Kastalia: Von Geschlechtergleichstellung profitieren nicht nur Frauen

KAstalia im Arkadenhof der Uni Wien

Die Nymphe Kastalia ist als Statue im Arkadenhof der Universität Wien verewigt und weiß als Zeitzeugin der letzten hundert Jahre so einiges zu berichten. Im Interview mit der Abteilung Gleichstellung und Diversität räumt sie mit einem Mythos auf: Bei Geschlechtergleichstellung geht es nicht nur um die Besserstellung von Frauen.

Kastalia, werden Männer durch Frauenquoten oder Karriereförderungsprogramme nur für Frauen benachteiligt?
Kastalia:
(Verdreht die Augen) Verzeihen Sie mein Augenrollen. Ich verstehe, warum diese Frage gestellt wird, aber ich höre sie wirklich nicht zum ersten Mal. Eigene Stipendien, Netzwerke usw., die explizit für Wissenschafterinnen – mit kleinem i – braucht es, weil es immer schon Orte gab, zu denen de facto nur Männer Zutritt hatten. Deshalb muss natürlich überall dort, wo vor allem Männer überwiegen, jetzt einmal für weibliche und auch geschlechtervielfältige Perspektiven Platz gemacht werden. Aber Männer profitieren auch von diesem frischen Wind. Wenn wir stereotype Vorstellungen von Männlichkeit über Bord werfen, haben sie auf jeden Fall etwas davon: endlich nicht immer stark sein müssen und Gefühle zeigen dürfen oder nicht mehr Haupternährer sein müssen, sondern mehr Zeit für die Familie zu haben. Das klingt doch nicht schlecht, oder? Ich würde also sagen, von Geschlechtergleichstellung profitieren nicht nur Frauen.

Ein gemeinsames Augenrollen
Gleichstellungsarbeit passiert nicht nur in der Abteilung Gleichstellung und Diversität – viele Menschen an der Universität und natürlich auch außerhalb setzen sich dafür ein. Nicht immer werden diese Bemühungen wertschätzend wahrgenommen. Stattdessen werden sie oft mit einem Augenrollen quittiert. Anlässlich des Jubiläums wollen wir alle gemeinsam unsere Augen zurückrollen.


Was meinen Sie mit geschlechtervielfältigen Perspektiven?
Kastalia:
Die Universität Wien hat auch die Unterstützung von trans, inter* und nicht-binären Personen im Gleichstellungsplan festgeschrieben. Diese Gruppen erleben ebenfalls Diskriminierung aufgrund von Geschlecht – in erster Linie, weil ihre Geschlechtsidentität von vielen noch nicht als "normal" anerkannt und dementsprechend respektvoll behandelt wird. Das fängt schon bei der rechtlichen Lage an: Die Angleichung des Geschlechtseintrags, der bei der Geburt im Personenstand festgelegt wurde, ist für trans Männer oder trans Frauen zwar möglich, aber mit vielen Hürden verbunden – und es kann dauern. Für inter* Menschen hat sich da seit 2018 etwas getan: neben männlich und weiblich sind auch die Einträge "inter", "divers", "offen" oder "keine Angabe" möglich. Aber das Ganze wird immer noch als medizinisches Problem verstanden und nicht als Frage der Selbstdefinition. Das bedeutet auch: Für nicht-binäre Personen gibt es in Österreich noch gar keinen eigenen amtlichen Geschlechtseintrag, weil noch immer Fachgutachten von Ärzt*innen notwendig sind, um den eigenen Geschlechtseintrag zu bestimmen. Obwohl es also positive Entwicklungen gibt, sind wir gesellschaftlich noch lange nicht am Ziel der Inklusion angekommen.

Inter* ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, deren Geschlechtsmerkmale (Chromosomen, Gonaden, Hormone, Genitalien) von der medizinisch definierten Norm von weiblichen oder männlichen Körpern variieren (Intergeschlechtlichkeit). Für manche bezeichnet inter* die eigene Geschlechtsidentität, andere sind Frauen, Männer oder nicht-binär (s.u.).
Trans sind Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht oder nur zum Teil dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei ihrer Geburt zugewiesen wurde. Trans Personen sind Frauen, Männer oder nicht-binär (s.u.).
Nicht-binär ist ein Überbegriff für alle Menschen, die weder männlich noch weiblich sind. Sie können sich unterschiedlich zu diesen beiden Geschlechtern verorten: z.B. beide haben, dazwischen sein, wechseln, ein anderes oder auch gar kein Geschlecht haben.


Und wie kann zur Gleichstellung von trans, inter* und nicht-binären Menschen im Kontext der Uni beigetragen werden?
Kastalia:
Wenn jemand weder Frau noch Mann ist, wird die Person im Unialltag ständig in ein zweigeschlechtliches, also binäres System eingeteilt: zum Beispiel in Dokumenten wie dem Studierendenausweis oder Arbeitsvertrag, in der alltäglichen Kommunikation beispielsweise in der Anrede in E-Mails oder Lehrveranstaltungen, in Räumen wie Klos oder Umkleiden und nicht zuletzt in Inhalten von Forschung oder Lehre, wenn Geschlechtervielfalt nicht berücksichtigt wird. Um die Gleichstellung von trans, inter* und nicht-binären Menschen voranzutreiben, sollten also in all diesen Bereichen mehrere bzw. geschlechtsneutrale Möglichkeiten vorhanden sein und mitbedacht werden. Empfehlungen für den geschlechterinklusiven Sprachgebrauch in der Administration oder in Lehrveranstaltungen an der Universität Wien gibt es bereits – das ist ein wichtiger Schritt. Aber die Anpassung des neuen Geschlechtseintrages und Namens sollte schneller und unbürokratischer möglich sein, damit es nicht zu einem Zwangsouting kommt, wenn das gelebte Geschlecht noch nicht mit dem eingetragenen Geschlecht übereinstimmt. Es gibt bereits viele Vorschläge für eine geschlechtervielfältige Uni von Interessensgruppen trans, inter* und nicht-binärer Menschen, jetzt geht es noch um die Umsetzung!

Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Abteilung Gleichstellung und Diversität stellen wir vor:
Frauenförderungs- und Gleichstellungsplan der Universität Wien
Die Universität Wien bekennt sich in dem Plan zur Frauenförderung und zu einer aktiven Gleichstellung von Frauen und Männern, zu einer Gleichstellung von Personen mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung sowie zu einem respektvollen Umgang mit trans-, inter* und nicht-binären Personen. Sie lehnt außerdem jede Diskriminierung sowie eine Benachteiligung im Zusammenhang mit Betreuungspflichten ab.