Eröffnung des Nachlasses und Beisetzung von Rudolf Ekstein

Die Unterlagen zum heutigen Pressegespräch

Veranstaltungsüberblick anlässlich der Beisetzung und der Eröffnung des Nachlasses des psychoanalytischen Pädagogen Rudolf Ekstein

Montag, 3. Juli: Pressegespräch

TeilnehmerInnen: Johann Jurenitsch, Vizerektor für Ressourcen und Bibliothekswesen der Universität Wien, Wolfgang Schütz, Rektor der Medizinischen Universität Wien, Wilfried Datler, Studienprogrammleiter Bildungswissenschaft und Koordinator des Ekstein-Advisory-Boards, Maria Seissl, Direktorin der Universitätsbibliothek Wien.

Dienstag, 4. Juli: Beisetzung der Urne von Rudolf und Ruth Ekstein

11 Uhr: Beisetzung der Urne von Rudolf und Ruth Ekstein im Urnenhain des Wiener Zentralfriedhofs. Die Feier beginnt im Urnenraum, der sich auf der Rückseite der Friedhofsverwaltung befindet (auf der Höhe der Simmeringer Hauptstraße 337).

Donnerstag, 6. Juli: Eröffnung der Rudolf-Ekstein-Sammlung und öffentliches Abendsymposium in memoriam Rudolf Ekstein

18 Uhr: Katherine M. Perez, Public Diplomacy Officer der amerikanischen Botschaft in Wien, und die Kinder Rudolf Eksteins, die aus den USA anreisen, eröffnen die Rudolf-Ekstein-Sammlung am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien, Universitätsstraße 7, 1010 Wien (NIG, 6. Stock, Stiege II).

19.15 Uhr: Unmittelbar anschließend an die Sammlungseröffnung veranstaltet die Forschungseinheit Psychoanalytische Pädagogik des Instituts für Bildungswissenschaft und die Universitätsbibliothek ein öffentliches Abendsymposium in memoriam Rudolf Ekstein im Senatssitzungssaal der Universität Wien.

Beisetzung von Rudolf Ekstein

Die Hälfte seiner Asche wird in Wien beigesetzt – die andere Hälfte der Asche bleibt in den USA

Rudolf Ekstein, bedeutender Psychoanalytiker und berühmter Vertreter der Vertriebenen Intelligenz aus Wien, ist ebenso wie seine Frau Ruth 2005 verstorben. Am 4. Juli 2006 wird die Hälfte seiner Asche gemeinsam mit der Hälfte der Asche seiner Frau Ruth um 11 Uhr am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Obgleich er 1938 aus Wien flüchten musste, blieb er der Stadt Wien eng verbunden. Zeit seines Lebens war er unschlüssig, ob er in Wien, der Stadt seiner bewegten Kindheit und Jugend sowie dem österreichischen Ort seiner universitären Lehre oder aber in Los Angeles beigesetzt sein möchte, wo seine Kinder und Enkel leben und wo er in den letzten Jahrzehnten gearbeitet und publiziert hat.

Seine Kinder Jean Ekstein Tiano und Rudolf Jr. Ekstein haben eine Möglichkeit gefunden, Eksteins doppelter Verwurzelung in Wien und in Los Angeles Rechnung zu tragen: Die Hälfte der Asche von Rudolf und Ruth Ekstein wurde 2005 in L.A. beigesetzt. Die andere Hälfte der Asche von Ruth und Rudolf Ekstein wird am 4. Juli 2006 im Wiener Zentralfriedhof im Beisein von Verwandten, Angehörigen der Universität Wien und Freunden beigesetzt.

Der Tod Eksteins und die Beisetzung seiner Asche eröffnet zugleich ein neues Kapitel der Auseinandersetzung mit der „Vertreibung der Vernunft“, die 1938 jäh eingesetzt hat: Während es über Gemälde heftige Diskussion gibt, ob sie in Wien bleiben können oder nicht, hat die Familie Ekstein den Nachlass Rudolf Eksteins der Universität Wien geschenkt.

Rudolf Ekstein – Brückenbauer der psychoanalytischen Pädagogik

Rudolf Ekstein war ein Freund Bruno Bettelheims, Ehrendoktor an der Universität Wien und Ehrenbürger der Stadt Wien. Er trug Wesentliches zur Entwicklung der Kinderpsychotherapie bei und zählt zu den Klassikern der psychoanalytischen Pädagogik. Gemeinsam mit seiner Frau Ruth verbrachte er von 1970 bis 1996 die Monate Mai und Juni in Wien, wo er als Gastprofessor an der Universität Wien lehrte.

