"Teile und herrsche" als Form der Rabenpolitik

Kognitionsbiologen der Universität Wien haben gezeigt, dass Raben strategisch in die Beziehung anderer einzugreifen versuchen, indem sie diese immer wieder bei soziopositiven Interaktionen stören. Wer gute soziale Beziehungen und Allianzen besitzt, waltet ganz nach dem Motto "Teile und herrsche".

Eine Ansammlung von Raben wird manchmal als Verschwörung bewertet. Mythologie und Volksglauben schreiben diesen Vögeln übernatürliche Fähigkeiten zu. Tatsächlich zeigt die Forschung der letzten Jahre jedoch, dass Raben über einen außerordentlichen Intellekt verfügen. Die Tiere schließen sich immer wieder zu Gruppen zusammen, in denen sie auch um Machtverhältnisse konkurrieren: Wer gute soziale Beziehungen und Allianzen besitzt, herrscht. Kognitionsbiologen an der Universität Wien und an der Konrad Lorenz Forschungsstelle Grünau konnten zeigen, dass Raben strategisch in die Beziehung anderer einzugreifen versuchen, indem sie diese immer wieder bei soziopositiven Interaktionen stören. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift "Current Biology" publiziert.

Riskante Manöver

Thomas Bugnyar und sein Team untersuchen seit Jahren das Sozialverhalten wildlebender Kolkraben in den österreichischen Alpen. Sie beobachteten, dass bestimmte Vögel durch gegenseitiges Kraulen Beziehungen knüpfen, die auch als Allianzen in Konflikten fungieren. Sie beobachteten aber auch, dass freundliches Kraulen zweier Raben immer wieder von anderen Raben unterbrochen wurde. Obwohl in etwa 50 Prozent solcher Interventionen beide Kraulende getrennt werden konnten, kam es auch immer wieder dazu, dass der Intervenierende gewaltsam vertrieben wurde.


Jorg Massen und Thomas Bugnyar konnten zeigen, dass Raben immer wieder bei soziopositiven Interaktionen stören, um so ihre Machtposition in der Gruppe zu erhalten bzw. weiter auszubauen. (Foto: Jorg J.M. Massen)



Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Interventionen alles andere als zufällig abliefen: Vor allem jene Raben, die bereits über gute Beziehungen verfügten, mischten sich bei anderen ein und zielten dabei auf jene Raben ab, die gerade dabei waren, eine neue Beziehung zu etablieren. "Weil gut in die Gruppe eingebundene Raben soziale Macht haben, können sie sich solche riskanten Manöver leisten", erklärt der Erstautor der Studie, Jorg Massen: "Dabei greifen sie gezielt bei jenen Vögeln ein, die gerade dabei sind, eine neue Allianz zu festigen und somit eine mögliche Konkurrenz werden könnten."

"Politisches Vorgehen"

Massen streicht aber heraus, dass zum Zeitpunkt der Interventionen die betroffenen Vögel noch keine unmittelbare Gefahr für das Machtgefüge der sich Einmischenden darstellen. "Es schaut ganz danach aus, als ob Raben ständig die Beziehungen anderer beobachten und wissen, wann es zu handeln gilt, um mögliche zukünftige Probleme zu verhindern", so Massen: "Sie agieren nicht gleich bei jedem 'Flirt', aber warten auch nicht, bis es zu spät ist". Ein derartiges "politisches" Vorgehen wurde bis jetzt noch bei keiner Tierart beschrieben.

Das Paper "Ravens intervene in others' bonding attempts" (AutorInnen: Massen, J.J.M., Szipl, G., Spreafico, M. & Bugnyar, T.) erschien am 30. Oktober 2014 in "Current Biology".