Altes Licht bestätigt Quantenverschränkung
| 21. August 2018Mit Hilfe des Milliarden Jahre alten Lichts zweier Quasaren haben Physiker der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erneut die Gültigkeit der Quantenmechanik und eines ihrer seltsam anmutenden Phänomene nachgewiesen.
Albert Einstein war das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung nicht geheuer. Verschränkte Teilchen können physikalisch nicht als einzelne Teilchen mit definierten Zuständen beschrieben werden, sondern nur als Gesamtsystem. Selbst wenn sie sich in sehr großer Entfernung voneinander befinden, beeinflussen Veränderungen an einem Teilchen – etwa eine Messung – augenblicklich auch den Partner. Dabei wird keine Information zwischen den beiden Teilchen ausgetauscht.
Alles "Spuk"?
Weil sich das mit der klassischen Physik nicht erklären lässt, hat Einstein das Phänomen abschätzig als "Spuk" eingestuft. Dennoch wurden die Effekte der Verschränkung in unzähligen Experimenten nachgewiesen. Es lassen sich aber mit einiger Fantasie Schlupflöcher finden, wie man die Verschränkung klassisch, also nicht quantenphysikalisch, erklären kann – etwa durch unbekannte Einflüsse.
So könnten theoretisch etwa die Teilchen oder die Messeinrichtungen schon vor dem Experiment beeinflusst worden sein, um dieses Ergebnis zu erzielen. Davon könnten etwa die in Verschränkungs-Experimenten verwendeten Zufallszahlen-Generatoren betroffen sein. Sie liefern eine zufällige Folge von Nullern und Einsern, um unvorhersehbar zwischen zwei verschiedenen Messanordnungen hin- und herzuschalten.
"Freie-Wahl"-Schlupflöcher geschlossen
Um dieses "Freie-Wahl-Schlupfloch" zu schließen, ersannen die Physiker fantasievolle Experimente. Ein internationales Forscherteam ließ etwa mehr als 100.000 Menschen weltweit in einem Mitmach-Experiment eine zufällige Abfolge mit Nullen und Einsen eingeben, die für die Einstellung der Messgeräte herangezogen wurden. Im Vorjahr verwendeten die Wiener Physiker Licht von 600 Lichtjahre entfernten Sternen für die Messeinstellungen – eine Beeinflussung hätte also bereits vor 600 Jahren erfolgen müssen.
Licht von zwei Quasaren
Nun ging Zeilingers Team in Kooperation mit internationalen KollegInnen noch einen Schritt weiter. Mit zwei Teleskopen auf der Kanareninsel La Palma fingen sie das Licht von zwei Quasaren ein. Diese hell leuchtenden Kerne aktiver Galaxien liegen in zwei entgegengesetzte Richtungen im Universum rund acht bzw. zwölf Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Farbe der einzelnen Lichtteilchen, die bei der Entstehung der Quasare festgelegt wurde und zwischen rot und blau variiert, steuert die Messeinstellungen von zuvor erzeugten verschränkten Teilchen.
Mit dem acht bzw. zwölf Milliarden Jahre alten Licht der beiden Quasare wollten die Physiker sicherstellen, dass die Entscheidung darüber, wie die verschränkten Teilchen gemessen werden, völlig unabhängig von den Forschern und ihrer Umgebung getroffen wird. "Das von Menschen, der Erde und fast unserer gesamten Vergangenheit völlig unabhängige Licht aus dem All ist dafür ideal geeignet", erklärte Erstautor Dominik Rauch vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien in einer Aussendung.
Milliarden Jahre altes Licht
Es sei das erste Mal, dass Milliarden Jahre altes Licht zum Nachweis der Quantenverschränkung genutzt wurde. "Die Wahrscheinlichkeit, dass es verborgene Einflüsse gibt, die eine zur Quantenmechanik alternative Erklärung der Verschränkung liefern, liegt damit bei nahezu Null. Die Wahl der Messeinstellung hätte für unsere Versuchsanordnung lange vor der Entstehung der Erde erfolgen müssen", sagte Zeilinger. (APA/red)
Die Publikation "Cosmic Bell test using random measurement settings from high-redshift quasars" (Autoren: Dominik Rauch, Johannes Handsteiner, Armin Hochrainer, Jason Gallicchio, Andrew S. Friedman, Calvin Leung, Bo Liu, Lukas Bulla, Sebastian Ecker, Fabian Steinlechner, Rupert Ursin, Beili Hu, David Leon, Chris Benn, Adriano Ghedina, Massimo Cecconi, Alan H. Guth, David I. Kaiser, Thomas Scheidl und Anton Zeilinger) erschien am 20. August 2018 in Physical Review Letters.