Von gestörten Steinen und schwarzem Gold
| 15. November 2010Ein Plastiksack gefüllt mit Sand, ein runder Bohrkern aus Kalkstein sowie grauer, kantiger Sandstein: Stolz zeigt die Geologin Ulrike Exner die verschiedenen Gesteinsproben auf ihrem Schreibtisch. Seit März 2010 untersucht die Elise-Richter-Stipendiatin sogenannte "Deformationsbänder". Was innerhalb dieser Bruchzonen passiert - die bei genauerem Hinsehen auch auf den präsentierten Gesteinsproben zu erkennen sind - und warum sich die Ölindustrie dafür interessiert, ist das Thema ihres dreijährigen FWF-Projekts.
Obwohl dem Sandkastenalter längst entwachsen, begibt sich Ulrike Exner vom Department für Geodynamik und Sedimentologie immer wieder in diverse Sandgruben. In St. Margareten bei Eisenstadt ist die Geologin fündig geworden: Sie hat poröses Gestein mit Bruchlinien - sogenannte Deformationsbänder - entdeckt. Die Poren, die kennzeichnend für den Kalkstein sind, verschwinden entlang der Bruchlinien: Das Gestein verdichtet sich und kann Öl oder Gas daran hindern, weiter an die Erdoberfläche zu wandern. Was innerhalb dieser Bruchlinien genau vor sich geht, will Ulrike Exner im Rahmen des Elise-Richter-Projekts "Mechano-chemische Feedback-Prozesse in Deformationsbändern" herausfinden.
"Deformationsbänder sind Bruchzonen", schildert die Elise-Richter-Stipendiatin, "entlang derer sich das Gestein gegeneinander bewegt." Unter dem Rasterelektronenmikroskop untersucht Ulrike Exner, was dabei genau passiert: "Innerhalb der Bruchzonen sind die Körner viel kleiner als sonst, da sie gegeneinander zerrieben werden und zerbrechen." Auf diese Weise verringert sich das Porenvolumen und die Stelle wird dichter. "Anders als bei kompaktem Gestein stellt eine Bruchstelle bei porösem Gestein keine glatte Linie dar", erklärt die Geologin.
Warum sich Steine verändern ...
Das gesamte Wiener Becken - das an großen Bruchzonen entstanden ist - besteht vorwiegend aus porösem Gestein. "Das Öl, Gas oder Wasser, das sich im Wiener Becken befindet, kann durch solche Störungszonen zurückgehalten werden", so die Expertin. Anders als andere Bruchzonen kann man diese jedoch nicht durch konventionelle - wie zum Beispiel seismische - Methoden erkennen, da es sich bei Deformationsbändern um Versetzungen im Zentimeter- oder Millimeterbereich handelt. "Wir müssen einzelne Bohrkerne untersuchen und in Sandgruben blicken, um zu verstehen, wie das Gestein in der Tiefe beschaffen ist", erklärt Exner.
Unter dem Mikroskop erkennt sie, warum sich die Zone verdichtet, welche Minerale vorhanden sind und ob sie sich chemisch umwandeln: "Auf diese Weise sehen wir, welche Prozesse in den Gesteinen ablaufen und wie sich die Gesteinseigenschaften ändern." Es ist das erste Mal, dass dies im Wiener Becken genauer untersucht wird, wobei sich auch ein österreichischer Energiekonzern für die Forschungsergebnisse interessiert: "Für die Gas- oder Erdölförderung ist es besonders wichtig zu wissen, wo solche verdichtete Zonen liegen", betont die Geologin.
... und Körner zerbrechen
Im Kalkstein ist das Deformationsband mit bloßem Auge erkennbar. Anders beim Sand, der sich lose in der Sandgrube bzw. jetzt im Plastiksäckchen auf Exners Schreibtisch befindet: Um diesen zu untersuchen, mussten sich die Forscherin und ihr Team etwas Besonders einfallen lassen. "Bei minus zehn Grad haben wir in einer Sandgrube Sand mit Wasser besprüht, das Gemisch gefrieren lassen und ins Labor transportiert." Anschließend konnte die Geologin den harten - durch Harz konservierten - Sand in 30 Mikrometer dicke Scheiben schneiden und unter das Elektronenmikroskop legen: Sie will dadurch die Frage klären, woher der Druck kommt, der einzelne Sandkörner zerbrechen lässt. "Diese Strukturen sind ein relativ offenes Forschungsfeld", so Exner, die im Laufe der nächsten drei Jahre untersuchen wird, welche mechanischen und chemischen Kräfte zu solchen Störungen führen können.
"Am Ende des Projekts wollen wir auch die umstrittene Frage, ob diese Brüche durch ein Erdbeben oder ein langsames Kriechen entstanden sind, beantworten können", meint die erfolgreiche Nachwuchswissenschafterin, die die Störungszonen im Wiener Becken zu ihrem Forschungsschwerpunkt erkoren hat. (ps)
Im Rahmen einer Elise-Richter-Stelle forscht Mag. Dr. Ulrike Exner vom Department für Geodynamik und Sedimentologie zum Thema "Mechano-chemische Feedback-Prozesse in Deformationsbändern". Das FWF-Projekt läuft von März 2010 bis Februar 2013.