Zurück in die Forschung

Der "Back-to-Research Grant" geht an Wissenschafterinnen der Universität Wien, die ihre Karriere aufgrund von Kinderbetreuung unterbrochen haben. Insgesamt vier Stipendiatinnen forschen im Rahmen des Programms an der Fakultät für Lebenswissenschaften.

Das Stipendienprogramm "Back-to-Research" richtet sich an Postdoktorandinnen, die ihre wissenschaftliche Tätigkeit aufgrund von Pflege- oder Betreuungsaufgaben im Familienumfeld reduziert bzw. unterbrochen haben. Der Back-to-Research Grant bietet die Möglichkeit an Forschungsanträgen und Publikationen zu arbeiten, um einen Wiedereinstieg in die Wissenschaft zu fördern.

Im Interview erzählen die aktuellen vier Stipendiatinnen an der Fakultät für Lebenswissenschaften – Didone Frigerio (CF Konrad Lorenz Forschungsstelle für Verhaltens- und Kognitionsbiologie), Maria Hellwig (Department of Neurobiology), Andrea Grill (Department für Botanik und Biodiversitätsforschung) und Victoria Klang (Department für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie) – mehr über ihre aktuellen Forschungsprojekte und wie ihnen dabei der Grant Unterstützung bietet.

Didone Frigerio forscht an der Konrad Lorenz Forschungsstelle für Verhaltens- und Kognitionsbiologie. Die größte Herausforderung in punkto Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Karriere und Familie? "Die erfolgreiche Verfolgung der eigenen kurz- und langfristigen Ziele unter Berücksichtigung der Erwartungen der anderen Familienmitglieder", so Frigerio.

Frau Frigerio, Sie haben 2016 den Back-to-Research Grant erhalten – was ermöglicht Ihnen diese Förderung?
Didone Frigerio: Die finanzielle Unterstützung durch den Back-to-Research-Grant erlaubt es mir, die im vergangenen Jahr gesammelten wissenschaftlichen Daten fertig auszuwerten und zu publizieren. Die internationalen Veröffentlichungen sollen die Grundlage für die Einreichung weiterer eigener Forschungsprojekte schaffen und - zusammen mit meiner Lehrtätigkeit meine Habilitation - ermöglichen.

An welchem Forschungsprojekt arbeiten Sie im Moment?
Frigerio: Derzeit leite ich das Projekt "Sozialer Zusammenhalt und Ausflugsgebiet beim Waldrapp". Wissenschaftliche Ziele sind die Ermittlung des Ausflugsgebietes der Kolonie mittels GPS/GMS Sender, das Monitoring des physiologischen Zustands der Tiere durch regelmäßige Blutabnahmen und Kotsammlung sowie die Erhebung zusätzlicher Daten über die Rangordnung und das soziale Netzwerk mittels klassischer Verhaltensbeobachtungen. Erste Ergebnisse zeigen, dass nicht-brütende Vögel signifikant weitere Strecken fliegen als brütende Waldrappe und sozio-positive Interaktionen die individuelle Parasitenbelastung mindern können. Auch zeigt sich, dass verpaarte Individuen weniger Endoparasiten ausscheiden als unverpaarte Waldrappe.

Maria Hellwig forscht am Department für Neurobiologie. Für sie liegt eine große Herausforderung bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie in der Auslandserfahrung: "Für die 'typische' Laufbahn als Wissenschafterin oder Wissenschafter ist es üblich, ein paar Jahre in einer Arbeitsgruppe im Ausland zu arbeiten. Diese Erfahrung werde ich wohl in mehreren kürzeren Etappen sammeln."