Diese Beisetzung in Wien hat auch symbolische Bedeutung: Rudolf Ekstein hat sich stets darum bemüht, zwischen den wissenschaftlichen Kultur- und Forschungstraditionen, die er in Österreich und in den USA vorfand, Brücken zu schlagen. Auf diese Weise half er vielen österreichischen WissenschafterInnen an internationalen Entwicklungen anzuschließen und gab bedeutsame Anstöße zur Weiterentwicklung der Bereiche Psychoanalyse, Psychotherapie und Pädagogik:

  • Besonders hervorzuheben sind Eksteins Studien zur Bedeutung von unbewussten emotionalen Faktoren für das Gelingen von Lehr- und Lernprozessen. Eine Thematik, in der aktuellen Pisa-Debatte unberührt bleibt.
  • Psychotherapeutisches Neuland betrat Ekstein mit der Entwicklung von Methoden der psychotherapeutischen Arbeit mit psychisch schwer kranken Kindern und Jugendlichen (Psychosen oder Borderline-Störungen).
  • In Eksteins Studien und Seminaren zur Verknüpfung von Psychoanalyse und Pädagogik konnte er an Erfahrungen anknüpfen, die er noch vor 1938 in Wien mit PionierInnen wie Anna Freud, Siegfried Bernfeld oder August Aichhorn gemacht hatte. Dies trug wesentlich dazu bei, dass Wien wiederum zu einem Zentrum der Psychoanalytischen Pädagogik geworden ist. Letzteres ergab erst kürzlich eine Umfrage unter deutschsprachigen Universitäten.

Der Nachlass von Rudolf Ekstein

Auf Vermittlung der Psychagogin Annelotte Barta vom Rudolf-Ekstein-Zentrum kam der gesamte Nachlass von Rudolf Ekstein im Februar 2006 an die Bibliothek der Universität Wien. Der Nachlass ist am Institut für Bildungswissenschaft der Forschungseinheit Psychoanalytische Pädagogik zugeordnet und wird in Kooperation mit der Universitätsbibliothek bearbeitet.

Der Nachlass umfasst an die 5000 Fachbücher, etwa 860 Zeitschriftenbände und 100 Kartons mit Briefen, persönlichen Notizen, Videobändern, unpublizierten Aufsätzen, Vortragsmanuskripten, Seminarunterlagen, persönlichen Dokumenten u.a.m. Unter den Fachbüchern und Zeitschriften befinden sich seltene, zugleich wichtige und oft schwer zugängliche Veröffentlichungen zur Geschichte der Psychoanalyse, zur psychoanalytischen Pädagogik, zur Kinderpsychoanalyse und zur Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Die wissenschaftliche Bedeutung des Nachlasses

Die Bearbeitung des persönlichen Nachlasses, der Bücher und Zeitschriften werden neue Einsichten zu den nachfolgenden Themenbereichen eröffnen:

  • in die Geschichte der Psychoanalyse,
  • in orthodoxe und unorthodoxe Methoden der Kinderpsychotherapie (vor allem was die Arbeit mit psychisch schwer gestörten Kindern betrifft),
  • in die enge Verbindung von Psychoanalyse und Pädagogik, die an kaum einer anderen Universität des deutschsprachigen Raumes so intensiv bearbeitet wird wie an der Universität Wien und gerade durch Rudolf Ekstein wichtige Anstöße erhalten hat. Am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien hat sich die Forschungseinheit „Psychoanalytische Pädagogik“ etabliert.
  • sowie in ein weiteres Kapitel der „vertriebenen Intelligenz“ und deren Beziehung zu Wien nach 1945

Arbeitsschwerpunkte

Einen ersten Arbeitsschwerpunkt werden Eksteins Beiträge zu einer psychoanalytischen Theorie des Lernens darstellen, die vor dem Hintergrund der aktuellen Bildungsdiskussionen von höchster Aktualität sind: Seiner Zeit voraus, hat Ekstein bereits sehr früh die Bedeutung von emotionalen Faktoren für das Lernen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen erforscht.

