Wie alt Nervenzellen im menschlichen Riechkolben sind
| 24. Mai 2012Der "Riechkolben" – an der vorderen Basis des Gehirns angesiedelt – ist die zentrale Schaltstelle für olfaktorische Reize und das Ziel von neu gebildeten Nervenzellen. Isotopenforscher Jakob Liebl fand heraus, dass diese Zellen beim Menschen bereits bei der Geburt vollständig vorhanden sind.
Bis heute war unklar, in welchem Ausmaß eine, für wesentliche Aspekte unseres Geruchssinns wichtige, Neubildung von Nervenzellen auch im erwachsenen Menschen stattfindet. Anosmie, der Verlust des Geruchssinns, ist eine häufig auftretende und frühe Begleiterscheinung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson. Es wird vermutet, dass dies in Zusammenhang mit einer reduzierten Neubildung von Nervenzellen im erwachsenen Riechkolben steht.
Interdisziplinäre schwedisch-österreichische Kooperation
In Kooperation mit MedizinerInnen und MikrobiologInnen am Karolinska Institut in Schweden entdeckte der Physiker Jakob Liebl, dass die Neubildung von Nervenzellen im Riechkolben beim Menschen vollständig bis zur oder kurz nach der Geburt abgeschlossen ist. Eine Erneuerung, falls eine solche überhaupt stattfindet, betrifft innerhalb von 100 Jahren weniger als ein Prozent der Nervenzellen. Für die Gesamtheit aller anderen Zellen im Riechkolben des Menschen konnte Liebl eine verschwindend kleine Erneuerungsrate von rund 2 bis 3,4 Prozent pro Jahr feststellen.
Das Alter menschlicher Zellen kann durch Messung der extrem niedrigen Konzentration des radioaktiven Kohlenstoffisotops C-14 in deren DNA untersucht werden. C-14 hat eine Halbwertszeit von circa 5.700 Jahren und wird auf natürliche Weise durch kosmische Strahlung in der äußeren Atmosphäre der Erde erzeugt.
Besondere Herausforderung: Aufspüren von C-14 in der DNA
Im menschlichen Riechkolben sind einige Millionen Nervenzellen angesiedelt. Diese können mittels Fluoreszenzfarbstoffen markiert und von anderen Zellen getrennt werden. Durch Messung des C-14-Gehalts in der DNA dieser Zellen kann deren Alter bestimmt werden. Da in der Natur nur sehr wenig C-14 vorhanden ist, ist die Bestimmung des C-14-Gehalts in sehr kleinen Proben eine besondere Herausforderung. Durchschnittlich befindet sich in der DNA von zehn Zellen nur ein einziges C-14-Atom.
VERA macht es möglich
Bei einer C-14 Messung mittels Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS) werden an der Universität Wien am Vienna Environmental Research Accelerator (VERA) einzelne C-14 Atome gezählt. Die bei VERA entwickelte Methodik erlaubt es, den C-14 Gehalt in Mikrogramm-Proben zu untersuchen. Dies war eine wesentliche Voraussetzung, um eine kleine Hirnregion, wie das Riechzentrum im Menschen, erfolgreich untersuchen zu können. Die Entwicklungen dazu führte Jakob Liebl im Rahmen seiner Dissertation unter Anleitung von Walter Kutschera, emeritierter Universitätsprofessor für Isotopenforschung, und Assistenzprofessor Peter Steier durch. (af)
Das Paper "The age of olfactory bulb neurons in humans" (AutorInnen: Olaf Bergmann, Jakob Liebl, Samuel Bernard, Kanar Alkass, Maggie S.Y. Yeung, Peter Steier, Walter Kutschera, Lars Johnson, Mikael Landén, Henrik Druid, Kirsty L. Spalding und Jonas Frisén) erschien online am 24. Mai 2012 in der Fachzeitschrift "Neuron"