Frau Hellwig, Sie haben 2016 den Back to Research Grant erhalten – was ermöglicht Ihnen diese Förderung und an welchem Projekt arbeiten Sie derzeit?
Maria Hellwig: Der Back-to-Research Grant ermöglicht es mir, meine wissenschaftliche Arbeit weiterzuführen, die ich für die Geburt meiner Kinder und die Pflege meiner Mutter unterbrochen habe. Meine wissenschaftliche Tätigkeit beginnt damit, einen Forschungsantrag zu verfassen, der die Finanzierung für ein Projekt sichert, das an meine vorangegangen Arbeit anschließt. Es geht dabei um die Kodierung von Futterdüften im peripheren Geruchssystem von Insekten. Für diese Untersuchungen wurde im Labor von Harald Tichy ein einzigartiges Durchfluss-Olfaktometer entwickelt, das Duftreize erzeugt und präsentiert, die bisher nicht getestet werden konnten.

Women in Biology
Wissenschafterinnen sind gegenwärtig an der Fakultät für Lebenswissenschaften – besonders in der Biologie – unterrepräsentiert. Ziel der Women in Biology Initiative ist es die Ursachen zu erforschen, die dieser Situation zu Grunde liegen, und die Karriereentwicklung von Wissenschafterinnen auf allen Karriereebenen zu unterstützen. Die Vision ist ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis an der Fakultät. Weitere Informationen

Die Initiative Women in Biology hat aktuelle Daten zur Verteilung von Männern und Frauen im wissenschaftlichen Karriereverlauf erhoben. Wo sehen Sie den Knackpunkt dafür, dass die Schere nach dem PhD-Abschluss extrem gegenläufig auseinandergeht?
Hellwig: Spätestens nach dem PhD-Abschluss ist es Zeit, sich für oder gegen eine Laufbahn in der Forschung zu entscheiden. Aus meinem Umfeld und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich viele Frauen gegen eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden, weil eine Zukunft in der Forschung in Österreich sehr unsicher ist. Die meisten Arbeitsstellen in der Forschung an der Universität Wien sind projektbasiert und damit auf ein bis drei Jahre begrenzt. Danach steht entweder das nächste Projekt in den Startlöchern oder der Gang zum AMS bevor. 2016 wurden gerade einmal ein Viertel der eingereichten Einzelprojekte vom FWF bewilligt. Diese Unsicherheit ist für Frauen riskant, vor allem wenn sie Kinder bekommen.

Andrea Grill forscht am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung. Über den oft unterschiedlichen Karriereverlauf von Männern und Frauen in der Wissenschaft sagt sie: "Ich denke, wirklich gescheite Frauen haben oft nicht die Geduld, die endlosen Wartezeiten, die das Universitätsleben mit sich bringt, auszuhalten. Die reüssieren woanders. Vielleicht müsste man betonen, dass Wissenschaft auch ein großes Vergnügen sein kann (und sein darf)."

Frau Grill, Sie haben 2016 den Back to Research Grant erhalten – was ermöglicht Ihnen diese Förderung?
Andrea Grill: Die Förderung ermöglicht mir, mich zwölf Monate lang mit der Entwicklung meiner wissenschaftlichen Karriere zu beschäftigen.

An welchem Forschungsprojekt arbeiten Sie im Moment?
Grill: Ich stelle einerseits eine Arbeit zur Mobilität hochalpiner Mohrenfalter im Nationalpark Hohe Tauern fertig. Da geht es darum zu beobachten, was die Tiere tun, wenn sie die Grenzen ihres Habitats erreichen. Drehen sie um oder fliegen sie weiter? Die grundlegende Frage, die mich dabei interessiert, ist, warum manche Arten naturgemäß ein sehr kleines Verbreitungsgebiet haben. Und warum sie das, auch bei scheinbar günstigen Bedingungen rundum, nicht ausdehnen. Ein größeres Projekt, das ich derzeit vorbereite, beschäftigt sich mit Alterungsprozessen bei Tagfaltern (Maniola jurtina). Manche Arten sind imstande, überraschend flexibel mit ihrer Lebenszeit umzugehen und sie je nach Umweltbedingungen zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Ich möchte herausfinden, wie die Falter das machen.

