Virtuellen Kontakt zwischen den Generationen intensivieren

Hände einer älteren Person, die ein Smartphone hält

"Kein Kontakt zwischen Großeltern und Enkel" ist eine der großen Einschränkungen in Zeiten der Corona-Krise. Der Altersforscher Franz Kolland von der Universität Wien plädiert dafür, "den virtuellen Kontakt zwischen den Generationen hochzufahren" und damit drohende negative Effekte der Isolation für ältere Menschen abzufedern.

Die Kontaktvermeidung zur Eindämmung des Coronavirus sei aus soziologischer Sicht "eine enorme Veränderung und Beeinflussung des Lebens der Menschen im Alter", sagt Franz Kolland vom Institut für Soziologie der Universität Wien. Neben der kognitiven und körperlichen Bewegung zählen die sozialen Kontakte zu den wichtigsten Säulen erfolgreichen Alterns, so der Wissenschafter. Nun drohen zwei dieser Säulen, die Bewegung und die Kontakte, zumindest zum Teil wegzubrechen.

Einsamkeit auch ohne Coronavirus

Diese Situation müsse man genau beobachten und gegebenenfalls "Maßnahmen setzen, um das in irgendeiner Weise abzufedern", so Kolland. Denn im Alter, wo etwa berufliche Kontakte weniger werden, sind die familiären Beziehungen noch zentraler. Auch ohne Coronavirus gehe man in der Forschung von acht bis zwölf Prozent älterer Menschen aus, die sich einsam fühlen.

Als "sehr günstig" könnten sich jetzt allerdings moderne Kommunikationstechnologien erweisen, die auch visuelle Kontakte erlauben, ohne einander begegnen zu müssen. Man sehe in den vergangenen Jahrzehnten, dass das Telefon eine ähnliche Bedeutung in den Beziehungen über die Generationen hinweg hat wie der physische Kontakt. "Wir haben eher Schwächen im digitalen Bereich", sagt der Forscher.

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Digital divide macht sich bemerkbar

Man schätze, dass immer noch etwa 30 Prozent der älteren Menschen etwa kein Smartphone haben und ihnen dadurch Möglichkeiten zur Interaktion fehlen. "Diese Lücke — dieser 'digital divide' — kommt uns jetzt schon stark in die Quere", so Kolland. Natürlich würden virtuelle Kontakte, inklusive Videotelefonie die persönliche Ansprache nicht vollständig kompensieren, "aber es ist eine Teilkompensation". 

Gerade in diesen Zeiten sollte die Zeit zuhause auch genutzt werden, um mit den anderen Generationen in Kontakt zu treten. Auch sollten sowohl Enkel und Großeltern dabei unterstützt werden über Skype und andere bildgesteuerte Kommunikationskanäle miteinander zu sprechen. Ältere Menschen müssten jetzt mitunter jene einschlägigen Geräte, mit denen sie einmal zwangsbeglückt wurden, auch in die Hand nehmen und in Gang setzen. Kolland: "Diese Geräte gibt es ja vielfach und die sind uns jetzt eine Hilfe. Die älteren Menschen müssen jetzt auch etwas schneller lernen."

Doppelte Belastung

So starke Instrumente die Digitalisierung auch liefere, man dürfe nicht vergessen, dass auch viele Menschen nicht über diese Möglichkeiten verfügen. "Diese Personen werden hier mitunter eine doppelte Belastung spüren", meint Franz Kolland. Dauere der momentane Zustand länger an, sollte über eine Ausstattung mit digitalen Geräten für ärmere Haushalte nachgedacht werden. (APA/red)

Soziologe Franz Kolland auf Treppe

Franz Kolland forscht und lehrt seit 1997 am Institut für Soziologie der Universität Wien. Von 2010 bis 2019 war er Sprecher des Forschungsschwerpunkts "Familie, Generationen und Gesundheitsförderung" der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der quantitativen Soziologie und der sozialen Gerontologie mit dem Fokus auf Bildungs- und Kulturforschung im Alter, Gesundheit, ältere Arbeitnehmer*innen und neue Technologien.

 (© Petra Schiefer)