Neue Forschungsplattform geht unter die Haut

Die Haut ist nach außen eine dichte Membran. Das schützt uns zwar vor Verletzungen, hat aber auch zur Folge, dass Wirkstoffe schlecht eindringen können. Insbesondere die äußerste Hautschicht, das sogenannte "Stratum corneum", ist nahezu undurchdringlich. Es gibt jedoch Möglichkeiten, diese Barriere "auszutricksen": So können Liposomen über Haarschäfte in die Tiefe der Haarfollikel eindringen und dort Wirkstoffe freigeben. Solche liposomalen Präparate stehen im Mittelpunkt des ersten Teils einer neuen Forschungsplattform.

Ob in der Kosmetik oder im Arzneimittelsektor: Vermehrt werben Hersteller mit Produkten, die Liposomen enthalten. Die Vorteile sind eindeutig: Liposomale Präparate können in tiefere Hautschichten eindringen und ihre Wirkstoffe so besser entfalten. Doch was sind Liposomen eigentlich? Das erklärt die Leiterin der neuen Forschungsplattform "Characterisation of Drug Involved Mechanisms", Claudia Valenta vom Department für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie: "Liposomen können auch als flüssige Nanopartikel angesehen werden. Es gibt unterschiedliche Arten: Manche bestehen aus abwechselnden Schichten hydrophil-lipophil-lipophil-hydrophil in einmaliger Abfolge, das heißt es handelt sich um unilamellare Liposomen. Bei anderen tritt dieses Muster mehrmals auf, man spricht dann von multilamellaren Liposomen."

Ziel der neuen Plattform ist es, durch die Untersuchungen der Liposomen die Zusammenhänge zwischen Mikrostruktur und physiologischen Diffusionsprozessen besser zu verstehen und diese Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Arzneistoffabgabesysteme zu nutzen.

Interdisziplinäres Arbeiten nimmt dabei einen wichtigen Stellenwert ein. Neben dem Department für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie ist auch das Institut für Organische Chemie der Fakultät für Chemie an den Forschungen beteiligt. "Durch diesen fächerübergreifenden Zugang ist ein gutes Wechselspiel zwischen Chemie, Physik, physikalischer Chemie und pharmazeutischer Technologie möglich", so Claudia Valenta.

Mit Schweinehaut zu neuen Erkenntnissen

Der Aufbau und die Struktur der Haut kann auf zwei Arten untersucht werden: am lebenden Objekt (in vivo) oder am toten Objekt, zum Beispiel im Reagenzglas (in vitro). Im Rahmen der Forschungsplattform kommen beide Methoden zum Einsatz. Für die In-vitro-Untersuchungen wird primär Schweinehaut benutzt, da diese in Aufbau und Eigenschaften der Menschenhaut ähnelt. Mit den liposomalen Formulierungen (Liposomen, denen bereits ein Wirkstoff beigefügt wurde) werden dann sogenannte NMR- (Kernspinresonanzspektroskopie-) Selbst-Diffusionsuntersuchungen durchgeführt, die Informationen über die Mikrostruktur, wie beispielsweise die Größe der gebildeten Partikel und die Verteilung der Arznei- und Hilfsstoffe, geben können.

"Zurzeit werden zur Anwendung auf der Haut Vehikel gesucht, die eine gute Wirkstofffreigabe zeigen, jedoch nur aus hautverträglichen Stoffen bestehen. Darüber hinaus können in diese Substanzen fluorierte Arzneistoffe eingearbeitet und die Selbstdiffusion der Arzneistoffe direkt in den Vehikeln gemessen werden", erklärt Claudia Valenta die angestrebten Untersuchungen.

Daneben werden auch In-vivo-Untersuchungen stattfinden. Pro Stunde und Quadratzentimeter Haut gibt jeder Mensch eine definierte Menge Wasser an die Außenwelt ab. Das bezeichnet man als "transepidermalen Wasserverlust (TEWL)". Mit dem Messgerät "Aquaflux" können sowohl die abgegebene Wassermenge als auch mögliche Auswirkungen von neu entwickelten Mitteln auf diese gemessen werden. Zusätzlich ist der TEWL ein Maßstab dafür, ob die Hautbarriere gesund ist.

Zum "Quell des Übels" vordringen

Neben der Interdisziplinarität ist Claudia Valenta vor allem auch die praktische Anwendbarkeit ihrer Arbeit wichtig. "Unsere Forschungsergebnisse sind zum Beispiel für den Arzneimittelsektor oder die Kosmetikindustrie interessant. Wenn es möglich ist, einen Arzneistoff in relevanten Dosen durch liposomale Präparate direkt an der betreffenden Krankheitsstelle - zum Beispiel dem Fuß - unterzubringen, dann fallen viele Nebenwirkungen, die normalerweise durch die orale Einnahme entstehen können, einfach weg." (mw)


Forschungsplattformen werden von der Universität Wien zur Anschubförderung besonders innovativer fächerübergreifender Forschungsvorhaben eingerichtet. Die Forschungsplattform "Characterisation of Drug Involved Mechanisms" ("Charakterisierung von Arzneistoffabgabesystemen auf der Haut und Untersuchungen ihrer inneren Struktur") ist an der Fakultät für Lebenswissenschaften und der Fakultät für Chemie angesiedelt. Leiterin ist Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Claudia Valenta vom Department für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie; Kooperationspartner ist Ass.-Prof. Mag. Dr. Hanspeter Kählig vom Institut für Organische Chemie. MitarbeiterInnen sind Mag. Julia Schwarz sowie Markus Husa.