Einen zweiten Arbeitsschwerpunkt wird Eksteins Einfluss auf die Entwicklung der österreichischen Psychoanalytischen Pädagogik darstellen. Dabei wird insbesondere untersucht, welchen Einfluss Ekstein auf die Tradierung und Wiederbelebung jener Arbeiten zur Bedeutung des Unbewussten in Erzierziehungsprozessen ausgeübt hat, die in der Zwischenkriegszeit in Wien entwickelt und nach dem Einbruch des Nationalsozialismus nicht weitergeführt werden konnten.

Einrichtung eines Advisory Boards

Zur Planung der wissenschaftlichen Bearbeitung des Nachlasses und der Entwicklung weiterführender Forschungsprojekte wird ein interdisziplinäres Advisory Board eingerichtet. (siehe Informationsblatt „Scientific Advisory Board“)

Scientific Advisory Board

Für die neu entstandene Sammlung Rudolf Ekstein an der Universität Wien wurde ein Scientific Advisory Board eingerichtet. Das interdisziplinär zusammengesetzte Advisory Board hat die Aufgabe, Initiativen zur Aufarbeitung des Nachlasses sowie zur Entwicklung und Realisierung von weiterführenden Projekten, die an Eksteins Arbeitsschwerpunkte anknüpfen, anzuregen und wissenschaftlich zu begleiten.

Dem Board gehören VertreterInnen verschiedener wissenschaftlicher Einrichtungen und Disziplinen an. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Rudolf Ekstein als Wissenschaftler, aber auch als langjähriger Gastprofessor der Universität Wien in einem disziplinübergreifenden Bereich tätig war, der der Pädagogik und der Medizin zuzurechnen war und Entwicklungen innerhalb sowie außerhalb der Universität maßgeblich beeinflusste.

Die Mitglieder des Scientific Advisory Boards

Die Mitglieder des Scientific Advisory Boards gehören den Rektorenteams der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien, verschiedenen Instituten und Kliniken beider Universitäten sowie außeruniversitären Einrichtungen an. Folgende Persönlichkeiten setzen sich mit verschiedenen Arbeitsschwerpunkten wissenschaftlich mit dem Nachlass von Rudolf Ekstein auseinander:

Mitglieder aus den Rektorenteams

Ao. Univ.-Prof. Dr. Arthur Mettinger

Vizerektor für Lehre und Internationales der Universität Wien, an der Rudolf Ekstein zwischen 1970 und 1996 als Gastprofessor lehrte.

Arbeitsschwerpunkt: Unterstützung der Interuniversitären Kooperation in Projekten zu Rudolf Ekstein

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schütz

Rektor der Medizinischen Universität Wien. Rudolf Ekstein erhielt 1995 das Ehrendoktorat der Universität Wien auf Initiative der Medizinischen Fakultät, die im Zuge der letzten Universitätsreform in die Medizinische Universität Wien umgewandelt wurde.

Arbeitsschwerpunkt: Unterstützung der Interuniversitären Kooperation in Projekten zu Rudolf Ekstein

Mitglieder aus Instituten und Kliniken beider Universitäten

Ao. Univ.-Prof. Dr. Ernst Berger

Vorstand der Neuropsychiatrischen Abteilung für Kinder und Jugendliche am Neurologischen Zentrum Rosenhügel; Initiator des 1995 verliehenen Ehrendoktorats für Rudolf Ekstein (Antragsteller im Medizinischen Fakultätskollegium, Vorsitzender der vorbereitenden Arbeitsgruppe); Dozent im Bereich Sonder- und Heilpädagogik am Institut für Bildungswissenschaft; Psychotherapeut;

Arbeitsschwerpunkt: sozial- und gesellschaftspolitische Dimensionen von Psychotherapie, Psychiatrie und Pädagogik

Ao. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Datler

Leiter der Forschungseinheit „Psychoanalytische Pädagogik“ am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien; Lehranalytiker des Österreichischen Vereins für Individualpsychologie (ÖVIP); Herausgeber des Jahrbuchs für Psychoanalytische Pädagogik;

Arbeitsschwerpunkt: Psychoanalyse und der aktuelle Diskurs über Psychoanalyse, Pädagogik und Bildung

Univ.-Prof. Dr. Alfred Ebenbauer

Vorstand des Instituts für Germanistik der Universität Wien; 1991-1998 Rektor der Universität Wien, in dieser Funktion verlieh er 1995 Rudolf Ekstein das Ehrendoktorat der Universität Wien.

