Die Schiffscrew und ihre Aufgaben

Die Forschungsreise des Teams vom Department für Meeresbiologie unter der Leitung von Gerhard J. Herndl neigt sich schön langsam dem Ende zu. Bevor in den nächsten Tagen der letzte Bericht von der Pelagia eintrifft, gibt es noch einmal die Gelegenheit, die Crew des Forschungsschiffs und ihre Aufgaben näher kennen zu lernen.

Montag, 1. November 2010:

Schon in der letzten Schiffsmeldung wurden die Aufgaben dargestellt, mit denen die beiden Assistenten Thomas Reinthaler und Christian Winter sowie die DissertantInnen Simone Muck und Adam Klimiuk an Board beauftragt sind. Im aktuellen Beitrag folgt nun die Darstellung der Aufgaben der Post Docs aus der Arbeitsgruppe Herndl und eines Gastwissenschafters von der Old Dominion University in Norfolk, Virginia, USA.

Alejandra Calvo-Diaz arbeitet seit etwa einem Jahr im Rahmen eines Marie-Curie-Stipendiums der EU in der Arbeitsgruppe. Die Aufgabe von Alejandra bei dieser Expedition ist es, die Wachstumsraten von spezifischen Bakterienarten in unterschiedlichen Wassertiefen zu bestimmen - vom sonnendurchfluteten Oberflächenwasser bis in die Tiefsee. Gleichzeitig werden Proben genommen, um an einzelnen Bakterienzellen Genomanalysen durchzuführen.

Dieser sogenannte "single cell genomics"-Ansatz wird in Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe vom Bigelow Marine Labortory in Maine, USA, über die nächsten Monate verfolgt werden. Die speziellen Analysen ermöglichen es, genetische Informationen von einer einzelnen Zelle zu bekommen und Aussagen bezüglich der Quellen für den Stoffwechsel der speziellen Zelle treffen zu können. Einige bisher unbekannte Stoffwechselwege von Mikroorganismen im Meer wurden mit dieser Methode entdeckt.


Alejandra Calvo-Diaz gibt Probenahmestellen in ihrem Computer ein. Im Hintergrund ist das Epifluoreszenzmikroskop zu sehen, mit dem die Häufigkeit bestimmter Mikroorganismen im Wasser erfasst wird. Das Auszählen der Proben im Mikroskop bedarf allerdings eines seefesten Magens. (Alle Fotos: Alexander Bochdansky)

Itziar Lekunberri schloss kürzlich ihre Dissertation an der Universität Barcelona in mariner Mikrobiologie ab und kam ebenfalls mit einem Marie-Curie-Stipendium als Post Doc in die Arbeitsgruppe. Itziars Aufgabe ist es, Wasserproben so zu bereiten, dass in weiterer Folge im Fakultätszentrum für Ökologie die Stoffwechselraten von einzelnen Mikroorganismen bestimmt werden können.

Geschehen soll dies mit dem kürzlich erworbenen NanoSIMS - einer Art Elektronenmikroskop, das die Möglichkeit bietet, die Konzentration von verschiedenen Isotopen zu messen. Die Auflösung dieses Gerätes liegt bei 40 Millionstel Millimeter und ist somit geeignet, die Konzentration spezieller Isotope in Bakterien zu bestimmen. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick in die Mannigfaltigkeit der Substratwahl und der Umsatzraten in der Tiefsee zu erhalten.

Dominique Lamy kam nach dem Abschluss ihrer Dissertation an der Universität in Paris mit einem Stipendium in die Arbeitsgruppe von Herndl - zuerst an seine frühere Forschungsstätte, das Netherlands Institute for Sea Research, und folgte ihm dann weiter an die Universität Wien. Dominiques Arbeit widmet sich dem Regen von absterbendem Material in die Tiefsee.

In den Oberflächenwassermassen findet sich reichlich Plankton, das entweder von größerem Plankton gefressen wird oder unbeweidet abstirbt. In jedem Fall rieselt totes Material in die Tiefe und dient den dort lebenden Organismen und Mikroorganismen als Nahrung. Mikroorganismen besiedeln diese absinkenden Partikel und zersetzen sie. Diese Partikel und die Aktivität der darauf lebenden Mikroben untersucht Dominique mit verschiedenen Methoden, die von Stoffwechselaktivitätsmessungen bis zu molekularen Analysen reichen. Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden, ob sich an den Partikel eine eigenständige Bakterielle Gemeinschaft entwickelt oder, ob die darauf siedelnde Gemeinschaft in der Zusammensetzung der des Umgebungswassers entspricht.

Federico Baltar ist ein ehemaliger Dissertant von Herndl, den er zusammen mit zwei Kollegen aus Spanien betreute. Nun ist Fede, wie er gemeinhin gerufen wird, als Post Doc im MOCA-Projekt beim Projektpartner von der Universität Kalmar in Schweden angestellt. Während der Expedition widmete sich Fede der Messung der mikrobiellen Ektoenzyme.

