Nur gemeinsam sind sie stark
| 17. Februar 2014Riesenröhrenwürmer können nur mit und durch ihre Symbionten Endoriftia existieren. Wie genau die eng verwobene Biochemie der beiden funktioniert, erforscht die Meeresbiologin Andrea Nussbaumer.
Die Meeresbiologin scheint etwas übrig zu haben für Extreme, zumindest, was ihre Feldforschung anbelangt. Wenn man Andrea Nussbaumer fragt, wo sie ihre Forschungsobjekte ausfindig macht, fallen Begriffe wie "Ostpazifischer Rücken", "Tiefsee" und "80 Grad heißes Wasser. Das heiße Wasser ist aber gar nicht das Hauptproblem. Es ist die Tiefe. Sie finden sich auf 2.500 Meter im Meer, und man muss mit einem U-Boot runtertauchen."
"Sie" – das sind Riesenröhrenwürmer mit dem Namen Riftia pachyptila, die am Meeresboden der Tiefsee fest sitzen, bis zu eineinhalb Meter lang werden und in einer Röhre an Hydrothermalquellen leben. "Ein ganz spezieller Lebensraum", sagt Nussbaumer. "Nur ganz wenige Arten können dort leben, aber die in hoher Dichte. Das Wasser strömt bis zu 400 Grad heiß aus den Spalten." Dort, wo die Würmer leben, hat es noch immer bis zu 80 Grad.
Interaktion und Kommunikation
Was die Wissenschafterin vom Departement für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Universität Wien interessiert, ist die Symbiose zwischen den Riesenröhrenwürmern und ihren Endosymbionten. Die BiologInnen wissen schon einiges über diese Symbiose. "Mir geht es nun darum, auf molekularer Ebene zu klären, wie die beiden zusammenleben. Wie kommen sie zusammen? Wie funktioniert ihre Interaktion, wenn die Symbionten im Wurm sind. Die Symbiose ist deshalb so speziell, weil sich der erwachsene Wurm ausschließlich von seinen Symbionten ernährt. Er hat keinen Mund, keinen Darm, keinen Anus, sondern nur ein Organ, Trophosom genannt. In diesem großen Sack leben die Symbionten", erklärt Nussbaumer.
Wurm und Symbiont wachsen gemeinsam auf. "Die Würmer setzen sich, wenn sie ganz klein sind, an einer bestimmten Stelle fest und müssen die Bakterien aufnehmen. Das ist eine weitere Besonderheit dieser Symbiose: Die Eltern-Generation gibt die Bakterien nicht an den Nachwuchs weiter. Jede neue Generation muss die Bakterien neu aufnehmen. Ohne die ist der Wurm nämlich nicht lebensfähig", sagt die Meeresbiologin und will herausfinden, wie verwoben die Biochemie von Riftia pachyptila und Endoriftia ist.
Tausend Meilen in den Pazifik
Um dieses Geheimnis zu lüften, begibt sich Nussbaumer, wann immer sie kann, aufs Meer. Zuletzt war sie 2011 "links von Mexiko", wie sie scherzt. Heuer im Herbst wird es wieder eine Ausfahrt geben, "mit einem amerikanischen Forschungsschiff. Wir werden meistens eingeladen". Darüber ist Nussbaumer sehr froh, denn es ist nicht ganz billig, an ihre Würmer ranzukommen. "Der FWF finanziert keine Schiffszeiten mehr, daher sind wir darauf angewiesen, dass wir von den US-Kollegen eingeladen werden."
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Angekommen in Mexiko, fährt man mit einem Forschungsschiff etwa 1.000 Meilen in den Pazifik raus. "Wir sammeln, sammeln, sammeln, was wir kriegen können, und bringen Würmer rauf, die seziert werden. Sie werden fixiert oder eingefroren und in kleinen Portionen nach Wien gebracht." Nussbaumer hat es auf das genetische Material, auf die Proteine und das Gewebe abgesehen. "Unsere Spezialität ist die Kombination aus immun-histologischen Untersuchungen mit Gewebeschnitten. Damit konnten wir eine Nische besetzen." Dieses Spezialwissen ist auch der Grund, warum Andrea Nussbaumer und ihre Kollegin Monika Bright immer wieder von amerikanischen Kollegen eingeladen werden.
Im Wiener Labor
Zurück im Labor in Wien, hofft Nussbaumer herauszufinden, wie der Erkennungsmechanismus der beiden abläuft: "Wie die kleinen Würmer erkennen, welche Bakterien für sie die richtigen sind. Wie sie zusammenkommen. Weiters, wie der Zellzyklus der beiden koordiniert wird, denn beide wachsen – und das gemeinsam. Schließlich können sich die Bakterien nicht unendlich teilen, und die Wurmzellen kommen nicht mit", erklärt die Wissenschafterin.
Am Ende der Studie sollen wichtige Erkenntnisse zum Riftia Modellsystem im Speziellen und zu mikrobiellen Symbiosen im Allgemeinen stehen. Durch die Verknüpfung von biologischer und medizinischer Forschung können darüber hinaus neue Erkenntnisse zu vielfach vorkommenden Signalwegen von nützlichen und pathogenen Bakterien gewonnen werden.
Das FWF-Projekt "Transmission, Erhaltung und Zellzyklus bei der Endoriftia Symbiose" unter der Leitung von Mag. Dr. Andrea Nussbaumer startete im März 2013 und läuft noch bis August 2016.