Univ.-Prof. Dr. Max H. Friedrich

Vorstand der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kinder- und Jugendalters; an der Rudolf Ekstein als Gastprofessor von 1970-1996 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie lehrte; Lehranalytiker des Österreichischen Vereins für Individualpsychologie (ÖVIP); Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut;

Arbeitsschwerpunkt: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Dr. Helga Schaukal-Kappus

Mitglied der Forschungseinheit „Psychoanalytische Pädagogik“ am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien; Generalsekretärin der Österreichischen Pädagogischen Gesellschaft;

Arbeitsschwerpunkt: Kuratorin des Nachlasses Rudolf Ekstein

HR Mag. Maria Seissl

Leiterin des Bibliotheks- und Archivwesens der Universität Wien

Arbeitsschwerpunkt: Erschließung des Nachlasses von Rudolf Ekstein

Univ.-Prof. Dr. Marianne Springer-Kremser

Vorstand der Universitätsklinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie, an der Rudolf Ekstein als Gastprofessor von 1970-1996 Psychoanalyse und Psychotherapie lehrte; Lehranalytikerin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV/IPA), in der Rudolf Ekstein vor seiner Flucht 1938 psychoanalytische Vorlesungen und Seminare besuchte;

Arbeitsschwerpunkt: Technik der Psychoanalyse; Psychotherapie in der Aus- und Weiterbildung

Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Friedrich Stadler

Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte; Begründer und Leiter des Instituts Wiener Kreis. Schwerpunkte: Intellectual Migration und History and Philosophy of Science; Hrsg. und Autor von „Vertriebene Vernunft: Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930-1940“ (1988/2004); „The Cultural Exodus from Austria“ (1995); „The Vienna Circle“ (1997/2001).

Arbeitsschwerpunkt: Rudolf Ekstein, der Wiener Kreis (Philosophie, Psychologie und Psychoanalyse) und das österreichische Wissenschaftsexil

Mitglieder aus außeruniversitären Einrichtungen

Katherine M. Perez (USA)

Public Diplomacy Officer, Embassy of the United States

Arbeitsschwerpunkt: Förderung des Austausches zwischen amerikanischen und österreichischen WissenschaftlerInnen in Zusammenhang mit der Realisierung von Projekten zu Themenschwerpunkten Rudolf Eksteins

Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt

Leiter des Instituts für Historische Anthropologie; Leitung des Referats Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA 7 der Stadt Wien; Initiator der Veranstaltungsreihe Wiener Vorlesungen;

Arbeitsschwerpunkt: Kultur- und wissenschaftshistorische Verbindungslinien in der Entwicklung der tiefenpsychologischen Schulen im Raum der Stadt Wien

Mag. Inge Scholz-Strasser

Vorsitzende des Vorstands der Sigmund Freud Privatstiftung; Direktorin des Sigmund Freud Museums (Berggasse 19); von 1987-2005 Generalsekretärin der Sigmund Freud Gesellschaft, deren Ehrenmitglied Rudolf Ekstein war;

Arbeitsschwerpunkt: Geschichte der Psychoanalyse

Univ.-Prof. Dr. Alfred Springer

Psychoanalytiker und Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Suchtforschung am Anton-Proksch-Institut in Wien;

Arbeitsschwerpunkt: Bibliozentrierte Forschung zur Sammlung Rudolf Ekstein

Biografische Daten von Rudolf Ekstein

Rudolf Ekstein, geb. 1912 in Wien, gest. 2005 in Los Angeles

„Rudolf Ekstein gilt heute als ein bedeutender Vertreter der Psychoanalytischen Pädagogen der 2. Generation und als ein Pionier auf dem Gebiet der psychoanalytischen Therapie von Grenzfall- und autistischen Kindern. Seine Biographie ist zudem ein Beispiel für ein österreichisch-jüdisches Emigrantenschicksal im Zuge des 2. Weltkriegs.“ (Steinlechner-Oberläuter 2005)

1912: Geboren als Kind jüdischer Eltern in Wien.

