Weltuntergang 2012: "Das Ende ist der Anfang"

Ob in Büchern, Filmen oder Werbung – der Hype um die vom Maya-Kalender abgeleitete Weltuntergangstheorie ist enorm. Droht am 21. Dezember 2012 die Apokalypse? Martina Kaller-Dietrich, Historikerin mit Mesoamerika-Schwerpunkt, sprach mit uni:view über das Maya-Denken und die Endzeit-Hysterie.

Wer die Zahl "2012" im Internet googelt, erhält eine unglaubliche Fülle an Einträgen, die sich mit dem drohenden Weltuntergang auseinandersetzen. Schon am 21. bzw. am 23. Dezember soll es soweit sein, sind sich viele der Webseiten einig. Zur Berechnung dieses Datums verweisen die selbsternannten Endzeit-ProphetInnen auf den sagenumwobenen Kalender der Maya – einer Gruppe indigener Völker Mittelamerikas, die sich ab ca. 2.000 v. Chr. im heutigen Mexiko, Guatemala, Belize, Honduras und El Salvador angesiedelt hat –, der an besagtem Tag zu Ende gehen soll.

Während unzählige Buchveröffentlichungen und Kinofilme mittlerweile dazu geführt haben, dass sich der Bau von Bunkeranlagen zu einem weltweiten Rekordgeschäft entwickelt hat, stößt die Weltuntergangstheorie in der Wissenschaft durchwegs auf Ablehnung. "Es gibt keine einzige Inschrift, keinen Kodex und keine Prophezeiung der Maya, die für heuer den Weltuntergang vorhersagt", stellt Martina Kaller-Dietrich vom Institut für Geschichte klar. Sie hat schon mit 16 Jahren einige Zeit in Bolivien verbracht, später in Argentinien maturiert und zwei Jahre lang in Mexiko studiert. "Ich bin schon früh mit der indianischen Kultur in Berührung gekommen, habe Nahuatl gelernt – die Sprache der Azteken – und war auch bei Ausgrabungs- und Forschungsprojekten dabei", so die gebürtige Steirerin.


Mit "2012" hat Hollywood-Regisseur Roland Emmerich schon vor zwei Jahren einen Katastrophenfilm in die Kinos gebracht, der die Theorie rund um den vom Maya-Kalender abgeleiteten Weltuntergang aufgreift. In dem Streifen kommt es zu einer ungewöhnlich starken Sonneneruption, die zu einer Aufheizung des Erdkerns bzw. in weiterer Folge zu einer Destabilisierung der tektonischen Platten der Erdkruste führt. Das Resultat sind Megatsunamis, Vulkanausbrüche und Erdbeben. (Foto: roland-emmerich-2012.de)



Der Maya-Kalender

Warum soll der globale "Doomsday" gerade Ende 2012 stattfinden? Die Antwort ist im astronomischen Kalendersystem der Maya zu suchen, das aus mehreren Teilen besteht. "Die Maya nutzen verschiedene, einander ergänzende Kalender, die auf einer Tageszählung im Zwanzigersystem beruhen: den rituellen 'Tzolkin'-Kalender, den zivilen 'Haab'-Kalender und die sogenannte 'Lange Zählung'", erklärt Kaller-Dietrich. Letztere umfasst insgesamt 1.872.000 Tage (ca. 5.128 Jahre) und endet genau am 21. bzw. 23. Dezember.


Der Maya-Kalender gilt als das am weitesten entwickelte Kalendersystem Altamerikas. ForscherInnen sind sich allerdings nicht ganz einig, wie das Maya-Datum zu berechnen ist. Je nachdem, welchem Ansatz man folgt – unterschieden werden die Berechnung nach Thompson oder Lounsbury – fällt der "Weltuntergangstag" auf den 21. bzw. auf den 23. Dezember 2012. Im Internet gibt es inzwischen mehrere Webseiten, die eine einfache Umrechnung eines Datums von einem Kalendersystem in ein anderes erlauben. (Foto: flickr.com/drumminhands)



Dennoch sei die Hysterie in Bezug auf dieses Datum "reine Konstruktion": "Es stimmt zwar, dass hier nach Maya-Zeitrechnung ein bestimmter Abschnitt endet. Das bedeutet aber nicht, dass die Welt untergeht, sondern nur, dass ein neuer Zyklus beginnt. Die Maya stehen dem Jahr 2012 deshalb vollkommen entspannt gegenüber, weil sie das Ende auch als den Anfang begreifen. Dieses zyklische Denken sei generell ein prägendes Element: "Wenn ein Maya stirbt, entrückt er laut indigener Mythologie in eine andere Welt. Es gibt also kein Ende. Nur wenn man als Soldat im Kampf oder Frau im Kindsalter stirbt, kann dieser Zyklus durchbrochen werden", erläutert Kaller-Dietrich.

