Wie Weichtiere entstehen

Weichtiere entstehen ähnlich wie Wirbeltiere, berichten ForscherInnen der Uni Wien. Auch bei ihnen werden die "Hox-Gene" entlang der Körperlängsachse ausgeprägt und zeitlich teils so eingeschaltet, wie sie auf dem Erbgut angeordnet sind, erklären sie im Fachblatt "Proceedings B".

"Hox-Gene sind in der Evolution sehr früh entstanden und daher bei vielen Tieren von Korallen bis hin zum Menschen vorhanden", so Andreas Wanninger vom Department für Integrative Zoologie der Universität Wien. Sie werden in der Regel zeitlich in der Entwicklung der Tiere und auch räumlich von vorne nach hinten genau in jener Reihenfolge abgelesen, in der sie auf dem Erbgut angelegt sind. Diesen Zusammenhang nennt man "kolineare Expression". Eine Ausnahme schienen jedoch die Mollusken (Weichtiere) zu sein: Bei ihnen fand man dieses präzise Muster nicht, sondern man sah stattdessen, dass die Hox-Gene in bestimmten Organen aktiv sind, an deren Entwicklung sie sich beteiligen.

Andreas Wanninger leitet das Masterstudium Zoologie an der Uni Wien. Studierende lernen dabei, wissenschaftliche Fragestellungen zu erschließen und wissenschaftliche Arbeiten selbständig anzufertigen, bei denen tierische Organismen im Zentrum stehen. AbsolventInnen haben theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen der empirischen Methoden im Rahmen wissenschaftlicher Theorien und Konzepte. 

Ein Team um Wanninger und seinen Mitarbeiter Tim Wollesen entdeckte aber bei "Kahnfüßern" (Scaphopoden), dass in einem sehr kurzen Zeitfenstern in Larvenstadien die kolineare Expression der Hox-Gene sehr wohl vorhanden zu sein scheint. "Kahnfüßer sind Weichtiere, die vom Flachwasser bis in mehrere tausend Meter Tiefe im Meeresboden vergraben leben", so Wollesen: "Sie besitzen eine Schale, die aussieht wie ein Elefantenstoßzahn, haben keinen ausgeprägten Kopf, aber eine deutlich erkennbare Fuß-Region mit Hunderten Tentakeln". Daraufhin habe man sich die Situation bei Tintenfischen, Schnecken und Muscheln noch einmal genauer angesehen, und auch dort eine gestaffelte Aktivierung der Hox-Gene gefunden.

Grund für die Vielfalt

Diese Funktion ist also bei den Weichtieren nicht komplett verloren gegangen, erklärte Wanninger. Stattdessen ist ihre ursprüngliche Aufgabe, die Körperlängsachse auszubilden, erhalten geblieben, die Hox-Gene wurden aber für zusätzliche Aufgaben wie die Bildung von Schalen und Larven-Merkmalen rekrutiert. Sie haben also bei Weichtieren neue Funktionen dazugewonnen. Dies ist vielleicht mitverantwortlich dafür, dass es bei diesen Tieren eine enorm große Vielfalt so unterschiedlicher Gruppen wie wurmartige Vertreter, Schnecken, Muscheln, Kahnfüßer und Tintenfische gibt, meint der Zoologe. (APA/red)


Die Publikation "Staggered Hox expression is more widespread among molluscs than previously appreciated" (AutorInnen: Tim Wollesen, Sonia Victoria Rodríguez Monje, André Luiz de Oliveira, Andreas Wanninger) erschien am 10. Oktober 2018 in "Proceedings B" der Royal Society.