInnen zählt Adelheid Popp. Und sie selbst trug zur Überlieferung ihres Lebenswegs mit ihrer Autobiografie von 1909 "Jugend einer Arbeiterin. Von ihr selbst erzählt" entscheidend bei.

Ihr Buch wurde in zig Sprachen übersetzt und erlebte unzählige Auflagen. Darin zeichnete sich Adelheid Popp als junge Arbeiterin, die die vorgefundenen Verhältnisse nicht akzeptieren wollte, sich für die Sozialdemokratie begeisterte und in Versammlungen als glänzende Rednerin auffiel. "Das allerliebste Wiener Fabrikmädel, reizend von Angesicht und liebenswürdig von Manieren", so Friedrich Engels ganz dem paternalistischen Duktus verpflichtet, begeisterte in der sozialdemokratischen Internationale vor dem Ersten Weltkrieg.

Gabriella Hauch, Autorin dieses Gastbeitrags, ist eine der Projektleiterinnen des Ausstellungsprojekts "Sie meinen es politisch!" 100 Jahre Frauenwahlrecht (hier im Bild beim Festakt zu 100 Jahren Frauenwahlrecht an der Universität Wien). Die Ausstellung wird am 7. März 2019 im Volkskundemuseum eröffnet und läuft bis zum 25. August 2019. Die Publikation "Sie meinen es politisch!" 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich: Geschlechterdemokratie als gesellschaftspolitische Herausforderung wird demnächst im Löcker Verlag erscheinen. (© Universität Wien/derknopfdruecker.com)

Bewegung, Bildung und Boykott

Obwohl sie nur drei Jahre lang die Volksschule besucht hatte, fungierte sie seit 1893 als verantwortliche Redakteurin der Arbeiterinnen-Zeitung, der erst kurz zuvor von Aktivistinnen der sozialdemokratischen Frauenbewegung gegründeten Zeitung für Frauen und Mädchen. In den 1890er Jahren blühten Frauenbewegungen aller politischer Couleur auf – eine schwierige Angelegenheit, verbot doch der Paragraph 30 im Vereinsrecht Frauen, sich politisch zu organisieren.

Die Sozialdemokratinnen um Adelheid Popp gründeten Arbeiterinnen-Bildungsvereine: Wissen ist Macht! lautete die Parole. Und das brauchten sie, um endlich die Akzeptanz der Männerarena SDAP zu erreichen. Dabei agierten sie anfangs kompromisslos: Sie organisierten Boykotte von Parteitagen, um ein Delegationsrecht für Frauen durchzusetzen und gründeten die "Sozialdemokratische Reichsfrauenorganisation" ohne Absprache mit den Parteigranden.

Mittlerin und Kriegsgegnerin


Aber auch unter den "Genossinnen" gab es Meinungsverschiedenheiten. Sollte Gleichberechtigung in der Politik oder in den Gewerkschaften erkämpft werden? Adelheid Popp agierte als Mittlerin und Ausgleicherin zwischen den Fronten – eine Funktion, die sie auszeichnete und ihre führende Position untermauerte.

Keinen Kompromiss ging sie allerdings bei der Frage des Ersten Weltkrieges ein. In ihrer Arbeiterinnen-Zeitung ist nichts von patriotischem Jubel zu lesen – ganz im Gegensatz zur Arbeiter-Zeitung, der großen sozialdemokratischen Tageszeitung.

Adelheid Popp gehörte zu den ersten Frauen, die nach der Einführung des Frauenwahlrechts vor fast genau 100 Jahren ins Parlament einzogen. Das Bild zeigt die sozialdemokratische Aktivistin im Jahr 1892. (© Bildarchiv Austria/Österreichische Nationalbibliothek, Porträt der Popp, Adelheid (1869-1939), Inventarnummer Pf 1909:D (1))

Politik als Familie

Adelheid Popp war, nachdem sie geheiratet hatte, Mutter zweier Söhne geworden. Früh verwitwet verlor sie einen Sohn im Krieg, den zweiten durch Grippe in der Ersten Republik – Schicksalsschläge, die sie ein Leben lang begleiteten. Umso wichtiger wurde das soziale Umfeld Politik. Die Republikgründung 1918 brachte Demokratie und Gleichberechtigung für Frauen und die damals 50-Jährige war am Höhepunkt ihrer politischen Karriere: Die ehemalige Fabrikarbeiterin wurde eine der sechs weiblichen Abgeordneten, die die gesamte Erste Republik im Nationalrat saßen.

Popp hatte immer viel Wert auf ausgefallenes Aussehen gelegt, trug kecke Hüte und Reformkleidung, heißt, sie entsagte dem Korsett. Nun im Parlament trug sie Bubikopf, engagierte sich für Sexualreform und focht für die Entkriminalisierung der Abtreibung.

Hoffnung in autoritären Regimen

Der autoritäre christliche "Ständestaat" ab 1933/34 brachte nicht nur das Ende der Demokratie und die Rücknahme der verfassungsmäßigen "Gleichberechtigung ohne Unterschied des Geschlechts", sondern auch der Erfolgsgeschichte von Adelheid Popp. Sie litt an Depressionen und Geldsorgen, wurde aber von einem Kreis jüngerer Sozialdemokratinnen umsorgt. Gerne wäre sie emigriert, erhielt aber keinen Pass. "Unsere erträumte Welt werden wir nicht mehr schauen", resumierte sie an ihrem Lebensabend.

Allerdings schloss sie ihr letztes für die Öffentlichkeit bestimmtes Manuskript gewohnt pathetisch: "Was wäre die Menschheit, hätte sie keine Hoffnungen mehr! Hoffe und strebe solange du atmen kannst, sollte des Menschen Wahlspruch sein." Adelheid Popp starb knapp ein Jahr nach der Machtergreifung der NationalsozialistInnen in Österreich.

Gabriella Hauch ist Professorin für Geschichte der Neuzeit/Frauen- und Geschlechtergeschichte an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und zweite Sprecherin des gesamtuniversitären Forschungsverbundes "Geschlecht und Handlungsmacht/Gender und Agency".