Gesundheitsbewusstsein in aller Welt: Ein- und Ausblicke von Alumni

Druckfrisch: Die neue Ausgabe des Alumni-Magazins "univie" ist da und dreht sich um die aktuelle Semesterfrage der Universität Wien. Chefredakteurin Siegrun Herzog hat sich bei Alumni umgehört und nach Gesundheitsbewusstsein und Lebensstilen in aller Welt gefragt.

Im Land der XXL-Portionen

"Amerika ist ein Land der Extreme. Einerseits herrscht in bestimmten Kreisen und Gegenden ein wahrer Fitness- und Ernährungswahn, wie es ihn in Europa in vergleichbarer Form nicht gibt. Wird ein Lebensmittel als 'gesund' identifiziert, dann ist es mit Sicherheit binnen kürzester Zeit in aller Munde. In gebildeten, reichen, städtischen Schichten kann die Auswahl der 'richtigen' Lebensmittel und Ergänzungsprodukte gar nicht elitär und teuer genug sein. Fitnessstudios boomen landauf, landab. Der Kontrast zur Lebensrealität der überwiegenden Mehrheit der US-Amerikaner, die von fettem, ungesundem Essen in viel zu großen Portionen und den daraus resultierenden enormen Raten von Übergewicht, Diabetes, Herzerkrankungen und ähnlichem gekennzeichnet ist, könnte allerdings größer nicht sein.

Meiner Ansicht nach ist es in den USA besonders schwierig, tatsächlich gesund zu leben. Bio-Lebensmittel sind um ein Vielfaches teurer als regulär hergestellte Lebensmittel und außerhalb der urbanen Zentren oft auch schwer erhältlich. Ein verschwindend geringer Teil der Landwirtschaft produziert biologisch. Im Supermarkt erhältliche (Fertig-)Produkte enthalten oftmals eine Vielzahl an versteckten Zutaten. Brot ohne Zuckerzusatz zu finden, ist unmöglich, man wird nur bei High-End Bäckereien fündig. Generell enthalten alle Lebensmittel ein Vielfaches an Zucker und Salz als vergleichbare Produkte in Österreich. Die Portionen in Restaurants sind immer zu groß, besonders außerhalb von New York, San Francisco oder ähnlichen 'Inseln des Bewusstseins', nehmen Speisen in Restaurants oftmals geradezu obszöne Größen an, von den Trinkbechergrößen ganz zu schweigen. Hinzu kommt ein Lebensstil, der für DurchschnittsamerikanerInnen im täglichen Leben praktisch keine Bewegung mehr vorsieht. Ein paar Schritte aus der Küche in die Garage, mit dem Auto bis direkt in die Arbeit, am Abend nach Hause zurück.

Gesundheit kommt für mich nicht aus dem Labor, sondern aus dem Lebenswandel. Wenn es um medizinische Fortschritte geht, etwa bei der Bekämpfung von Krankheiten, bei der künstlichen Nachzucht von Körperteilen oder ähnlichem, sehe ich natürlich eine große Rolle für die medizinische Forschung und das Labor. Die tagtägliche Gesundheit muss aber anders gesichert werden. Gegen zu viel Fett, zu wenig Bewegung und zu wenig Schlaf helfen auch Pillen nichts."

Mag. Philipp Charwath, Alumnus der Geschichte, Anglistik und Amerikanistik, New York, USA, Ständige Vertretung Österreichs bei den Vereinten Nationen. (Foto: privat)

Italienischer Küchenpatriotismus

"Für mich spielt gesunde Ernährung eine sehr große Rolle, da ich Ernährungswissenschaften studiert habe und als Ernährungsberaterin tätig bin. Ich versuche mich täglich selbst in meiner Lebensmittelvielfalt weiterzuentwickeln und auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Seit ich in Italien lebe, hat sich vor allem meine Auswahl an Lebensmitteln geändert, einige 'neue' Nahrungsmittel musste ich in ihrem Nutzen und ihrer Verwendung erst kennenlernen. Dadurch ist meine Küche nun weitaus vielfältiger als früher.

Da Italien wohl das Land mit dem stärksten 'Küchenpatriotismus' überhaupt ist, drehen sich weit mehr Gespräche und Diskussionen um das Thema Essen, als ich es aus Österreich gewohnt bin. Dabei stehen die Tradition, der Geschmack, der Genuss und die Zubereitung im Vordergrund. Essen wird hier noch zelebriert und dient dem gesellschaftlichen Austausch. Exotische Küchen fassen zwar schrittweise Fuß, jedoch steht die Tradition an erster Stelle. Gesundheitsbewusstsein ist natürlich vorhanden, geht jedoch mit der mediterranen Ernährungsweise Hand in Hand: Gesundheitsbewusstsein ja – Genuss jedoch umso mehr.