Während der Schulzeit aktiv im „Verein Sozialistischer Mittelschüler“, bei den „Kinderfreunden“ und den „Roten Falken“

1930: Beginn des Studiums an der Universität Wien, u.a. bei Max Adler, Dissertation bei Moritz Schlick und Karl Bühler 1937), politisch antifaschistisch aktiv

1935: Beginn der Ausbildung zum psychoanalytischen Pädagogen und Lehranalyse

1938: Flucht: über England in die USA

Absolvierung der Ausbildung zum Psychoanalytiker, zunächst Arbeit als Lehrer und Sozialarbeiter in New York

1942: Heirat mit Ruth

1947-1957: Director of Child Psychotherapy an der renommierten Menninger Foundation in Topeka/Kansas, Lehranalytiker und Supervisor; Publikationen über autistische und Borderline-Kinder sowie über Ausbildung und Supervision

Geburt der Kinder Rudi und Jeannie

1958: Übersiedlung nach Los Angeles

1958-1978: Director of the Childhood Psychosis Project am „Reiss-Davis Child Study Center“; Clinical Professor of Medical Psychology an der University of California/Los Angeles

1966: Veröffentlichung des Buches „Children of Time and Space, of Action and Impulse (auf deutsch 1973: „Grenzfallkinder“) über die Arbeit mit psychotischen Kindern und mit Kindern mit Borderline-Erkrankungen

1969: Veröffentlichung des Buches „From Learning for Love to Love of Learning“, mit dem Ekstein an die Wiener Tradition der Psychoanalytischen Pädagogik anschließt

1970-1996: Mai/Juni jeweils Lehrtätigkeit in Wien als Supervisor und Gastprofessor an der Universität Wien. Lehrtätigkeit auch in anderen Städten Österreichs und Deutschlands (Salzburg, Nürnberg, Tübingen u.a.)

1970: Freud-Vorlesung in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung

1971: Vortrag am Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Wien

1987: Einladung zum Kongress „Vertriebene Vernunft“ nach Wien

1995: Ehrendoktorat der Universität Wien

1998: Umbenennung eines Sonderpädagogischen Zentrums in Wien in „Rudolf-Ekstein-Zentrum“ (Jägerstr.11-13, 1200 Wien)

2005: am 18. März stirbt Rudolf Ekstein in Los Angeles, wenige Tage später stirbt seine Frau Ruth

Eksteins Kinder Jeannie und Rudolf bemühten sich, Rudolf Eksteins Wunsch zu realisieren, in Wien begraben zu werden. Am 4. Juli 2006 werden zwei Urnen mit der Asche von Rudolf und Ruth Ekstein am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Rudolf Eksteins wissenschaftliches Lebenswerk umfasst an die 440 Publikationen.

Literaturauswahl zur Person Rudolf Ekstein

Kaufhold, Roland (Hrsg.): Pioniere der Psychoanalytischen Pädagogik: Bruno Bettelheim, Rudolf Ekstein, Ernst Federn und Siegfried Bernfeld. Psychosozial 53 (16. Jg., Heft 1), 1993

Kaufhold, Roland : Bettelheim, Ekstein, Federn: Impulse für die psychoanalytisch-pädagogische Bewegung. Psychosozial-Verlag, Gießen: 2001

Kaufhold, Roland : ...denn es ist ja die Beziehung, die heilt. – Erinnerungen an den psychoanalytischen Pädagogen Rudolf Ekstein. In: Kinderanalyse, 2005/3

Koelbl, Herlinde : Rudolf Ekstein. In: Jüdische Portraits. Frankfurt/M., 1989, S 61-66

Oberläuter, Dorothea : Rudolf Ekstein – Leben und Werk. Kontinuität und Wandel in der Lebensgeschichte eines Psychoanalytikers. Geyer-Edition, Wien, 1985

Steinlechner-Oberläuter, Dorothea : Rudolf Ekstein (1912 – 2005) - Psychoanalytischer Pädagoge, Autismusforscher, Philosoph. In: Werkblatt 2005 (Heft 2)

Wiesse, Jörg : Ekstein und die Psychoanalyse. Göttingen, 1994

Rudolf Ekstein

Gekürzte Fassung des Nachrufs auf Rudolf Ekstein von Dorothea Steinlechner-Oberläuter, erschienen im Werkblatt, 2005/2

Kindheit, Jugend und Studium in Wien

Rudolf Ekstein wurde am 9. Februar 1912 als Kind jüdischer Eltern in Wien geboren. Seine Mutter starb bald nach seiner Geburt, so dass er von einer Pflegemutter betreut wurde. Während der Grund- und Mittelschule wohnte er in der Nußgasse 12, später in der Berggasse 9, ebenfalls im 9. Wiener Gemeindebezirk.

