Unterwegs im Südkaukasus (5)
| 18. September 201424 Geographie-Studierende der Universität Wien reisen im Rahmen einer Fachexkursion in den Südkaukasus. Heute berichten sie u.a. vom Flüchtlingslager in Tserovani, dem Sataplia Naturreservat und ihrer Weiterreise nach Batumi – "dem georgischen Las Vegas".
"Vielen Dank für euer Interesse für uns und unser Leben hier. Euer Besuch ist eine große Ehre" – mit diesen Worten verabschiedete uns Givi Beridze, der Verwalter des Flüchtlingslagers in Tserovani. Dabei hatten wir das Lager anfangs mit gemischten Gefühlen besucht, schließlich hätte unser Besuch als Voyeurismus empfunden werden können.
Das Bild zeigt das Flüchtlingslager Tserovani nahe der südossetischen Grenze. |
Flüchtlingslager Tserovani
Seit dem Krieg im August 2008 sind in der Siedlung Tserovani in 2.000 kleinen Häusern nahe der südossetischen Grenze etwa 6.000 Menschen untergebracht. Mit Hilfe der georgischen Regierung und Institutionen wie dem UNHCR und der EU haben die BewohnerInnen eine lebenswerte Kleinstadt gestaltet. Das Verhältnis der GeorgierInnen zu den SüdossetInnen war laut Beridze immer gut, als sie noch in der besetzten Region miteinander lebten. Schuld an dem jüngsten Krieg sei seiner Meinung nach die russische Regierung, es stehe ihr nicht zu, die georgische Provinz zu kontrollieren. Hass empfinde aber kaum jemand im Lager. Sie hoffen noch immer, eines Tages in ihre Heimat Achalgori zurückkehren zu können, wenn sich die russischen Truppen zurückziehen und die Grenzen nach Südossetien wieder offen sind.
Bei unserem Besuch in Tserovani mit Givi Beridze, dem Verwalter des Flüchtlingslagers. |
Viel Wirbel um Stalin
Anschließend fuhren wir nach Gori, auf den ersten Blick eine Stadt wie viele andere in Georgien. Das besondere an ihr ist jedoch, dass sie die Geburtsstadt des wohl bekanntesten Georgiers ist, der je gelebt hat: Iosseb Dschughaschwili, alias Josef Stalin. Dem Diktator, in dessen Amtszeit 72.000 GeorgierInnen ums Leben kamen und 200.000 deportiert wurden, ist neben seinem Geburtshaus, welches tempelartig inszeniert wurde, ein bizarres Museum gewidmet. Die Ausstellungsstücke (Stalin-Büsten, Stalin-Fotos, Stalin-Portraits etc.) kombiniert mit einer steifen und monotonen Museumsführung versetzten uns in eine Zeit, in welcher Museen als Propagandainstrumente genutzt wurden – kein Wunder, wurde es doch 1957 eröffnet und das letzte Mal 1979 leicht überarbeitet. Wir erfuhren, dass in Gori noch immer ein großer Teil der Bevölkerung positiv gegenüber Stalin eingestellt ist.
"Der wohl bekannteste Georgier": In Gori besuchen wir die tempelhafte Inszenierung des Geburtshauses Stalins. |
Gesang und Tanz in Kutaisi
Den Abend verbrachten wir bei traditionellem georgischen Gesang und Tanz in der zweitgrößten Stadt des Landes: Kutaisi, Parlamentssitz Georgiens. Diese verließen wir schon am nächsten Morgen, um das Sataplia Nature Reserve näher zu erkunden.