Grundsätzlich ist ein gesunder Lebensstil hier sehr einfach durchzuführen. Es gibt Obst und Gemüse in Hülle und Fülle, natürlich regional und saisonal, immer auch biologisch. Durch die Lage an der Adriaküste stehen Fisch und Meeresfrüchte häufig auf dem Speiseplan. Durch das meist gute Wetter und viele Sonnenstunden ist tägliche Bewegung an der frischen Luft leicht machbar und wird auch entsprechend gelebt. Vollkornprodukte bilden nach wie vor die Minderheit bei Brot, Pasta und Mehl, jedoch sind sie fast überall erhältlich, oft auch in biologischer Ausführung, allein die Auswahl ist nicht besonders groß. Aufgrund einer mangelnden ausgewogenen Frühstückskultur sind aber vor allem Cerealien wie Haferflocken, Dinkel oder Roggen sowie zuckerfreie Müslisorten rar und teuer.

Auch der vegane Trend beginnt langsam Fuß zu fassen, jedoch kommt die Welle wesentlich langsamer als in Österreich oder Deutschland, daher ist die Auswahl an veganen Produkten nach wie vor etwas spärlich. Spannend finde ich, dass zwar an traditionellen Gerichten festgehalten, jedoch mit gesunden Alternativen experimentiert wird, so ist beispielsweise ein Angebot an Dinkel-, Vollkorn- oder Hanfpizza in der Pizzeria um die Ecke keine Seltenheit.

Die Gesundheitsvision aus dem Labor wäre nach meiner Vorstellung eine 'Reset-Pille', die den Körper wieder in eine ausgeglichene Basis zurückführt, auf deren Signale man vertrauen und mit deren Hilfe man seine Gesundheit wieder überwiegend selbst in die Hand nehmen kann."

Mag. Cornelia Führer, BA, Alumna der Ernährungs­wissenschaften und Deutschen Philologie, Ancona, Italien, Selbstständige Ernährungsberaterin. (Foto: privat)

Über- und Unterernährung in der WHO-Region Westlicher Pazifik

Als Ende 2014 im Inselstaat Kiribati im westlichen Pazifik Todesfälle wegen Beriberi bekannt werden, schrillen bei Katrin Engelhardt schnell die Alarmglocken. Die Alumna der Ernährungswissenschaften der Uni Wien leitet das WHO-Ernährungsprogramm in der Region Westlicher Pazifik in Manila – ihr ist sofort klar, es könnte am Essverhalten liegen. Mit dramatischen Folgen. Die Todesfälle durch Vitamin-B1-Mangel auf der Pazifik-Insel, wo sonst Übergewicht dominiert, sind für Engelhardt ein untrügliches Zeichen für ein kaputtes Lebensmittelsystem, in dem manche Lebensmittel fehlen, während andere zu viel konsumiert werden. "Auf Kiribati wird viel geschälter Reis gegessen, es mangelt an frischem Obst, Gemüse und Getreideprodukten und damit an Vitamin B1."

Kiribati ist eines der Länder im Zuständigkeitsbereich der WHO-Expertin, wo die Ambivalenz besonders deutlich wird: In vielen Staaten der Region Westlicher Pazifik kommen Unter- und Überernährung gleichzeitig vor. "Auf Papua-Neuguinea sind fast 15 Prozent der Kinder unter fünf Jahren übergewichtig – und genauso viele untergewichtig", so Engelhardt. Viele dieser Schwellenländer erlebten in den letzten Jahren einen Wirtschaftsboom, mit positiven und negativen Auswirkungen. Internationale Konzerne investieren verstärkt in der Region, mit dabei die Lebensmittelindustrie. Eine größere Vielfalt an Produkten sei zwar prinzipiell zu begrüßen, allerdings nehme auch der Anteil an Fertigprodukten und Süßgetränken zu und mit ihnen die Probleme, die wir auch aus Europa kennen: zu viel Zucker, Salz und Fett, so die Alumna.

Steigende Raten an Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes, Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Folge. Der Kampf gegen ungesunde Lebensmittel ist schwierig, denn die Konzerne sind mächtig. "Wir dürfen uns nicht von der Lebensmittel­industrie bevormunden lassen", sagt Katrin Engelhardt und plädiert für gesetzliche Einschränkungen von Lebensmittelwerbung und Lebensmittelkennzeichung. Vor allem Kinder sind den aggressiven Werbetechniken ausgesetzt, die ungesundes Essverhalten verstärken. Lebensmittelkennzeichung sollte standardmäßig in allen Ländern umgesetzt werden. Denn zu erfahren, wie viel Salz, Zucker, und Fette in einem Produkt enthalten sind, wie in Europa selbstverständlich, sei in der Region noch nicht überall der Fall.

Dr. Katrin Engelhardt, Alumna der Ernährungswissenschaften, Manila, Philippinen, Leiterin des regionalen Ernährungsprogramms der WHO-Region Westlicher Pazifik. (Foto: privat)

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