Verborgene Vielfalt der Laternenhaie
| 03. Februar 2011Haie sind ein wichtiger Bestandteil der marinen Ökosysteme – nicht nur in Küsten- und Hochseeregionen, sondern auch in der Tiefsee. Dadurch sind auch sie durch die Überfischung der Ozeane und die Erschließung der Tiefsee besonders gefährdet. Eine bisher nahezu unerforschte Haigruppe, die Meerestiefen bis zu zwei Kilometer erobert hat, sind die Laternenhaie. Ihre Anpassung an die unwirtliche Umgebung untersucht Jürgen Kriwet vom Institut für Paläontologie gemeinsam mit Kollegen aus München. Die Ergebnisse erscheinen in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Zoologica Scripta".
Laternenhaie (Etmopteridae) sind eine sehr artenreiche Gruppe biolumineszenter Tiefseehaie, die normalerweise unterhalb 200 m und bis in Tiefen von über 2.000 m vorkommen. Bisher sind 43 Arten bekannt, die alle kleinwüchsig sind und selten eine Körperlänge von einem Meter oder mehr überschreiten. Obwohl die Gruppe als vielfältigste unter den Tiefseehaien gilt, ist nur wenig über ihre Biologie, tatsächliche Artenvielfalt und Verbreitung bekannt.
Zwar werden Laternenhaie nicht gezielt befischt, stellen aber einen großen Anteil des sogenannten Beifangs der Garnelen- und Kaiserbarschfischerei dar und sind wie alle Tiefseefische durch die immer mehr expandierende Hoch- und Tiefseefischerei vom Aussterben bedroht.
Warum dies beim Laternenhai besonders dramatisch ist, erklärt der Paläobiologe Jürgen Kriwet: "Die Gefährdung beruht im Wesentlichen auf der Langlebigkeit der Haie, ihrer späten Geschlechtsreife und der sehr langsamen und geringen Reproduktionsraten. Unterschreitet eine Population eine gewisse Größe, kann sie sich aus eigener Kraft nicht mehr erholen und bricht letztendlich vollständig zusammen."
Mangel an verlässlichen Daten
Bisher wurden keine art- oder populationsspezifischen Daten von Laternenhaien durch die Fischereiindustrie generiert, da dies – wenn überhaupt – nur für ökonomisch wichtige Arten vorgenommen wird. Der unerwünschte Beifang wird entweder zu Fischmehl verarbeitet oder über Bord geworfen.
Zudem ist es schwierig, die Diversität und Populationsgröé von Laternenhaien zu bestimmen, da sich die einzelnen Arten stark ähneln. Weiters fehlen verlässliche Daten, um deren Verbreitungsmuster verschiedener Populationen festzustellen: Während einige als endemisch gelten, wird von anderen Arten eine weltweite Verbreitung angenommen.
Forschung als Basis für Schutzmaßnahmen
Sinnvolle Schutzmechanismen für Laternenhaie, wie z.B. Schutzzonen während der Fortpflanzungsphasen, Beifang-Quoten etc., können aber nur erarbeitet werden, wenn ihre Diversität, geographische Verbreitung und Populationsstruktur auf Grundlage verlässlicher Fakten bekannt sind.
Jürgen Kriwet hat zusammen mit zwei Kollegen von der Zoologischen Staatssammlung München in den vergangenen Jahren eine großangelegte Studie zur Evolution von Tiefseehaien durchgeführt und mit der aktuellen Publikation in dem Fachmagazin "Zoologica Scripta" erstmals eine Studie zur Diversität von Laternenhaien veröffentlicht.
Kryptische Diversität entdeckt
Die Wissenschafter haben Laternenhaie molekulargenetisch untersucht, um ihre Artenvielfalt zu entschlüsseln und ihre Evolution zu verstehen. "Mit Hilfe spezieller Gene und Methoden erkannten wir, dass eine Gruppe sehr ähnlicher Laternenhaie nicht wie bisher nur in zwei Arten einzuteilen, sondern wesentlich artenreicher ist", so der Forscher: "Dieses Faktum wird als 'kryptische Diversität' bezeichnet."
Mit Hilfe des gewonnen Wissens ist es nun erstmals möglich, einen morphologischen Bestimmungsschlüssel für die einzelnen Arten zu erarbeiten. Dieser soll es der Fischerei und der Wissenschaft künftig ermöglichen, verlässliche Daten zu Populationsgrößen und Vorkommen zu generieren. Nur so können Strategien zum Schutz dieser für marine Ökosysteme wichtigen Haie erarbeitet werden. (vs)
Das Paper "Cryptic diversity and species assignment of large lantern sharks of the Etmopterus spinax clade from the Southern Hemisphere (Squaliformes, Etmopteridae)" (Autoren: Nicolas Straube, Jürgen Kriwet und Ulrich Kurt Schliewen) erschien im September 2010 im Journal "Zoologica Scripta".