USA und Österreich: Islamische Bildung im Vergleich
| 07. Februar 2011Die Lebenswelten von MuslimInnen unterscheiden sich von Land zu Land. So sind etwa Bildungsniveau und Wirtschaftsstärke der Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft in den USA höher als in Österreich. Ob und welche Einflüsse die verschiedenen Realitäten auf islamische Bildungsinstitutionen – konfessionelle Schulen, Koranschulen in Moscheen oder Wochenendschulen – in Chicago und Umgebung sowie in Österreich haben, vergleicht der Religionspädagoge Ednan Aslan in einem aktuellen Projekt. Zurzeit forscht er dafür in Chicago – "uni:view" befragte ihn per E-Mail über die Hintergründe der Studie.
Der islamische Religionspädagoge Ednan Aslan gilt als Experte islamischer Bildungsinstitutionen. Dazu zählen in Österreich islamische Volksschulen mit konfessionellem Status und Öffentlichkeitsrecht, islamische Gymnasien mit selbigem Status sowie Koran- und Wochenendschulen in Moscheen. Bereits im Jahre 1998 untersuchte der Bildungs- und Islamwissenschafter die unterschiedlichen pädagogischen Ansätze in diesen Schulen, wobei er einen Fokus auf den Religionsunterricht legte. Dabei stellte er fest, dass der dortige Unterricht nicht die Qualität staatlicher Schulen erreichte.
"Das ist immer noch so. Voraussichtlich können die islamischen Schulen in Österreich diesen Anforderungen auch in naher Zukunft nicht gerecht werden, weil ihnen die Kompetenzen – fachlich und finanziell – fehlen", erklärt Ednan Aslan: "Darüber hinaus ist auch noch nicht beantwortet, was eine Pädagogik eigentlich 'islamisch' macht. Die MuslimInnen müssen ihre Bildungsziele im westlichen Kontext zunächst definieren können, um eine kontextorientierte Erziehung gestalten zu können."
Laut Aslan ist auch der islamische Religionsunterricht noch verbesserungswürdig: "Die letzte Studie über die Qualifikation Islamischer ReligionslehrerInnen in Österreich aus dem Jahr 2009 hat gezeigt, dass es bei uns noch viel zu tun gibt." Denn dem Bildungswissenschafter zufolge soll der Islamische Religionsunterricht nicht nur Religion und islamische Tradition unterrichten, sondern diese vor dem Hintergrund einer pluralistischen europäischen Gesellschaft kritisch beleuchten und analysieren.
In seinem aktuellen Projekt untersucht und vergleicht Ednan Aslan 13 islamische Schulen – staatliche Schulen mit islamischem Religionsunterricht, Wochenend- und Koranschulen – in Chicago und Umgebung, um Methoden und Herangehensweisen des Unterrichts mit jenen von Österreich zu vergleichen. Mit der University of Chicago verbindet Ednan Aslan bereits eine langjährige fachliche Kooperation. Seit über zehn Jahren arbeitet er eng mit KollegInnen und PhD-StudentInnen der University of Chicago zusammen, wo er schon im Jahr 2001 das Projekt "Muslims in Chicago" betreute.
Ednan Aslan im uni:view-Interview: uni:view: Was macht den Vergleich von islamischen Bildungssystemen in den USA und Österreich so interessant? Ednan Aslan: Auch wenn man sicherlich nicht von "dem Islam" sprechen kann, lassen sich doch auch Parallelen zwischen Österreich und Chicago und Umgebung festmachen. So wurden hier wie dort die ersten islamischen Einrichtungen von bosnischen MuslimInnen aufgebaut. Auch die Zahl der MuslimInnen in Chicago und Umgebung und Österreich ist mit rund 500.000 annähernd gleich. Andererseits besteht ein Unterschied darin, dass Bildungsniveau und Wirtschaftsstärke der MuslimInnen in den USA allgemein höher sind. uni:view: Welche Ausrichtung herrscht in islamischen Bildungseinrichtungen vor? Aslan: Die islamischen Schulen – hier meine ich konfessionelle Schulen, im Gegensatz zu den unverbindlichen Koranschulen am Wochenende – in den USA sind teilweise sehr fundamentalistisch orientiert. An einer privaten Schule tragen mehr als 15 Prozent der Mädchen Gesichtsschleier. Wenn man nicht fähig ist, kontextorientierte Konzepte entwickeln zu können, dann sucht man die Rettung in der Tradition. Daher sind die islamischen Schulen in Chicago viel traditioneller als generell in Europa. uni:view: Welche Methoden werden im Unterricht und der Religionsvermittlung in den USA angewandt? Aslan: Gemessen an heutigen pädagogischen Erkenntnissen wird dort Religion in der Regel sehr traditionell und nach veralteten Methoden unterrichtet. Im Zentrum steht das Memorieren der Korantexte. Hier wird sicherlich versucht, den Erwartungen der finanzkräftigen Eltern gerecht zu werden, so dass ihre Kinder den Koran so gut wie möglich auswendig wiedergeben können. Diese Fertigkeit wird als ein hohes Qualitätsmerkmal in der religiösen islamischen Erziehung betrachtet. Die anderen Fächer in konfessionellen Schulen entsprechen dem Curriculum der staatlichen Schulen. uni:view: Was sind die religiösen und kulturellen Charakteristika von islamischen Bildungseinrichtungen in den USA … Aslan: In den USA lebt die Bildungselite der islamischen Welt. Die muslimischen Bildungseinrichtungen genießen folglich mehr Freiheiten, und die Gründung konfessioneller Schulen ist einfacher als in Europa. Unterschiedlich zu Europa ist auch, dass die Schulen dort ohne staatliche Hilfe bestehen müssen. In den USA leben etwa vier bis fünf Millionen MuslimInnen, und die Zahl der muslimischen Schulen im ganzen Land beläuft sich auf etwas über 300. Die Mehrheit der muslimischen Kinder besucht zwar staatliche Schulen, aber wenn es die finanziellen und regionalen Möglichkeiten der Eltern erlauben, dann senden sie ihre Kinder in die islamischen Schulen. 30 Prozent der Kinder an den privaten islamischen Schulen besuchen zusätzlich am Wochenende so genannte Koranschulen. uni:view: … und in Österreich? Aslan: In Österreich haben wir eine andere Situation, hier sind Bildungsniveau und Wirtschaftslage von MuslimInnen nicht so hoch wie in den USA. Eine Mehrheit der muslimischen Kinder an den öffentlichen Schulen in Österreich besucht zusätzlich Koranschulen am Wochenende. In Wien gibt es mit insgesamt fünf konfessionellen Schulen vergleichsweise wenige private islamische Schulen, in den anderen Bundesländern existieren gar keine. Die Zahl der islamischen Schulen in Österreich ist gering und instabil, weil ihnen fachliche, sachliche und finanzielle Kompetenzen fehlen. Für die Zukunft der Muslime in Europa ist es besser, wenn sie eine islamisch-europäische Identität in der Vielfalt der Gesellschaft entwickeln. (td) |
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Das Projekt "Religious education in Mosques and Madrasas in the context of Chicago's Diverse Islamic Communities in Comparison to Austria" wird von der University of Chicago und der Islamic Zakat Foundation finanziert und läuft unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ednan Aslan, M.A. von September 2010 bis September 2012. Univ.-Prof. Dr. Ednan Aslan, M.A. hat seit September 2006 die Professur für islamische Religionspädagogik am Institut für Bildungswissenschaft inne.