Astronomisches Wissen

Innerhalb des Maya-Denkens stellt der Kalender ein zentrales Element dar. "Die Maya haben jedem Tag, sogar jeder Tageszeit, eine genaue Bedeutung zugeschrieben", schildert die Wissenschafterin. So gab es beispielsweise kalendarische Vorschriften, die regeln, wann die Menschen aus den umliegenden Streusiedlungen in die Städte ziehen sollten, um Handel zu treiben, oder wann auf den Feldern mit der Aussaat begonnen werden sollte. Um den zeitlichen Rahmen für das Kalendersystem festzulegen, bedienten sich die Maya eines umfassenden astronomischen Wissens. "Noch heute sind WissenschafterInnen von den genauen Methoden zur Berechnung der Sonnenwende und der Planetenlaufbahnen fasziniert", meint Kaller-Dietrich.


Die meisten Maya-Handschriften wurden nach dem Eintreffen der Spanier in blindem religiösem Wahn vernichtet. Der Codex Dresdensis – benannt nach seinem Aufbewahrungsort, der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden – ist einer von insgesamt vier erhaltenen Texten. Die anderen drei Codizes befinden sich in Paris, Madrid und Mexiko. Der Codex Dresdensis ist voll mit kalendarischem und astronomischem Wissen. (Foto: Wolfhart Hofer)



Die Maya heute

Trotz ihres fortschrittlichen Wissens sind die präkolumbianischen Machtzentren der Maya inzwischen längst untergegangen. Tempel, Pyramiden und Paläste an Orten wie Tenochtitlán – 1492 bei der Ankunft der Spanier immerhin mit geschätzten 360.000 Einwohnern die größte Stadt der Welt – sind heute entweder wieder vom Dschungel zurückerobert oder überbaut worden. "Alles, was von Tenochtitlán übrig geblieben ist, ist unter dem heutigen Mexico City begraben", so Kaller-Dietrich. Das bedeutet aber nicht, dass auch die mesoamerikanischen Kulturen untergegangen sind. "Um zu sehen, dass sie immer noch sehr lebendig sind, braucht man nur in die Kirchen Mittelamerikas gehen, die voll mit Maya-Insignien sind."

Auch die Maya sind keinesfalls ein ausgestorbenes Volk: Mehr als sechs Millionen Menschen auf der Yucatán-Halbinsel sowie in Belize, Guatemala und Honduras werden aktuell zu dieser Bevölkerungsgruppe gezählt. Und was halten die Maya-Nachkommen von der allgemeinen Aufregung um das Jahr 2012? "Einerseits lässt der Hype natürlich die Kassen klingeln, wovon auch geschäftstüchtige Maya profitieren. Andererseits zeigen sich viele Stammesväter genervt davon, immer wieder dieselben Anfragen zu ihrem Kalender beantworten zu müssen. Die Maya haben einen der größten Genozide der Menschheitsgeschichte überlebt, sie werden auch mit der 2012-Hysterie fertigwerden." (ms)

Ao. Univ.-Prof. Dr. Martina Kaller-Dietrich ist Professorin für Moderne Geschichte am Institut für Geschichte der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät. Ihre Forschungsschwerpunkte sind interdisziplinäre Lateinamerikastudien, Globalgeschichte, Food History, Entwicklungsforschung, Geschlechtergeschichte sowie Methoden und Theorien der Geschichte. Kaller-Dietrich ist Präsidentin des "54. International Congress of Americanists".


Veranstaltungstipp:
"54. International Congress of Americanists"

Von 15. bis 20. Juli 2012 dient die Universität Wien als Veranstaltungsort für den weltweit größten AmerikanistInnen-Kongress. Insgesamt 4.500 Geistes- und SozialwissenschafterInnen werden vor Ort ihre aktuellen Forschungsergebnisse präsentieren.
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