Mit e-Engagement gegen Rassismus
| 14. Mai 2014Ob Websites, Facebook oder YouTube – rechtspopulistische Organisationen nutzen die Neuen Medien, um Jugendliche zu "rekrutieren". Ein EU-Projekt mit Beteiligung der Universität Wien nimmt die Anwerbestrategien unter die Lupe und erarbeitet Aufklärungs-Tools für SchülerInnen und LehrerInnen.
"Welche Parteien und Bewegungen sich überhaupt als 'populistisch' bezeichnen lassen, ist umstritten. Im medialen Diskurs wird dieser Begriff häufig missbraucht", meint Birgit Sauer vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Als Expertin im Bereich der Rassismus-, Migrations- und Gender-Forschung leitet sie den österreichischen Teil des EU-Projekts "e-Engagement against violence" (e-EAV), das in insgesamt sieben europäischen Ländern umgesetzt und von der Universität Florenz koordiniert wird.
"Dieses Projekt ist u.a. deshalb so spannend, da es auch einen praktischen Teil hat, in dem es um die Umsetzung und Anwendung der theoretischen Erkenntnisse geht", betont die Wissenschafterin. So soll am Ende nicht nur ein Überblick über neue Formen des Populismus in Europa entstehen, sondern auch eine virtuelle Lernumgebung entwickelt werden, die entsprechende Unterrichtsmaterialien für LehrerInnen und JugendmitarbeiterInnen bereithält.
Das Internet als "Propaganda-Kanal"
Hintergrund für das internationale Vorhaben, das im Rahmen des Daphne-III-Programms der EU-Kommission finanziert wird, ist Sauer zufolge die "traurige Tatsache, dass Xenophobie und Rassismus in den letzten 20 Jahren in Europa deutlich zugenommen haben. Elektronische Medien und soziale Netzwerke sind inzwischen zu bedeutenden Kanälen für die Verbreitung derartiger Ideologien geworden", betont die Forscherin.
Besonders beunruhigend sei, dass sich die über das Web verbreitete Propaganda gezielt an Jugendliche richte: "Diese Gruppen setzen auf den Multiplikationseffekt des Internets und nutzen alle Möglichkeiten, um Hetze gegen die vermeintlich 'Anderen' – Ausländer, Muslime, Homosexuelle, Frauen, etc. – zu betreiben", meint Sauer.
Zwei Fallstudien
"Die Art und Weise, wie um neue Mitglieder geworben wird, ist durchaus kreativ", schildert Stefanie Mayer, Projektmitarbeiterin und Dissertantin am Institut für Politikwissenschaft, die Ergebnisse der mittlerweile abgeschlossenen ersten Evaluationsphase. Dabei haben sich die Wissenschafterinnen sowohl die Websites als auch die Facebook-Auftritte und YouTube-Kanäle zweier rechtspopulistischer Organisationen in Österreich genauer angeschaut, die speziell auf Jugendliche abzielen: die "Identitäre Bewegung Österreich" (IBÖ) und den "Ring Freiheitlicher Jugend" (RFJ). Welche Probleme werden dort thematisiert und wie werden diese formuliert? Wem wird die Schuld zugewiesen und welche Lösungsvorschläge werden präsentiert?
Spannende Unterschiede
"Hier war es sehr spannend, die Unterschiede in den Kommunikationsstrategien beider Gruppen herauszuarbeiten: Während die 'Identitären' stets sehr ideologisch argumentieren und alles auf eine ethnokulturelle Grundeinstellung herunterbrechen, beruft sich der RFJ eher auf den so genannten 'gesunden Menschenverstand', der immer schon weiß, wer die 'Anderen' sind und was sie zu 'Anderen' macht", fasst Mayer zusammen.
Der eng mit der FPÖ vernetzte RFJ setze zudem vor allem auf Textbeiträge. "Bei der IBÖ ist das hingegen bunt gemischt. Es reicht von längeren Texten, die sehr ideologisch angelegt sind, bis hin zu kleinen, speziell für Facebook erstellen Bild-Postings mit kurzem Slogan, die sehr platt antimuslimische und rassistische Stereotype verbreiten", so die Wissenschafterin.
Rechtspopulistische Organisationen distanzieren sich oft explizit vom Vorwurf des Rassismus. Die einschlägige Ideologie wird dann aber durch bestimmte Analogien und Argumentationsketten deutlich. Bestes Beispiel hierfür ist der "Wer wir sind"-Beitrag auf der IBÖ-Homepage. |
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Aus Theorie wird Praxis
Aktuell ist das Projekt gerade dabei, von der Forschungs- in die Anwendungsphase überzutreten. "Es geht um die Frage, wie unsere theoretischen Erkenntnisse praktisch umgesetzt werden können", erläutert Politikwissenschafterin Birgit Sauer. "Wir haben bereits eine Schule in Wien und eine in Oberösterreich als Kooperationspartner gewonnen, um die Unterrichtsmaterialien konkret in einigen Klassen testen zu können", ergänzt Kollegin Stefanie Mayer. Nach dieser ersten Testphase wird gemeinsam mit den LehrerInnen Feedback gesammelt und eingearbeitet.
Im Sommer 2014 soll dann in allen Projektländern eine Internet-Lernplattform starten, die einerseits die im Rahmen des Projekts erstellten Unterrichtsmaterialien beinhaltet und andererseits auch viele Hintergrundinformationen bündelt. LehrerInnen und Jugendarbeiterinnen können diese dann nutzen, um junge Menschen im Alter zwischen 15 und 19 in der Erarbeitung von Kompetenzen zur Medienbildung im Bereich Populismus zu unterstützen.
Sonderfall Österreich
Dass gerade Österreich ein Teil des groß angelegten EU-Projektes ist, kommt nicht von ungefähr. "Die sieben teilnehmenden Länder wurden aus politischen und geografischen Gründen bewusst gewählt. Österreich ist, wenn es um Rechtspopulismus und Gewalt geht, traurigerweise immer interessant", meint Projektleiterin Sauer. (ms)
Das Projekt "e-Engagement against Violence (e-EAV)" wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des Daphne-III-Programms finanziert und läuft von 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2014. Die Projektpartner verteilen sich auf sieben EU-Länder: Belgien, Bulgarien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und Schweden. Wissenschaftliche Koordinatorin des Projekts ist Maria Ranierei vom Department of Sciences of Education and Psychology der Universität Florenz. In Österreich wird das Projektteam von Univ.-Prof. Dr. Birgit Sauer vom Institut für Politikwissenschaft geleitet, Projektmitarbeiterin ist Mag. Stefanie Mayer.