Katharina Groß: "Mut haben, andere Wege zu gehen"
| 14. Oktober 2019"Es gibt viele Wege, um guten Chemieunterricht zu planen und durchzuführen", so Katharina Groß, seit 2018 Professorin für Didaktik der Chemie an der Uni Wien. Im Interview erzählt sie, was ihr in Forschung und Lehre wichtig ist und warum man mit Begeisterung für sein Fach viel erreichen kann.
uni:view: Sie sind – nach Ihrer Juniorprofessur an der Universität zu Köln – nun seit April 2018 Professorin für Didaktik der Chemie. Was ist der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit an der Universität Wien?
Katharina Groß: Die Entwicklung und Erforschung von fachdidaktischen Professionalisierungsprozessen angehender Chemielehrender: Ich gehe der Frage nach, wie wir es ermöglichen können, dass Studierende frühzeitig sowohl ein theoretisches Grundlagenwissen als auch ein praktisches Handlungs- und Reflexionswissen aufbauen können, um den aktuellen Herausforderungen in Schule und Chemieunterricht angemessen zu begegnen. Dafür ist es wichtig, dass wir den Studierenden entsprechende Lerngelegenheiten an der Hochschule bereitstellen, die sowohl den individuellen Chemielernenden als auch die fachliche Perspektive des Unterrichtsfaches Chemie gleichermaßen in den Blick nehmen. Mit dem Aufbau und der Implementation des Schülerlabors und Lehr-/Lernlabors "ELKE AUSTRIA" an der Universität Wien sind wir einen ersten Schritt gegangen, damit die Studierenden ihre chemiedidaktischen Kompetenzen in einem vor Lerndruck geschützten Raum entwickeln, erweitern und reflektieren können. Gleichzeitig ist es in diesem Lernsetting möglich, chemiespezifische Lernprozesse der an ELKE teilnehmenden Schüler*innen zu erforschen – z.B. ihren fachlichen Lernzuwachs durch bestimmte Differenzierungsangebote oder ihre experimentellen Kompetenzen.
"Wir brauchen gute LehrerInnen, damit SchülerInnen in Zukunft an den großen gesellschaftlichen Fragen kompetent teilhaben können. Dafür brauchen LehrerInnen eine gute naturwissenschaftliche Grundbildung", sind sich die Fachdidaktikerinnen Katharina Groß, Andrea Möller und Claudia Angele im Video einig. Im Rahmen ihrer gemeinsamen Antrittsvorlesungen blicken sie auf zukünftige fächerverbindende Forschungs- und Lehrperspektiven sowie Unterrichtsentwicklungsprojekte.
uni:view: Was waren wichtige Meilensteine in Ihrem Werdegang? Was hat sie besonders geprägt?
Groß: Eigentlich war ich mir immer sehr sicher, dass ich nach meinem Studium Lehrerin werde. Von daher war es schon wegweisend, als mich meine Doktormutter damals gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, bei ihr zu promovieren. Ebenso haben mich auch mein anschließendes Referendariat und meine Lehrtätigkeit an der Schule sehr geprägt, da ich dadurch den theoretischen Blick um eine wichtige praxisorientierte Perspektive für Forschung und Lehre erweitern konnte. Natürlich ist auch der Ruf an die Universität Wien ein wichtiger Meilenstein in meinem Werdegang, den ich nicht missen möchte.
uni:view: Sie haben an der Universität zu Köln studiert. Welche Momente sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Groß: Ich habe ja nicht nur an der Universität zu Köln Chemie, sondern auch an der Deutschen Sporthochschule Köln Sport studiert. Neben zahlreichen schönen Momenten in jedem der beiden Studienfächer ist mir aber besonders die Kombination beider in guter Erinnerung geblieben. Es gab Dinge, die einfach ganz verschiedene Ansprüche an mich gestellt haben, aber – das mag vielleicht auf den ersten Blick nicht so erscheinen – es gab auch zahlreiche Momente, wo ich in dem einen Fach von dem Wissen aus dem anderen profitiert habe.
uni:view: Was ist Ihnen in Forschung und Lehre wichtig?
Groß: Offen zu sein, neugierig zu bleiben und auch mal den Mut zu haben, andere Wege zu gehen. Ich bin davon überzeugt, dass man mit der Begeisterung für sein Fach und der nötigen Ausdauer viel erreichen kann.
uni:view: Was geben Sie Ihren Studierenden mit, um sie auf ihre Aufgabe als künftige LehrerInnen bestmöglich vorzubereiten?
Groß: Mir ist vor allem wichtig, dass die Studierenden erkennen, dass es nicht den einen guten Chemieunterricht gibt. Vielmehr gibt es viele Wege, einen guten Chemieunterricht zu planen und durchzuführen. Mir ist wichtig, dass die Studierenden – auf Basis ihrer eigenen Begeisterung für das Fach Chemie – ein breites fachdidaktisches Wissen aufbauen, das sie in die Lage versetzt, einen Chemieunterricht zu planen und zu gestalten, der sowohl die Besonderheiten des Fachs Chemie (z.B. Experimente, Modelle, abstraktes Denken, SchülerInnenvorstellungen oder Fachsprache) als auch die individuellen Lernvoraussetzungen und -bedürfnisse der SchülerInnen angemessen berücksichtigt und situationsgerecht aufeinander abstimmt.
Dazu gehört auch, dass sie sich in ihrer Lehrerrolle frühzeitig erproben und reflektieren können, dass sie lernen, fachliche Inhalte didaktisch angemessen zu transformieren und dass sie schließlich eine positive Einstellung gegenüber der Verschiedenheit ihrer zukünftigen SchülerInnen entwickeln können. Der Aufbau einer solchen Lernkultur ist eine lebenslange Aufgabe, die wir an der Hochschule grundlegen können.
Am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien sind die Österreichischen Kompetenzzentren für Didaktik (Austrian Educational Competence Centres - AECC) für die Fächer Biologie, Chemie und Physik als Plattform für Didaktik der Naturwissenschaften angesiedelt. Vor kurzem wurde das neue Lehr-Lern-Labor AECC Biologie eröffnet: Zum Fotonachbericht
uni:view: Worauf darf man bei Ihrer Antrittsvorlesung gespannt sein?
Groß: Es ist wunderbar, dass ich zusammen mit Claudia Angele und Andrea Möller die Antrittsvorlesung halten kann, denn so können wir einen guten Einblick in das weite Feld der fachdidaktischen Forschung hier an der Universität Wien geben und auch zeigen, welche Schritte wir in Zukunft gemeinsam planen. Ich selbst werde in meinem Vortrag sowohl Antworten auf die Frage geben, wie solche angesprochenen chemiedidaktischen Professionalisierungsprozesse von Studierenden zu aktuellen Herausforderungen der inklusiven Beschulung geebnet werden können, als auch das Konzept des außerschulischen Lernortes ELKE und die Forschung im Schülerlabor ELKE AUSTRIA vorstellen.
uni:view: Danke für das Interview! (ps/red)
Katharina Groß ist seit April 2018 Professorin für Didaktik der Chemie an der Fakultät für Chemie und am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien. Am Freitag, 25. Oktober 2019, hält sie um 17 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Zum Umgang mit Heterogenität im Chemieunterricht: Herausforderungen für die LeherInnenbildung". Auf der Veranstaltung werden auch Claudia Angele, Assistenzprofessorin für die Didaktik der Ernährungswissenschaften an der Fakultät für Lebenswissenschaften und am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien, und Andrea Möller, Leiterin des Österreichischen Kompetenzzentrums für Didaktik der Biologie (AECC Biology) ihre Antrittsvorlesungen halten.
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