Ein Blick auf das Sataplia Naturreservat in Georgien. |
Satalpia Nature Reserve
Früh morgens öffnete das Sataplia Nature Reserve auf spezielle Anfrage seine Pforten und ermöglichte uns ein Expertengespräch mit dem Direktor des Naturreservats. Er berichtete uns über die Zusammenarbeit mit österreichischen PartnerInnen, allen voran Alois Lang vom Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel, der im Rahmen eines Twinning-Projekts vor Ort tätig ist und uns diesen Kontakt zu Gebietsschutz und Regionalentwicklung vermittelt hat. Thema war neben dem Management des Parks der Umwelt- und Naturschutz im Land. Im Anschluss besuchten wir die Prometheus-Höhle, die eine wesentliche Rolle für den georgischen Tourismus spielt. Während das Naturreservat 2009 lediglich 1.000 TouristInnen verbuchte, konnte man 2013 stolze 130.000 BesucherInnen anlocken.
Die Prometheus-Höhle ist wichtig für den georgischen Tourismus: Allein 2013 kamen 130.000 BesucherInnen. |
"Das georgische Las Vegas"
Anschließend brachen wir Richtung Schwarzmeerküste auf, um unser heutiges Tagesziel, die Hafenstadt Batumi, zu erreichen. In der drittgrößten Stadt Georgiens angekommen gingen wir am Vormittag auf Feldforschung und gewannen erste Eindrücke der Hauptstadt der Autonomen Republik Adschariens. Am Weg durch die Stadt konnten wir sehr schnell feststellen, dass Batumi vom Erlebnistourismus diktiert wird. Batumi zieht immer mehr ausländische Investoren an, was an zahlreichen internationalen Hotelketten und Casinos sichtbar wird, die den Eindruck eines georgischen Las Vegas erwecken.
180.000 Menschen leben in Batumi, einer Hafenstadt am Meer, die aufgrund des Erlebnistourismus an Las Vegas erinnert. |
Am Nachmittag waren wir beim "Department of Tourism and Resorts" der Regierung Adschariens eingeladen, wo uns die Tourismusregion Adscharien vorgestellt wurde. Ziel ist es, ein vielseitiges Tourismusangebot zu schaffen, um die Attraktivität der Region auch abseits der Sommermonate zu steigern. Dazu wurde auch ein Skigebiet mit Doppelmayr-Liften im kleinen Kaukasus geschaffen, zu dem leider noch keine asphaltierte Straße führt.
Auf dem Weg nach Achalziche, Hauptstadt der Region Samzche-Dschawachetien und viel besuchter Kurort. |
Heilende Quellen in Borjomi
Nach zwei Tagen in der Touristenstadt Batumi ging es weiter nach Achalziche, der Hauptstadt der Region Samzche-Dschawachetien. Auf dem Weg dorthin machten wir Halt in Borjomi, einem Kurort aus der zaristischen Zeit der neuerdings wieder touristisch entwickelt wird. Bis heute ist Borjomi für seine Heilquellen mit natriumhaltigen, natürlichen Mineralwasser bekannt, welches zur Behandlung verschiedenster Krankheiten genutzt werden kann.
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Anschließend fuhren wir nach Achalziche. Das bedeutet so viel wie "Neue Festung", der Name rührt von der alten Festung in der Stadt, welche aus der Zeit des Osmanischen Reiches stammt. Dieser Name ist durchaus wörtlich zu verstehen: Die Ruine wurde vor zwei Jahren komplett neu aufgebaut. Damit ging ein langer Reisetag zu Ende, der uns bereits nahe an die armenische Grenze brachte. Fortsetzung folgt … (Text und Fotos: Philipp Huber, Andreas Mrlik, Johanna Lehner, Patrick Kogler, Kathrin Karer, Johanna Hummer, Nathalie Liesbauer, Rene Panholzer)
Die Fachexkursion "Kaukasusrepubliken - Staatenbildung und Regionalentwicklung" unter der Leitung von ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Heintel und ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Strohmeier führt 24 Geographie-Studierende vom 7. bis zum 21. September 2014 in den Südkaukasus.
Im Südkaukasus treffen Gegensätze aufeinander: Studierende des Instituts für Geographie und Regionalforschung berichten im uni:view-Dossier "Unterwegs im Südkaukasus" von ihrer Reise zwischen Berglandschaften und Metropolen, Konfliktherden und Modernisierung. |