Die Initiative Women in Biology hat aktuelle Daten zur Verteilung von Männern und Frauen im wissenschaftlichen Karriereverlauf erhoben. Wo sehen Sie den Knackpunkt dafür, dass die Schere nach dem PhD-Abschluss extrem gegenläufig auseinander geht?
Grill: In der wissenschaftlichen Community finden meiner Erfahrung nach vor allem Leute zur Professur, die einen recht geradlinigen Karriereverlauf haben. Bis zum PhD ist diese Geradlinigkeit noch halbwegs gut aufrecht zu erhalten, auch für Frauen. Sobald das Doktorat abgeschlossen ist, stellen sich viele Frauen eine recht persönliche biologische Frage: Will ich ein Kind? Ein Kind setzt vieles in eine neue Perspektive und lässt – mir ging es zumindest so – das extreme Setzen auf "Exzellenz", die vorwiegend in der Anzahl von Fachpublikationen in englischsprachigen Journals gemessen wird, absurd erscheinen.

Da will eine Frau dann vielleicht auch einmal etwas anderes ausprobieren, sie sieht sich auch beruflich einmal außerhalb des universitären Umfelds um. Oder schreibt ein Buch. Da läge es dann auch an den Peers, so etwas wirklich gut zu finden, und die Frau nicht, nur weil sie sich anderswo umgeschaut hat, direkt in der ersten Runde auszusortieren.

Victoria Klang forscht am Department für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie. Sie persönlich sieht die größte Herausforderung Wissenschaft und Familie zu vereinbaren darin "Arbeit und Privatleben so zu trennen, dass in beiden Bereichen ohne Zeitdruck die Freude an der Sache im Vordergrund steht."

Frau Klang, Sie haben 2016 den Back to Research Grant erhalten – was ermöglicht Ihnen diese Förderung?
Victoria Klang: Der Back to Research Grant ermöglicht mir nach meiner Babypause einen familiengerechten Wiedereinstieg in die Wissenschaft. 

An welchem Forschungsprojekt arbeiten Sie im Moment?
Klang: Meine Arbeit beschäftigt sich mit der Hautpenetration von Arzneistoffen und pharmazeutischen Hilfsstoffen bzw. deren Interaktion mit der Haut. Meine derzeitigen Forschungsziele betreffen die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffabgabesystemen und der Haut mittels spektroskopischer Methoden. Diese Daten liefern auch wertvolle Informationen bezüglich des Hautreizungspotentials der verwendeten Substanzen, da Effekte auf molekularer Ebene sichtbar gemacht werden können. Besonderes Augenmerk möchte ich auch auf die Erforschung von Haut- und Schleimhautreizung legen.

Die Initiative Women in Biology hat aktuelle Daten zur Verteilung von Männern und Frauen im wissenschaftlichen Karriereverlauf erhoben (siehe obenstehender Artikel). Wo sehen Sie den Knackpunkt dafür, dass die Schere nach dem PhD-Abschluss extrem gegenläufig auseinander geht?
Klang: Wissenschaftliche Karrieren verlaufen traditionell nach einem Schema, in dem Pausen zur Familiengründung bzw. Teilzeitoptionen nicht vorgesehen sind. Lösungsansätze sehe ich in Stipendien, einem umfassenden Angebot zur Kleinkindbetreuung sowie einer größeren Anzahl an unbefristeten Forschungsstellen.

Lesen Sie HIER die Interviews in voller Länge.

Im Auftrag des Rektorats wurden für das Jahr 2016 über die Abteilung Gleichstellung und Diversität universitätsweit sieben Back to Research Stipendien ausgeschrieben. Davon gingen zwei Stipendien an die Fakultät für Lebenswissenschaften (Andrea Grill und Victoria Klang). Zwei weitere Stipendiatinnen werden in diesem Programm 2016 aus Mitteln der Fakultät gefördert (Didone Frigerio und Maria Hellwig).