Pfeilgiftfrösche: Polygamie sichert Überleben

Die Forschungsobjekte von Eva Ringler sind zwei Zentimeter groß und wiegen zwei Gramm. Die Rede ist von der Pfeilgiftfroschart Allobates femoralis, deren Fortpflanzungs- und Brutpflegeverhalten die L'Oréal-Stipendiatin in einem FWF-Projekt in Französisch-Guyana erforscht.

"Bei der Partnerwahl sind die Weibchen der Pfeilgiftfroschart Allobates femoralis nicht besonders wählerisch." Das fand Eva Ringler vom Department für Evolutionsbiologie in ihrer Dissertation – beruhend auf Feldforschungen in Französisch-Guyana – heraus: "Die Weibchen wählen viele Männchen als Partner aus, da sie dadurch den Fortpflanzungserfolg sowie die genetische Vielfalt der Nachkommen erhöhen und verschiedenste Risikofaktoren in Bezug auf ihr Überleben ausschalten."

Denn vom Ei bis hin zur Metamorphose sind die Larven zahlreichen Gefahren ausgesetzt: von Fressfeinden bis hin zur Austrocknung der Wasserstellen, in denen sie sich entwickeln: "Die Eier werden vom Weibchen an Land, also im Trockenen, abgelegt", erklärt Ringler die komplexe, unter Amphibien recht einzigartige Fortpflanzungsbiologie der Pfeilgiftfrösche: "Die Larven werden dann vom jeweiligen Männchen ins Wasser gebracht, wo sie bis zur Metamorphose bleiben."

Inselvolk

Das Interesse für Allobates femoralis verdankt die Nachwuchswissenschafterin ihrem Doktorvater Walter Hödl, der schon seit vielen Jahren zu dieser speziellen Froschart forscht. Nachdem Eva Ringler im November 2011 ihre Dissertation abgeschlossen hat, blieb sie "ihren Fröschen" weiter treu: Unterstützt durch das L'Oréal-Stipendium "For Women in Science" – im Rahmen dessen sie im Frühjahr 2012 erneut in Französisch-Guyana geforscht hat – bereitete sie das kürzlich vom FWF bewilligte Projekt "Fitnessfaktoren bei Arten mit komplexen Lebenszyklen" vor.


Dieser Artikel erschien im aktuellen Forschungsnewsletter der Universität Wien. Lesen Sie auch:
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"Im Projekt soll auf einer Flussinsel in Französisch-Guayana eine Population von Allobates femoralis etabliert werden, um jene Faktoren zu untersuchen, die das Überleben und den Fortpflanzungserfolg eines Tieres maßgeblich beeinflussen", erklärt sie. Die rund fünf Hektar große Flussinsel wurde im Zuge der letzten Feldforschung – an der neben Eva Ringler im Rahmen eines Projektpraktikums auch 13 Studierende der Universität Wien teilnahmen – genau vermessen und kartiert. Da im dichten tropischen Regenwald GPS nicht die benötigte Genauigkeit liefert, wurde die gesamte Kartierung mittels Präzisionskompassen, Stativen und Laserpeilung vorgenommen und als digitale Karte aufbereitet.

Markiert und genetisch erfasst

Über Allobates femoralis liegen bereits umfassende Vorarbeiten der Arbeitsgruppe von Walter Hödl vor – zu verschiedensten Forschungsbereichen wie Biogeographie sowie zum Fortpflanzungs- und Territorialverhalten der Tiere. Darum eignet sich diese Froschart bestens für experimentelle Studien und Langzeituntersuchungen. "Wir haben bereits 1.800 Kaulquappen auf der Flussinsel ausgesetzt. Von jeder einzelnen wird ein genetisches Profil bestimmt: Dadurch können wir jedes Individuum vom Kaulquappen- bis zum Adultstadium genetisch verfolgen", erklärt Ringler ihr Forschungsvorhaben, das sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Evolutionsbiologen Max Ringler, durchführt.

Das Biologen-Ehepaar hat sich auf einer Studienexkursion nach La Gamba, der Forschungsstation der Universität Wien in Costa Rica, kennengelernt. Heute arbeiten beide mit Allobates femoralis, beleuchten allerdings unterschiedliche Aspekte. "Mein Mann widmet sich Fragen des Territorialverhaltens, Wanderbewegungen und der Kommunikation, ich beschäftige mich mit dem Fortpflanzungs- und Brutpflegeverhalten der Frösche", erklärt Ringler: "So können wir ein wirklich breites Themengebiet abstecken und unsere Daten auch wechselseitig nutzen."


Froschlabor an der Universität Wien: Neben dem Freiland in Französisch-Guyana, kann Eva Ringler "ihre Frösche" auch im eigens eingerichteten "Frogroom" im Biozentrum Althanstraße beobachten und studieren, im dem mit rund 28 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit perfekte tropische Verhältnisse herrschen.



Lebenszyklus des Pfeilgiftfroschs

Nach der erfolgreichen Projektbewilligung und der Wahl des idealen Forschungsstandorts, der Flussinsel, ist der nächste Schritt nun die Laborarbeit zur Analyse der Gewebeproben. Dafür wurde jeder Kaulquappe ein kleines Stück der Schwanzspitze entnommen – so erhält Eva Ringler genetische Informationen über jedes Tier: "Das ist wie ein Fingerabdruck."

Dank dieser genetischen Marker können Ringler und ihr Team die gesamte Pfeilgiftfroschpopulation der Flussinsel langfristig verfolgen und auch Stammbäume zwischen aufeinanderfolgenden Generationen rekonstruieren. Ziel ist es zu klären, welche zentralen Faktoren die Fitness eines Individuums bestimmen – Genetik oder Verhalten? In welcher Lebensphase sind die größten "Ausfälle" zu verzeichnen? Wie sehen die verschiedensten Überlebens- und Fortpflanzungsstrategien als erwachsener Pfeilgiftfrosch aus – und welche haben den meisten Erfolg? "Wir sind die ersten, die eine derartige Studie, bei der Individuen über alle Stadien eines Amphibienlebens genetisch verfolgt und analysiert werden, vornehmen", freut sich die junge Forscherin. (td)

Im November 2011 erhielt Eva Ringler das mit mit 20.000 Euro dotierte L’ORÉAL Österreich Stipendium "For Women in Science". Im Rahmen des kürzlich bewilligten FWF-Projekts "Fitnessfaktoren bei Arten mit komplexen Lebenszyklen" wird sie in den kommenden drei Jahren weitere Fragen hinsichtlich des Fortpflanzungs- und Brutpflegeverhaltens der neotropischen Pfeilgiftfroschart Allobates femoralis untersuchen.