Bereits in der Unterstufe engagierte sich Ekstein im „Verein Sozialistischer Mittelschüler“, später auch bei den „Kinderfreunden“ und den „Roten Falken“. Auf emotionaler Ebene war das Gemeinschaftsgefühl für den als Einzelkind aufgewachsenen Rudolf prägend, politisch orientierte er sich an dem Austromarxisten Max Adler, sowie Rudolf Carnap und dem Philosophen und Soziologen der Linken, Otto Neurath. Nach den Februarkämpfen des Jahres 1934 und dem Verbot der Arbeiterpartei agierte er in einem Kreis von gleich gesinnten jungen Menschen in der Illegalität gegen die damals schon spürbare faschistische Bedrohung. Wegen seines Judentums und seines sozialistischen Engagements war Ekstein existentiell bedroht. Dies schärfte und radikalisierte sein politisches Bewusstsein.

Ab seinem 14. Lebensjahr war Ekstein als Nachhilfelehrer, Horterzieher und in der Jugendarbeit der Roten Falken tätig. Er wollte Lehrer werden, und zwar ein besserer Lehrer als es seine eigenen gewesen waren, die ihm in einer psychischen Krise nach einer schweren Ohrenerkrankung mit Unverständnis und Abwertung begegnet waren.

Nach der Matura begann Rudolf Ekstein Psychologie zu studieren. Die damals dominierende „Wiener Psychologische Schule“ von Karl und Charlotte Bühler beschäftigte sich mit entwicklungspsychologischen Themen. Den jungen Rudolf Ekstein stellten die Ausführungen nicht zufrieden. Er holte sich mit der Lektüre von Siegfried Bernfelds „Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung“ (1925) Anregungen und wandte sich der Psychoanalyse zu. Zunächst absolvierte er den psychoanalytischen Lehrgang für Pädagogen, an den er eine reguläre psychoanalytische Ausbildung anschloss. Noch 50 Jahre später berichtete Ekstein mit großer Begeisterung von seinen damaligen Lehrern Anna Freud, Margret Mahler, Richard Sterba sowie Robert und Jenny Waelder.

In seinen universitären Bemühungen konzentrierte sich Ekstein zunehmend auf die Philosophie und reichte bei Moritz Schlick seine Dissertation „Zur Philosophie der Psychologie“ ein. Der von ihm sehr verehrte Professor gab ihm die Arbeit jedoch zurück mit den Worten: „Sie haben meine Gedanken sehr gut wiedergegeben. Nun schmeißen Sie das Ganze weg und schreiben Sie Ihre eigenen Gedanken“ (Ekstein 1982, unveröffentlichtes Interview). Die modifizierte Arbeit konnte Moritz Schlick jedoch nicht mehr begutachten: er wurde 1936 auf den Stufen der Universität das Opfer eines Attentats, sodass Ekstein seine Dissertation letztendlich doch bei Karl Bühler einreichte.

Emigration 1938

Der März 1938 brachte den großen Bruch in Eksteins Biographie: die erzwungene Emigration. Als Jude, als Psychoanalytiker und als Sozialist bot er ein dreifaches Motiv für Verhaftung und Deportation, weshalb Ekstein unmittelbar nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten im März 1938 Wien verließ. Ekstein lebte einige Monate in England, von wo er per Schiff nach Amerika fuhr.

Er ließ sich in New York nieder und bekam durch die Hilfe von Flüchtlingsorganisationen eine Stelle als Lehrer und setzte seine psychoanalytische Ausbildung fort. In Boston machte er eine Ausbildung zum Sozialarbeiter, die er 1941 abschloss. 1942 heiratete er seine in Amerika geborene, griechischstämmige Frau Ruth. Es war ihm 1939 gelungen, auch seinen Vater nach Amerika zu bringen, die meisten seiner Verwandten waren jedoch umgekommen.

