Zahlen Sie brav Ihre Steuern – und wenn ja, warum?
| 20. Januar 2016Gibt es das absolute Wohlfühl-Klima, damit ich als BürgerIn gerne meine Steuern bezahle? Dieser und anderen Fragen geht ein Team von Psychologinnen der Universität Wien nach. Und stellt fest: Strafen und Kontrollen sind dabei genauso wichtig wie Vertrauen.
Das Themenfeld der Steuerehrlichkeit beschäftigt die Psychologie an der Universität Wien bereits seit rund einem Jahrzehnt. Erich Kirchler, Vizedekan der Fakultät für Psychologie, hat in seinem "Slippery Slope Framework" von 2007/08 einen ersten Erklärungsansatz geliefert, welche Möglichkeiten die Steuerbehörde hat, uns SteuerzahlerInnen zu beeinflussen.
Darin geht er davon aus, dass sowohl Macht in Form von Kontrollen und Strafen als auch Vertrauen die Steuerehrlichkeit erhöhen, sich die Qualität der Befolgung aber unterscheidet. Vereinfacht gesagt: Im ersten Fall sehe ich mich gezwungen zu zahlen, im zweiten mache ich es freiwillig.
Das "Slippery Slope Framework" (Grafik und Publikation: E. Kirchler, F. Hoelzl & I. Wahl 2008) geht von zwei Interaktionsklimata aus, die zu Steuerehrlichkeit führen: Im antagonistischen Klima nehmen sich SteuerzahlerIn und Steuerbehörde als Gegner wahr: Die Behörde sieht uns SteuerzahlerInnen als "Räuber", während wir uns von der Behörde verfolgt fühlen. Vertrauen hingegen führt zu einem Kooperationsklima, in dem Behörde und BürgerInnen wohlwollend zusammenarbeiten und Steuern freiwillig gezahlt werden.
Ausweitung des Modells
Experimente im Labor haben schließlich gezeigt, dass dieses Entweder-Oder zu kurz greift. "An diesem Punkt sind wir aufgesprungen, um das Modell weiterzuentwickeln", erzählt Eva Hofmann vom Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft.
Gemeinsam mit den Projektmitarbeiterinnen Katharina Gangl und Barbara Hartl hat sie in einem dreijährigen FWF-Projekt herausgefunden, dass es verschiedene Arten sowohl von Macht als auch von Vertrauen gibt und diese ineinander spielen. Je nach Ausprägung der Faktoren herrschen verschiedene gesellschaftliche Klimata vor, die sich positiv oder negativ auf die Steuerehrlichkeit auswirken.
Wie viele ÖsterreicherInnen tatsächlich Steuern hinterziehen, lässt sich schwer quantifizieren. Fest steht zumindest, dass Österreich zu den EU-Ländern gehört, in denen die Steuerehrlichkeit besonders hoch ist. Eva Hofmann: "Erklärt wird das zumeist mit den guten Leistungen, die der Staat bietet – wie Schulen, Krankenhäuser, Pensionen – sowie der geringen Korruption." (Foto: iStock)
Vertrauen ist gut …
In ihren Untersuchungen unterscheiden die Psychologinnen der Universität Wien zwei Arten von Vertrauen: begründetes und implizites. Begründetes Vertrauen liegt vor, wenn eine Person eine rationale Entscheidung trifft, jemand anderem zu vertrauen. "Wenn ich einer Behörde automatisch vertraue, spricht man im Unterschied dazu von implizitem Vertrauen, das sofort da ist, ohne dass ich hinterfrage", erklärt Eva Hofmann.
Führt denn nun Vertrauen bei einem abgeschwächten Machtverhältnis – wie dies Erich Kirchler in seinem Modell angenommen hatte – zwangsläufig zu höheren Steuerzahlungen? Laborstudien brachten diesbezüglich überraschende Ergebnisse, denn je nach Untersuchungsgruppe variierten die Auswirkungen: "Bei der Gruppe der Studierenden ist es tatsächlich so, dass sie angaben, im Vertrauensklima ehrlicher zu sein als im antagonistischen Klima, in dem die Behörden die SteuerzahlerInnen zu Ehrlichkeit 'zwingen'. Die gleichen Studien führten wir mit Selbstständigen durch und dort ist kein Unterschied in den Zahlungen vorhanden", berichtet Katharina Gangl.
