"Meine Forschung": Im Fernsehen das Klima retten?
| 25. April 2019Der menschengemachte Klimawandel bedroht uns alle. Doch wie kann dies der Öffentlichkeit besser kommuniziert werden? Und welche Rolle spielen dabei die Medien? Das untersucht aktuell die Linguistin Andrea Sedlaczek von der Universität Wien am Beispiel der Klimaschutzinitiativen des ORF.
Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig: Der menschengemachte Klimawandel stellt eine ernste Bedrohung für die Menschheit dar und bedarf dringender Gegenmaßnahmen. Trotzdem schenken die Politik und die breite Gesellschaft dem Problem nach wie vor nicht genügend Aufmerksamkeit. Mit ihrer Berichterstattung prägen die Medien wesentlich das Wissen und die Einstellungen der Öffentlichkeit über den Klimawandel. Doch sind die Medien nicht frei von eigenen, politischen und wirtschaftlichen Interessen.
Am konkreten Beispiel der Klimaschutzinitiativen des ORF wirft Linguistin Andrea Sedlaczek in ihrer Dissertation am Institut für Sprachwissenschaft einen kritischen Blick auf die mediale Kommunikation über den Klimawandel: Wie wird der Klimawandel im Rahmen dieser Initiativen im Fernsehen repräsentiert? Und wie positioniert sich der ORF als öffentlich-rechtliches Medium mit seinen Initiativen?
Inszenierung von Klimaschutz im Fernsehen. In der Bewerbung seiner Klimaschutzinitiativen präsentiert sich der ORF als verantwortungsbewusstes Medienunternehmen und setzt auf einprägsame Symbole. Im Bild: Pressekonferenz des ORF zur Mutter Erde-Initiative "2°C sind mehr als du denkst" im Mai 2017. (© ORF/Günther Pichlkostner CC BY-ND 2.0)
"Green TV" und Public Value
Seit 2007 bemüht sich der ORF in regelmäßigen Programmschwerpunkten und Initiativen, die Themen Klimawandel und Klimaschutz dem breiten Publikum zu vermitteln, um zu mehr Bewusstseinsbildung und öffentlichem Engagement beizutragen. Damit folgt der ORF einem vorherrschenden Trend zum "Green TV" und verknüpft diesen in besonderer Weise mit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag.
"Nachdem der öffentlich-rechtliche Mediensektor seine frühere Rolle als Leitmedium in der heutigen Medienlandschaft eingebüßt hat, versucht der ORF durch die bewusste mediale Aufbereitung gesellschaftspolitisch relevanter Themen, wie dem Klimawandel, seinen 'Public Value' herauszustreichen und sich als 'Rundfunk der Gesellschaft' zu positionieren," erläutert Andrea Sedlaczek.
Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum. (© Universität Wien)
Vom Wissenschaftsdokumentarfilm zum Religionsmagazin
Inwiefern wird der ORF seinem Selbstanspruch gerecht, die Themen Klimawandel und Klimaschutz umfassend an die Öffentlichkeit zu vermitteln? Mit diskursanalytischen Forschungsmethoden skizziert die Doktorandin nicht nur die Selbstpositionierung des ORF mit seinen Initiativen, sondern wirft vor allem einen detaillierten Blick auf die Fernsehsendungen, die im Rahmen des Klimaschwerpunktes des ORF ausgestrahlt werden.
In den Programmschwerpunkten wird der Klimawandel in einer weiten Bandbreite von Sendungsformaten sowie aus der Perspektive unterschiedlicher journalistischer Ressorts vermittelt. Damit wird das Thema Klimawandel in verschiedene gesellschaftliche Zusammenhänge gestellt und mit unterschiedlichen Bedeutungen belegt. Beispiele reichen hier von der klassischen Wissenschaftsdokumentation, die Spuren des Klimawandels in aller Welt nachgeht, über Beiträge zu nachhaltiger Architektur im Kulturmagazin bis zum Religionsmagazin, das einen Blick auf das Klimaschutzengagement kirchlicher Gemeinschaften wirft.
Klimawandel in Sprache, Bild und Ton
Als ein komplexes Phänomen, das zeitlich und räumlich entfernt ist, lässt sich der Klimawandel schwer repräsentieren. Das Fernsehen, das neben der Sprache und anderen auditiven Gestaltungsmitteln stark auf Bilder angewiesen ist, muss daher kreative Strategien entwickeln, um den Klimawandel mit seinen Ursachen, Auswirkungen und benötigten Gegenmaßnahmen "sichtbar" zu machen und diesen zugleich fürs Publikum anregend zu präsentieren. Dokumentarische Fernsehformate – von kurzen Magazinbeiträgen bis hin zu längeren Dokumentationen – bieten hierfür eine Fülle von Möglichkeiten.
Stilmittel: Vereinfachung
Die Gefahr besteht jedoch darin, dass das Thema übermäßig vereinfacht wird oder das Problem des Klimawandels buchstäblich hinter einer reizvollen filmischen Aufmachung verschwindet. Andrea Sedlaczek nennt hier etwa das Beispiel einer Reportage, in der es bei einem Experiment darum geht, im tiefsten Winter einen Tag lang ohne Strom zu leben:
"Statt alltagstaugliche Alternativen zu einem energielastigen Lebensstil zu suchen, fokussiert die unterhaltungsorientierte Bildsprache darauf, wie sich die Protagonistinnen ohne Strom abmühen und präsentiert mit einer gasbetriebenen Notfallausrüstung zudem eine noch klimaschädlichere Alternative. Von der Klimaschutzbotschaft bleibt hier nichts mehr übrig."
Bildliche Metaphern versuchen das komplexe Phänomen des Klimawandels zu veranschaulichen, vereinfachen es aber mitunter übermäßig: In einer Weltjournal-Dokumentation wird das unsichtbare Treibhausgas CO2 als rauchendes Gespenst verbildlicht. Diese Personifizierung verschleiert gleichzeitig die von den Menschen verursachten Emissionen. (© Fink CC BY-NC 4.0)
Representation matters
Mit der Analyse und dem Vergleich verschiedener Fernsehsendungen in den Klimaschutzinitiativen des ORF wird deutlich, dass mediale Repräsentationen des Klimawandels keine neutralen Abbilder der Realität sind. Sie sind vielmehr diskursiv eingebettet und erfüllen auch argumentative Zwecke. Damit beeinflussen sie die öffentliche Wahrnehmung über dieses gesellschaftspolitisch so brisante Thema. In der Tradition der kritischen Diskursanalyse möchte Andrea Sedlaczek mit ihrer Arbeit zu einer stärkeren Reflexion in der Medienkommunikation über den Klimawandel beitragen.
Andrea Sabine Sedlaczek, geb. 1988 in Wien, hat Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft an der Universität Wien studiert. Neben ihrer Arbeit in einem Weiterbildungs- und Forschungsinstitut für Freie Medien forscht sie zur Kommunikation von Klimawandel und Nachhaltigkeit am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien. Ihre Dissertation mit dem Titel "'Es liegt in unserer Hand' – Eine multimodale kritische Diskursanalyse der Klimaschutzinitiativen des Österreichischen Rundfunks" wird von Martin Reisigl und Brigitta Busch am Institut für Sprachwissenschaft betreut. (© A. Sedlaczek)
Literaturtipp zum Thema:
Jana Tereick, 2016, Klimawandel im Diskurs: Multimodale Diskursanalyse crossmedialer Korpora. Berlin: De Gruyter