Psychoanalytischer Pädagoge – Berufslaufbahn in den USA

Von 1947 bis 1958 fand Ekstein an der renommierten Menninger Clinic in Topeka einen neuen Wirkungsbereich. Er arbeitete als Therapeut, Lehranalytiker und Supervisor. Er forschte und publizierte dort vor allem zur psychoanalytischen Therapie von autistischen und Borderline-Kindern. In einer Fülle von klinischen Studien und Fallberichten zeigt sich sein außerordentliches Einfühlungsvermögen in die innere Welt schwerkranker Kinder und seine unkonventionelle Herangehensweise in der Therapie dieser „Grenzfallkinder“, die nur eine brüchige Verbindung zur Realität haben und lediglich auf Inseln der Normalität leben, um dann wie auf einer „Möbius-Schleife“ in ihre innere Welt zu gleiten, die zu erreichen und zu verstehen Ekstein ein großes Anliegen war. Ebenfalls in Topeka beschäftigte sich Ekstein in Theorie und Praxis mit der psychoanalytischen Ausbildung und der Entwicklung von Supervisionskonzepten, die den Besonderheiten der psychoanalytischen Therapie in einem institutionellen Rahmen angepasst sind.

1958 übersiedelte Rudolf Ekstein mit seiner Frau Ruth und den beiden Kindern Rudi und Jeannie an die Westküste nach Los Angeles, wo er bis zu seinem Tod gelebt hat. Zwischen 1958 und 1978 leitete er am „Reiss-Davis Child Study Center“ ein „Project on Child Psychosis“, dessen wichtigste Ergebnisse in dem Buch “Children of Time and Space, of Action and Impulse (1966; auf deutsch 1973: „Grenzfallkinder“) zusammengefasst sind. Es sind Bemühungen, Pfade zu finden, um in das „Wunderland der schizophrenen Erkrankung“ (Ekstein 1975) eindringen zu können.

Ekstein bemühte sich in jenen Jahren schwerpunktmäßig auch um eine Anwendung der Psychoanalyse in Erziehung und Unterricht und schloss damit an die Tradition der „Psychoanalytischen Pädagogik“ der Wiener Zwischenkriegszeit an. „From learning for love to love of learning“ ist der Titel eines 1969 erschienenen Sammelbandes, in dem Fragen des schulischen Lernens und der Lehrerausbildung unter psychoanalytischer Perspektive behandelt werden. Spiegel von Eksteins Aktivitäten und Forschungsprojekte jener Jahre ist das von ihm herausgegebene “Reiss-Davis Clinic Bulletin”, das jedoch ebenso wie das Kinderpsychosenprojekt nach 20 Jahren aus finanziellen Gründen eingestellt wurde – was der sonst so versöhnliche Rudolf Ekstein zeitlebens nur mit Bitterkeit kommentierte.

Temporäre Rückkehr nach Wien als Gastprofessor und Referent

Ekstein zog sich in die private Praxis zurück und entfaltete eine ausgedehnte Referenten- und Vortragstätigkeit in den USA und auch in Österreich und Deutschland. 1961 reiste Ekstein zum ersten Mal nach der erzwungenen Emigration wieder nach Wien. Er traf alte Freunde und knüpfte neue berufliche Kontakte. Zwischen 1970 und 1996 verbrachte Ekstein beinahe jeden Frühling in Wien, immer begleitet von seiner Frau Ruth. Er leitete Seminare zur Kinderpsychotherapie, gab Supervisionen sowie Ausbildungskurse und hielt Fortbildungsveranstaltungen für PädagogInnen ab. Dieses Gerufen-Werden als Gastprofessor, Supervisor oder Lehrer bedeutete ihm, dem einst Vertriebenen, unendlich viel. Das Wissen, die psychoanalytische Kompetenz und die philosophische Weitsicht, die er sich in seinem beruflichen Leben in den USA erworben hatte, wollte er zurückbringen in jene Stadt, wo die Wurzeln seiner Identität waren.

Ekstein wurde vom offiziellen Österreich geehrt: 1986 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien, 1987 die Einladung zum Kongress „Vertriebene Vernunft“ und 1995 das Ehrendoktorat der Universität Wien, welches allerdings im Vorfeld durch antisemitische Äußerungen eines Professors der Medizinischen Fakultät getrübt worden war. 1998 wurde darüber hinaus ein Sonderpädagogisches Zentrum in Wien in „Rudolf-Ekstein-Schule“ umbenannt. 1999 wurde Ekstein der Goldene Rathausmann überreicht. Wenngleich Ekstein immer wieder betonte, in Los Angeles eine zweite Heimat gefunden zu haben: der Schmerz über den Bruch in seiner Lebensgeschichte und über seine Zerrissenheit war offensichtlich. Nach 1997 war Ekstein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, nach Wien zu reisen.

