Mentoring-Programm: "Bestärkung für die Wissenschaft"
| 18. September 2014Soziologin Ulrike Zartler hat vor genau zehn Jahren am Mentoring-Programm der Universität Wien teilgenommen. Für sie war es "eine Motivation, in der Wissenschaft zu bleiben". Im Interview mit uni:view erzählt sie von ihren Erfahrungen als Mentee.
Vor zehn Jahren, Ende 2004, hat Ulrike Zartler den Bewerbungsbogen für die Teilnahme am Mentoring-Programm "muv" der Universität Wien ausgefüllt. Auf die Frage "Wo sehen Sie sich als Wissenschafterin in drei Jahren?" antwortete sie damals: "Als Habilitandin mit Finanzierung und Lehrauftrag an der Universität". In zehn Jahren wiederum, so ihre Antwort auf die anschließende Frage, wollte sie Wissenschafterin an der Universität Wien sein.
Beides ist auch wirklich eingetroffen. Heute hat Zartler eine Laufbahnstelle am Institut für Soziologie und wird demnächst ihre Habilitation einreichen. Über ihre Erfahrungen aus dem Mentoring-Programm und ihren Weg von der Soziologie-Studentin zur Wissenschafterin und Habilitandin erzählt sie im Interview.
uni:view: Fangen wir beim Anfang an: Wieso haben Sie sich für ein Studium der Soziologie entschieden?
Ulrike Zartler: Bereits während der Schulzeit war für mich klar, dass ich auf jeden Fall studieren möchte. Ich hätte mir auch Psychologie vorstellen können. Es wurde dann Soziologie, weil ich es interessant fand, das Zusammenleben und Agieren von Menschen zu betrachten, und das nicht nur auf einer individuellen Ebene.
uni:view: Wie haben Sie aus Ihrer Studienzeit die Männer- und Frauenverteilung sowohl unter den Studierenden als auch unter den Lehrenden in Erinnerung?
Zartler: Ich begann 1990 zu studieren, schloss 2000 mein Doktorat ab. Es gab damals viele Studentinnen, durchaus auch Frauen im Bereich der Lehre, aber keine ordentlichen Professorinnen und nur sehr wenige außerordentliche Professorinnen oder Assistenzprofessorinnen. Demnächst wird es hier am Institut für Soziologie die erste ordentliche Professorin geben und schon jetzt gibt es mehrere außerordentliche und assoziierte Professorinnen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass strukturelle Ungleichheiten beseitigt wären.
uni:view: Wie ist Ihre Entscheidung, sich für das damals zweite Mentoring-Programm der Universität Wien zu bewerben, gefallen?
Zartler: Nach dem Doktoratsstudium und einem Postgraduate-Lehrgang begann ich in der außeruniversitären Forschung, zunächst am IHS (Institut für Höhere Studien) und dann am Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung. Gleichzeitig war ich als Lehrbeauftragte an verschiedenen Fachhochschulen tätig. Nachdem ich 2004 mein erstes Kind bekam, stellte sich für mich die Frage, ob ich überhaupt in der Wissenschaft bleiben soll. Ich hatte einen befristeten Vertrag, und es war immer unklar, ob es weiter gehen wird. Und genau zu jenem Zeitpunkt bewarb ich mich für das Mentoring-Programm. Der Hinweis dazu kam von einer Kollegin und Freundin, die am ersten Mentoring-Programm teilgenommen hatte und begeistert war. Es ging für mich damals darum, fundierte Entscheidungen für meine weitere berufliche Laufbahn zu treffen und mit Hilfe eines Mentors, der den Wissenschaftsbetrieb besser kennt als ich, Informationen zu bekommen.
uni:view: Wie wichtig war das Mentoring-Programm für Ihre wissenschaftliche Karriere?
Zartler: Sehr. Ich glaube, dass ich ohne Mentoring vielleicht gar nicht mehr in der Wissenschaft wäre. Für mich hatte es wirklich wichtige und konkrete Auswirkungen. Das Mentoring war einfach eine Bestärkung, in der Wissenschaft zu bleiben. Zuversicht wäre zu viel gesagt, das war es damals nicht, sondern das fällt mir eher im Nachhinein dazu ein, weil es funktioniert hat – obwohl es dazwischen natürlich auch viele Durststrecken gab. Damals war es eher so, dass ich mich durch das Mentoring dazu entschieden habe, eine Anbindung an die Universität Wien zu versuchen.
uni:view: Wie war das Mentoring in Ihrer Gruppe organisiert?
Zartler: Wir trafen uns in einer Gruppe von vier Mentees regelmäßig einmal im Monat beim Mentor im Arbeitszimmer und besprachen, was gerade bei uns Thema war. Wir arbeiteten auch inhaltlich, aber nicht ausschließlich. Es war immer Platz für aktuelle Fragestellungen. Durch unseren Mentor bekamen wir viele Einblicke in die Uni-Strukturen und die Uni-Politik.
uni:view: Wie ist es dann für Sie nach dem Mentoring, 2006, weiter gegangen?
Zartler: Zunächst bekam ich einen Lehrauftrag hier am Institut, was mich wahnsinnig gefreut hat. Ohne die Teilnahme am Mentoring hätte ich mich vermutlich gar nicht dafür beworben. Und 2008 habe ich mich auf eine Postdoc-Stelle beworben. Dass diese Bewerbung dann tatsächlich erfolgreich war, war großartig. Ich hatte damit eine Perspektive für die Habilitation.
uni:view: Derzeit läuft gerade die Bewerbungsphase für die mittlerweile siebte Runde des Mentoring-Programms. Was raten Sie Interessentinnen?
Zartler: Ich denke, es ist sinnvoll, sich gut zu überlegen, was sie konkret in ihrer aktuellen Lebenssituation vom Mentoring-Programm wollen und erwarten. Und ich finde es auch wichtig, keine Vorbehalte zu haben, weder gegenüber dem/der Mentor/in noch den Mentees. Ich glaube, dass man aus jeder dieser Gruppen etwas mitnehmen kann. Man hat beruflich oft vorwiegend mit Personen aus dem eigenen Studium oder Umfeld zu tun, und da kann es großartig sein, sich interdisziplinär auszutauschen. Für mich war die Teilnahme ein wichtiger Puzzlestein für meine Wiederanbindung an die Universität nach Jahren der außeruniversitären Forschung und Lehre. Gleichzeitig muss aber einschränkend gesagt werden, dass das Mentoring-Programm nicht automatisch zu einer wissenschaftlichen Laufbahn führt. (td)
Aktuelle Ausschreibung für muv7 – Mentoring-Programm für Postdoktorandinnen und Habilitandinnen:
Die Abteilung Gleichstellung und Diversität der Universität Wien lädt Postdoktorandinnen und Habilitandinnen an der Universität Wien ein, sich für das Mentoring-Programm muv7 als Mentee zu bewerben. Zur Bewerbung.