Welche Klimata hinsichtlich Steuerehrlichkeit herrschen in Österreich vor? Um das zu beantworten, haben Katharina Gangl, Eva Hofmann und Barbara Hartl ein breites Methoden-Spektrum angewandt: neben Labor-, Feld- sowie Onlineexperimenten, Fragebögen und einer neuropsychologischen Studie auch Interviews mit Studierenden, SteuerprüferInnen bzw. -zahlerInnen und Selbstständigen aus Österreich und den Niederlanden. (Foto: Universität Wien)
… Kontrolle ist besser?
Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Forschungsprojekts ist es aber, dass "die Bestrafungsmacht, die wir eigentlich immer als etwas Negatives angesehen haben, eben nicht Vertrauen zerstört, wenn sie als der 'gute Riese' wahrgenommen wird, der unser System beschützt. Kontrollen, die eingesetzt werden, um die 'Bösen' wie Steuerhinterzieher zu identifizieren, verlieren ihren Schrecken und schaffen ein Vertrauensklima", resümiert Eva Hofmann.
Funktioniert der Mechanismus, durch Autorität zu Gruppenkooperation in einem Vertrauensklima zu gelangen, nur im Falle des Behördenwesens? Oder lässt sich das Modell auch auf andere Kontexte übertragen? Das sollen Nachfolgeprojekte zeigen, in denen es etwa im Zusammenhang mit Versicherungsbetrug, illegalem Musikdownload, Umweltschutz oder kollaborativem Konsum überprüft wird, denn "das ist eine Herzensangelegenheit für uns", so Barbara Hartl.
Das "erweiterte Slippery Slope Framework" (Grafik und Publikation: K. Gangl, E. Hofmann & E. Kirchler 2015) geht davon aus, dass die beiden Formen von Macht und deren Intensität unterschiedlichen Einfluss auf Vertrauen und auf das Steuerverhalten ausüben. Coercive Macht reduziert Vertrauen, wohingegen legitime Macht Vertrauen erhöht.
Ohne Macht geht's auch – Patriotismus und Service
Experimente im Rahmen des Projekts haben zudem einige weitere Faktoren identifiziert, die sich auf Steuerehrlichkeit auswirken. Etwa patriotische Gefühle: "Hier ist keine Macht notwendig, denn da geht den Leuten das Herzerl auf", schmunzelt Katharina Gangl und warnt gleichzeitig: "Aber ohne kritischen Diskurs kann es hinsichtlich nationalistischer Tendenzen gefährlich sein."
Letztlich haben sowohl Forschungen als auch Praxisbeispiele u.a. in den Niederlanden gezeigt, dass die Unterstützung des Steuerzahlers durch die Behörde – u.a. durch die Verbesserung der Serviceleistungen oder des medialen Auftritts – ein deutliches Mehr an Steuerzahlungen um zwei Prozent bringt. So gibt es bereits unter dem Begriff "Horizontal Monitoring" erfolgversprechende Pilotprojekte mit 15 österreichischen Unternehmen, bei denen die Behörde nicht mehr kontrolliert, sondern auf Augenhöhe zusammengearbeitet wird.
"Wir sind auf jeden Fall in Kommunikation mit der Steuerbehörde", sagt Eva Hofmann auf die Frage, ob diese denn die Projektergebnisse umsetzen würde. "Und ja, sie lässt sich schon von uns inspirieren, indem sie etwa versucht, den Servicegedanken aufzugreifen und Flyer und Broschüren anzupassen." Wohin diese Inspiration sonst noch führen wird, wird sich wohl in den nächsten Jahren zeigen. (kb)
Das vom FWF geförderte Projekt "Der Einfluss der Macht der Steuerbehörde auf das Vertrauen in die Steuerbehörde und Konsequenzen für den Steuerbeitrag. Erweiterung und empirische Überprüfung des Slippery Slope Frameworks" wird im Frühjahr 2016 abgeschlossen. Es wird vom Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft der Universität Wien unter der Leitung von Dr. Eva Hofmann durchgeführt.