Gratulation an Emmanuelle Charpentier zum Chemie-Nobelpreis

Emmanuelle Charpentier

Der Chemie-Nobelpreis 2020 geht an Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna für die Entdeckung der Genschere. Charpentier leitete von 2002-2009 eine Forschungsgruppe an den Max Perutz Labs der Uni Wien.

Die Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas9 durch Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna war "eines der revolutionärsten Ereignisse in der Molekularbiologie, weil sie erlaubt, Genome mit einer Präzision zu verändern und zu reparieren, wie es in der Form zuvor nie möglich war", erklärt der wissenschaftliche Direktor der Max Perutz Labs der Universität Wien und der Medizinischen Universität, Alwin Köhler, wo Emmanuelle Charpentier von 2002 bis 2009 forschte.

"Mobilität gehört heute zur Forschung"

Die Arbeit der Forscherinnen zeige, dass Grundlagenforschung aus reiner Neugier zu unerwarteten Entdeckungen mit ebensolchen Anwendungen führen kann. Die Beiden hätten bloß verstehen wollen, wie sich Bakterien gegen Phagen (Viren, die Bakterien befallen) wehren. Aus dem bakteriellen Abwehrsystem entwickelten sie besagte, im Labor verwendbare Genschere. Sie zeige auch, dass solche Erfolge in Österreich passieren können, wenn man hier in die Grundlagenforschung investiert.

Dass Charpentier nicht mehr in Wien ist, bezeichnete er als Wermutstropfen: "Mobilität gehört aber heute zur Forschung", sagt Köhler: "Für die Wissenschafter*innen ist das teils schlecht, weil sie so oft umziehen müssen, aber das ist einfach den Umständen geschuldet." 2009 wechselte Charpentier an die Universität Umea in Schweden und forscht heute am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin.

Erinnerungen eines Kollegen

"Ich war Teil des Teams, das die sogenannte Trans-activating crRNA (tracrRNA) beschrieben hat", sagt Krzysztof Chylinski, der in der Forschungsgruppe von Emmanuelle Charpentier an den Max Perutz Labs in Wien als Doktorand maßgeblich an der Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas9 beteiligt war. 

Die tracrRNA dient dem CRISPR/Cas9 System als Adapter zur Bindung der Ziel-DNA. "Das war die erste große Entdeckung aus dem Charpentier-Labor bezüglich der Genschere", so der Forscher. Anschließend war Chylinski gemeinsam mit Martin Jinek vom Labor Jennifer Doudnas einer der beiden Hauptautoren der im Fachjournal "Science" veröffentlichten Studie, wo die Forscher*innen quasi die Klinge der Genschere (das Enzym Cas9) beschrieben haben, und das System als Werkzeug zum Verändern von DNA vorschlugen.

Großer Einfluss auf Industrie und Biotechnologie 

Hervorstechend sei bei Emmanuelle Charpentier ihre große Flexibilität. "Als wir gesehen haben, dass an der Sache etwas interessant sein könnte, sind wir ihr einfach nachgegangen", berichtet Chylinski. "Als Wissenschafter*in muss man immer genau schauen, was die Forschung einem zeigt", sagte er: "Schlau sein, hilft auch, und ein bisschen Glück gehört auch immer dazu."

Die CRISPR/Cas9 Technik hat einen riesigen Einfluss auf die Industrie, die Biotechnologie, Medizin und Grundlagenforschung, meint er: "Es werden jeden Tag neue Entdeckungen und Anwendungen mit dem CRISPR/Cas9 System veröffentlicht, und in den vergangenen Jahren wurden klinische Versuche mit CRISPR/Cas9 basierten Therapien begonnen".

"Heute bin ich sehr glücklich für Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, und natürlich auch mehr als ein bisschen stolz, bei ihrer Entdeckung mitgewirkt zu haben", sagte der Forscher über die Zuerkennung es Chemie-Nobelpreises an die beiden Wissenschafterinnen. 

Rektor Engl gratuliert Emmanuelle Charpentier zum Chemie-Nobelpreis

"Emmanuelle Charpentier hat mit ihren bahnbrechenden Entdeckungen die Grundlage für mannigfache Anwendungen geschaffen. Ich gratuliere ihr namens der Universität Wien, an der sie sich habilitiert und sieben Jahre gewirkt hat, ganz herzlich zum Nobelpreis", so Rektor Engl. 

Die französische Biochemikerin Emmanuelle Charpentier studierte an der Université Pierre et Marie Curie in Paris Mikrobiologie und Genetik. Nach Stationen in den USA wechselte sie an die Max Perutz Labs der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. In Wien legte sie den Grundstein für ihren späteren Erfolg. Mit einer Gruppe von Molekularbiolog*innen der Universität Wien und des Vienna Biocenters beschäftigte sie sich mit der Ribonukleinsäure (RNA) und fand eine spezielle Form davon. Für die Entwicklung einer Methode zur Bearbeitung des Genoms - konkret die Genschere CRISPR/Cas9 – wurde sie jetzt mit dem wichtigsten Preis in diesem Bereich ausgezeichnet. (APA)