Bakterien besitzen keinen Mund und müssen daher ihre Nahrung - z.B. organische Partikel - zuerst außerhalb der Zelle auflösen, um dann die gelösten Substanzen durch die Zellwand zu schleusen. Dieses Auflösen von organischen Partikeln wie dem Meeresschnee wird durch die Ektoenzyme betrieben. Das "Ekto-" vor dem Enzym deutet an, dass sich diese Enzyme außerhalb der Zellmembran befinden, entweder in oder auf der Zellwand. Die Ektoenzymaktivität bestimmt zu einem großen Teil die Teilungsraten der Mikroorganismen und spielt für die Umsetzung von organischem Material eine entscheidende Rolle. Mit speziellen fluoreszierenden Substratquellen wird diese Enzymaktivität bestimmt. Lange Nächte des Messens der Fluoreszenz, die sich in kleinen Röhrchen entwickelt, sind notwendig, um zu Abschätzungen der Aktivitätsraten zu kommen.


Federico Baltar misst mithilfe eines Fluorometers die mikrobielle Ektoenzymaktivität.

Alexander Bochdansky ist als ehemaliger Diplomand von Gerhard Herndl nun Professor an der Old Dominion University in Norfolk, Virginia, USA. Zusammen mit seiner Dissertantin Danielle Smith ist er auf der Pelagia, um die Geißeltiere und Wimpertiere der Tiefsee zu erforschen und um Videoanalysen von Partikel durchzuführen. Hierzu entwickelte Alexander eine Art Unterwassermikroskop, das mit einem Laser ein bestimmtes Volumen von Wasser durchleuchtet und von einer Kamera erfasst wird. Damit lassen sich Partikel und Organismen im Wasser ablichten, die nur wenige Tausendstel Millimeter groß sind.


Alexander Bochdansky und Danielle Smith auf dem Deck der Pelagia bei spiegelglatter See im subtropischen Nordatlantik mit Regenbogen im Hintergrund.

Dies ist der erste Einsatz eines derartigen Instrumentes im Meer - insbesondere in der Tiefsee. Alexander und Danielle konnten ungewöhnlich scharfe Aufnahmen von Kleinstlebewesen der Tiefsee bei den täglich stattfindenden abendlichen Besprechungen präsentieren. In Zukunft könnte es sogar möglich sein, Bakterien in der Tiefsee mit diesem Unterwassermikroskop darzustellen.


Danielle Smith bereitet ein weiteres Videosystem mit den entsprechenden Scheinwerfern vor, um ein bestimmtes Volumen an Wasser zu beleuchten. Die Videokamera mit dem Beleuchtungssystem ist an der Sammelrosette montiert und wird dann bis 6.000 m Tiefe an einem Seil hinuntergelassen.


Alexander Bochdanskys Unterwassermikroskop ist am unteren Ende der Sammelrosette montiert und wiegt mit dem Stahlgehäuse ca. 80 kg, um dem hohen Druck in der Tiefe zu widerstehen. Der Laser ist für den morgendlichen Einsatz bei Dunkelheit bereit. Durch den Spalt im Gehäuse fließt beim Absenken der Sammelrosette in die Tiefe Wasser mit darin enthaltenen Partikeln, die ausgezeichnet und nachher analysiert werden.

Die Forschergruppe wird zudem noch von drei technischen Assistenten unterstützt: Jan van Ooijen betreibt die beiden Autoanalysatoren für die Nährstoffanalytik; Santiago Gonzales ist für die Arbeit mit Radioisotopen verantwortlich und Herman Boekel sorgt  für das reibungslose Funktionieren der Hochdrucksammel- und Inkubationsgefäße.

All dies mag die Frage aufwerfen, warum das interessant und wichtig sei und erforscht werden sollte. Im nächsten Blog-Bericht werde ich versuchen, darauf Antworten zu geben und aufzeigen, wie die Aktivitäten der einzelnen Teammitglieder miteinander verbunden sind!

Lesen Sie mehr über die Hintergründe der Forschungsfahrt im Artikel "Schiff ahoi für die Wissenschaft!". Im Dossier "Schiffsmeldungen" halten uns die ForscherInnen via Satellitenverbindung über ihren Arbeitsalltag auf der Pelagia auf dem Laufenden.

Das dreijährige EU-Projekt "MOCA: Microbial Oceanography of Chemolitho-Autotrophic planktonic communities" wird von Univ.-Prof. Dr. Gerhard Herndl vom Department für Meeresbiologie geleitet und startete im April 2010. Projektpartner sind Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Dr. Christa Schleper vom Department für Ökogenetik sowie Prof. Dr. Klaus Jürgens vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (D), Prof. Dr.  Jarone Pinhassi von der Universität Kalmar (SE) sowie Prof. Dr.  Jose Gonzales von der Universidad de La Laguna (ES). Das Projekt wird im ESF-Eurocores Programm "Ecological and evolutionary functional genomics" (EuroEEFG) finanziert.