Nach langer Krankheit verstarb Rudolf Ekstein am 18. März 2005 in Los Angeles. Seine Kinder Jeannie und Rudi sind dem Wunsch ihres Vaters, in Wien begraben zu sein, nachgekommen.

Am 4. Juli 2006 wird ein Teil der Asche seiner Frau und seiner eigenen am Zentralfriedhof beigesetzt.

Zum Werk von Rudolf Ekstein

Ekstein entwickelte zwischen 1958 und 1975 Konzepte zur Supervision und pädagogischen Fortbildung. 1969 erstellte Ekstein ein Graphisches Modell für die im Rahmen eines psychoanalytischen Ausbildungsinstituts ablaufenden Lern- und Lehrprozesse zwischen Student, Lehranalytiker, Seminarleiter, Kontrollanalytiker, Supervisor und Ausbildungsleiter. Ziel war es, durch die Kenntnis möglicher “blinder”, “tauber” und “stummer” Flecken das Lernen und Lehren von Psychoanalyse als Entwicklungsprozess zwischen Ausbildungsstandards und individuellen Herangehensweisen differenzierter zu verstehen. Darüber hinaus war es ihm ein Anliegen, Psychoanalyse nicht nur als Therapiemethode zu vermitteln, sondern das der Psychoanalyse zu Grunde liegende Junktim zwischen Heilen und Forschen als Bestandteil der beruflichen Identität von Psychoanalytikern zu fördern.

Die äußerst schwierigen Probleme der Psychotherapie bei kindlichen Psychosen waren für Ekstein wissenschaftliche und menschliche Herausforderung zugleich: Es ging ihm darum, Kontakt aufzunehmen mit jenen, die nichts so sehr fürchteten wie diesen Kontakt; den massiven Aggressionen und manifesten Ablehnung zu widerstehen und dahinter die verwundeten und verängstigten Seelen wahrzunehmen; Hoffnung zu vermitteln ohne auf eine vorschnelle Aufgabe des mühsam errungenen, wenn auch psychotischen Gleichgewichts zu drängen. “Außer der Angst und dem Hass, den diese Kinder erregen, verlangen sie außerordentlich viel Liebe, unendliche Geduld, Zartheit, Geschicklichkeit und Hingabe”, so Ekstein 1973

Eksteins Wirksamkeit in Österreich und Deutschland ist weniger auf Bücher und Texte begründet als auf seine persönliche Präsenz, seine Lehr- und Supervisionstätigkeit in der alten Heimat. Er engagierte sich beispielsweise in der Aus- und Fortbildung der Wiener „PsychagogInnen“, die als tiefenpsychologisch und systemisch ausgebildete LehrerInnen außerhalb des Klassenverbands mit jenen Kindern arbeiten, deren Persönlichkeitsentwicklung einer besonderen Unterstützung und Förderung bedarf. Seit 1998 trägt das „Sonderpädagogische Zentrum für Integrative Betreuungsformen“ als Ausdruck der Verbundenheit und Wertschätzung des Gedankenguts der Person Rudolf Ekstein die Zusatzbezeichnung „Rudolf-Ekstein-Zentrum“.

Weitere Information: http://institut.erz.univie.ac.at/home/fe4/

Kontakt

Ao. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Datler

Studienprogrammleiter Bildungswissenschaft

und Koordinator des Ekstein-Advisory-Boards

Universität Wien

1010 Wien, Universitätsstraße 7

T: +43-1-4277-468 10

E-Mail: wilfried.datler(at)univie.ac.at

Rückfragehinweis

Mag. Veronika Schallhart

Öffentlichkeitsarbeit

Universität Wien

1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1

T +43-1-4277-175 30

M +43-664-602 77-175 30

veronika.schallhart@univie.ac.at

Information zu den unten beigefügten Bildern:

R.Ekstein_1:

Bildarchiv der Sammlung Ekstein, Portrait Rudolf Ekstein. Copyright: Universität Wien

R.Ekstein_2:

Bildarchiv der Sammlung Ekstein, Ekstein gemeinsam mit Ernst Freud in Los Angeles. Copyright: Universität Wien

R.Ekstein_3:

Bildarchiv Ernst Berger, Ekstein mit seiner Frau am Strand von Los Angeles, 1995. Copyright: Ernst Berger