Die Gefahren rechtspopulistischer Plakatwerbung

Mit stereotypisierten Darstellungen und abwertenden Slogans auf Werbeplakaten versuchen rechtspopulistische Parteien, negative Emotionen gegenüber AusländerInnen zu erzeugen. Publizistikwissenschafter Jörg Matthes von der Universität Wien zeigt auf, wie gefährlich solche "Angstplakate" sein können.

Insbesondere vor Volksbefragungen und Wahlen buhlen politische Parteien mit Werbeplakaten um WählerInnen. Die Plakate rechtspopulistischer Parteien weisen dabei stets ein ähnliches Muster auf. Slogans wie "Daham statt Islam" von der österreichischen FPÖ oder "Maria statt Scharia!" seitens der Schweizer Volkspartei (SVP) haben das Ziel, ausländische MitbürgerInnen mit negativen Attributen zu verknüpfen und Angst zu erzeugen.

Aktuelles Forschungsprogramm

In der Medienforschung wurden Emotionen als Mittel der politischen Persuasion lange Zeit unterschätzt. "Dabei sind gerade diese ein wichtiger Wirkungsfaktor, was insbesondere die rechtspopulistischen Parteien erkannt haben", erklärt Jörg Matthes, seit Sommer 2012 stellvertretender Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Aus diesem Grund startete er an der Universität Wien ein Forschungsprogramm, um neue Erkenntnisse über die Mechanismen der politischen Persuasion durch Parteienwerbung zu gewinnen.


Die Schweizer Volkspartei arbeitet auch real mit "Angstplakaten". Das Plakat "Ja zum Minarettverbot" stammt aus dem Jahr 2009. "Hier haben wir ein klassisches Sujet. Die verschleierte Frau und die Minarettspitzen, die symbolisch die Schweiz erobern, sollen Angst vor einer vermeintlichen Übermacht und Islamisierung erzeugen", erklärt Jörg Matthes. Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, wurden in der 2011 durchgeführten Studie bewusst keine realen SVP-Plakate eingesetzt, da diese im öffentlichen Diskurs bereits stark diskutiert wurden.



"Angstplakate" verfehlen ihre Wirkung nicht


Auftakt war eine 2011 von Jörg Matthes und Projektmitarbeiterin Franziska Marquart in der Schweiz durchgeführte Studie über die Wirkungsweise von Wahlwerbung am Beispiel nachgestellter Plakate der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP). Das Ergebnis ist eindeutig: Sogenannte emotionalisierende "Angstplakate" haben bei Personen mit geringer Bildung negative Auswirkungen auf ihre Einstellung gegenüber AusländerInnen – und das erstaunlicherweise unabhängig ihrer politischen Voreinstellungen.

Beiläufigkeit als wichtige Komponente der Studie  

Bei der experimentellen Studie wurden 137 TeilnehmerInnen zwischen 18 und 78 Jahren in drei Gruppen aufgeteilt. Sie alle waren der Überzeugung, an einer Studie zum Layout der Online-Ausgabe einer Tageszeitung teilzunehmen. Ein fiktives SVP-Plakat nahm dabei etwa ein Drittel einer Seite ein. "Auf diese Weise sollten die Versuchspersonen möglichst beiläufig mit der Anzeige konfrontiert werden, so wie das bei Anzeigen realistisch ist. Die Plakate wurden eigens zum Zweck der Studie erstellt, sind jedoch in Anbetracht realer SVP-Kampagnen als sehr realistisch einzuschätzen", erklärt Projektleiter Jörg Matthes das Setting der Studie.

Stereotype: Burka versus Tracht

Jede Gruppe bekam ein unterschiedliches Plakat präsentiert, wobei sich das "Angstlevel" des Plakats von Gruppe zu Gruppe systematisch steigerte. Das Plakat mit der geringsten Emotionalisierung enthielt ausschließlich den Terminus "Masseneinbürgerung?". In der mittleren Version waren neben dem Slogan "Tun sie etwas: Nein zur Masseneinbürgerung" mehrere Frauen in Burkas abgebildet.


Auch dieses Plakat der SVP soll Angst erzeugen. Durch den Namen "Ivan S." wird gezielt die osteuropäische Herkunft der dargestellten Person angedeutet. Damit kann bei der Bevölkerung die Verknüpfung der Kategorie "Ausländer" und "kriminell" erzeugt werden, sowie die Angst, dass Kriminelle eingebürgert werden.



Das dritte Plakat sollte am stärksten emotionalisieren. Es zeigte ebenfalls Frauen in Burkas, ergänzt um ein weinendes, blondhaariges Mädchen in traditioneller Schweizer Tracht. Der dazugehörige Slogan hieß "Bald fremd in unserer Heimat? 48% Ausländeranteil im Jahr 2030. Nein zu Masseneinbürgerung".

"Gegen Angst können wir uns schwer wehren"


Die stereotypisierten Bilder von AusländerInnen auf den Wahlplakaten sollen Angst erzeugen – vor einer vermeintlichen Überfremdung und/oder dem Verlust der eigenen Kultur. Warum diese Strategie erfolgreich sein kann, weiß Jörg Matthes: "Gegen Angstgefühle können wir uns nur schwer wehren. Sie haben einen unmittelbaren Zugriff auf unser Denken und auch Handeln. Wenn es die Parteien schaffen Angst zu erzeugen, erreichen sie auch Personen, die sich normalerweise nicht der Partei zugehörig fühlen würden."

Gegenmaßnahme: Positive Verknüpfungen schaffen


"Es ist schwer, sich mit Argumenten über Angstgefühle hinwegzusetzen. Deshalb wären Integrationskampagnen sinnvoll, die ebenfalls mit Emotionen arbeiten", so der Publizistikwissenschafter, und schlägt vor: "Entscheidend ist es, die negativen Verknüpfungen aufzulösen. Dies könnte beispielsweise durch Plakate erreicht werden, auf denen AusländerInnen mit positiven Attributen dargestellt werden."


Was sagt das Bauchgefühl?

Jörg Matthes und sein Team vermuten, dass die Wirkungsweise solcher "Angstplakate" noch viel weitreichender ist, als bisher angenommen – und die Plakate nicht nur unsere offen geäußerte Meinungen beeinflussen, sondern auch Auswirkungen auf unser eher unbewusstes Bauchgefühl haben: "Bei der Beeinflussung unseres spontanen Bauchgefühls gegenüber Ausländern spielt dann auch das Bildungsniveau möglicherweise keine Rolle mehr, da wir uns vor spontanen Reaktionen, die 'aus dem Bauch' kommen, nicht schützen können. Das macht die Werbestrategien rechtspopulistischer Parteien umso gefährlicher", schließt Jörg Matthes. (mw)