Ein erfolgreiches Lehrexperiment
| 06. Februar 2017Für ein Semester traten Studierende in die Fußstapfen von Forschenden und übernahmen ein Projekt zur afrikanischen und chinesischen Migration nach Österreich – vom Konzept bis zur Abschlusskonferenz. In uni:view blicken die Lehrveranstaltungsleiterinnen auf das erfolgreiche Lehrexperiment zurück.
Am 21. Jänner veranstalteten das Institut für Afrikawissenschaften und das Institut für Ostasienwissenschaften/Sinologie gemeinsam eine Konferenz zum Thema "Chinesische und Afrikanische Migration nach Österreich: Sprache, Kultur, Netzwerke". Das Besondere daran: die Vortragenden waren StudentInnen, die ihre eigenen empirischen Ergebnisse präsentierten. Im vergangenen Semester hatten sie diese im Rahmen eines Lehrexperiments erarbeitet.
Ergebnisse präsentieren
Die insgesamt 27 StudentInnen stellten in Kleingruppen (von zwei bis fünf Personen) in 15-minütigen Vorträgen ihre Forschungsprojekte und die im Zuge ihrer Recherchen und Interviews gewonnen Ergebnisse vor. Den Vorträgen folgte jeweils eine 15-minütige Diskussionsphase, in der eine andere Gruppe von Studierenden die Rolle der DiskutantInnen übernahm. So stellten sie selbst Fragen zur Theorie, Methode und den Ergebnissen und moderierten darüber hinaus den Dialog zwischen Publikum und Vortragenden.
Höhepunkt eines Lehrexperiments
Die Konferenz war Abschluss und Höhepunkt des Lehrexperiments, das vier Jungforscherinnen der beiden Institute initiiert und durchgeführt hatten: Che Dewei vom Institut für Afrikawissenschaften und Sabrina Habich-Sobiegalla, Sarah Hanisch sowie Julia Marinaccio vom Institut für Ostasienwissenschaften/Sinologie. Die Forschungsplattform GADS (Global African Diaspora Plattform), insbesondere ihre beiden Vertreter Adams Bodomo von den Afrikawissenschaften und Christian Göbel von der Sinologie, unterstützten das Projekt finanziell (d.h. Verpflegung während der Konferenz) und
durch Mentoring.
Von der Forschungsidee zum eigenen Projekt
Ziel des Lehrexperiments war es, Studierenden mittels eines vorgebebenen Themas (Forschungsinteresse: Migration nach Österreich) grundlegende theoretische und methodische Kenntnisse zu vermitteln, mit denen sie anschließend in Kleingruppen eigenständig, aber in enger Begleitung durch die Lehrveranstaltungsleiterinnen, ein eigenes Forschungsprojekt entwickeln und durchführen konnten. Die beteiligten Lehrveranstaltungen waren daher so aufgebaut, dass die Studierenden alle Etappen des Forschungsprozesses durchliefen: Hintergrundrecherche, Festlegung eines theoretischen Rahmens bzw. Konzepts, Formulierung einer Forschungsfrage, Datenerhebung, Datenauswertung und Interpretation sowie Dissemination (Konferenzteilnahme und Verschriftlichung der Forschungsergebnisse).
Vielschichtigkeit der Migration
Aus Sicht der Lehrenden war die Abschlusskonferenz und auch das Lehrprojekt aus zwei Gründen ein voller Erfolg: Zum einen spiegelten die gewählten Themen und Fragen der einzelnen Gruppen die Vielschichtigkeit von Migration wider. Die StudentInnen befassten sich mit verschiedenen sozialen Gruppen innerhalb der Migrationsgemeinschaft (z.B. chinesische RestaurantbesitzerInnen, StudentInnen, ArbeitnehmerInnen, die in österreichischen Unternehmen tätig sind etc.) und gingen Fragen zur Netzwerkbildung, Integration, Identität und Zugehörigkeit nach.
In eine neue Rolle schlüpfen
Die Studierenden überprüften oder reproduzierten damit keineswegs nur bekannte Hypothesen, sondern generierten selbst neue Hypothesen, die wiederum Grundlage für weitere Forschung in diesem Bereich sein und zu einer Sensibilisierung der Institutionen und Gesellschaft in Österreich beitragen können. Der damit einhergehende Rollenwandel (d.h. vom Studierenden zum Forschenden) und die explizite Wertschätzung der erarbeiteten Resultate von allen Beteiligten trugen zu einer konstruktiven und motivierenden Atmosphäre bei.
Austausch auf Augenhöhe
Zum anderen wurden die StudentInnen zu AkteurInnen, die aktiv am Lern- und Lehrprozess teilnahmen und sich sogzusagen auf gleicher Ebene mit Lehrenden und den Peers über Erfahrungen und Herausforderungen in der Forschung austauschten. So war die Konferenz geprägt von intensiven Diskussionen während und nach den Panels. Die Inhalte und Diskussionen begeisterten nicht nur die Studierenden, sondern auch die anwesenden Lehrveranstaltungsleiterinnen und die beiden Professoren, Christian Göbel und Adams Bodomo. In einem Abschlusskommentar brachte Christian Göbel seinen positiven Eindruck zum Ausdruck: "Ich war so begeistert, dass ich von Anfang bis zum Schluss dabei geblieben bin."
Fortsetzung folgt
Den Schluss des intensiven Tages (und Semesters) bildete eine Feedbackrunde, in der die TeilnehmerInnen Vor- und Nachteile des Lehrexperiments, Herausforderungen und Vorlieben sowie Verbesserungsvorschläge artikulierten. Alles in allem stuften die Beteiligten (StudentInnen und Lehrende) das Projekt und die Konferenz als ein sehr intensives, aber lehrreiches Erlebnis ein. Vorbereitungen für ein ähnliches Vorhaben im Wintersemester 2017/18 sind bereits am Laufen.
Über die Autorinnen:
Sarah Hanisch hat Global Studies in Stellenbosch, Wroclaw und Wien studiert und promiviert derzeit über chinesische MigrantInnen in Lesotho. Für ihr Projekt hat sie acht Monate ethnographische Feldforschung in Lesotho betrieben und ebenfalls einen Monat in China verbracht. Ihre Interessen sind: Migration, China-Afrika Beziehungen.
Julia Marinaccio hat Sinologie in Wien und Politikwissenschaft in Taiwan studiert. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit dem Verhältnis von Ideologie und Politik in der Volksrepublik China. Sie analysiert dabei jene Mechanismen, mit denen der Parteistaat versucht auf seine BeamtInnen einzuwirken, damit sie Politiken gemäß der vorherrschenden Parteiideologie formulieren und schlussendlich in Form von konkreten Politiken operationalisieren.