Wer lehrt, hat auch einmal studiert: Leticia González (Teil 18)
| 21. Oktober 2016Mehr Lehrveranstaltungen zu besuchen, als der Studienplan vorschreibt, rät Chemikerin Leticia González ihren Studierenden. Wie sie ihr eigenes Studium in Madrid erlebte und wieso sie aus dieser Zeit vor allem die Freitage vermisst, erzählt sie in uni:view.
uni:view: Erinnern Sie sich zurück: Was haben Sie damals an Ihrem ersten Tag auf der Universität (Studium Chemie) erlebt?
Leticia González: Am ersten Tag an meiner Alma Mater, der Universidad Autonoma de Madrid, wurden die Vorlesungen ständig von "Estudiantinas" und deren Musik unterbrochen. Estudiantinas sind eine Art von StudentInnenverbindungen mit traditioneller Kleidung, die Lieder singen und spielen. Damit soll für die Mitgliedschaft in der Verbindung geworben werden. Der Stress des ersten Tags war damit vorbei, auch wenn die ProfessorInnen nicht wirklich begeistert waren.
Ich wusste nicht, was mich an der Universität erwartet. Ängstlich war ich auch, da ich nicht sicher war, ob ich alles schaffen werde – ich hatte viel Schlechtes gehört. Der Stundenplan des ersten Semesters in Chemie war extrem vollgepackt: vormittags mit Vorlesungen, nachmittags viele Laborübungen. Ich erinnere mich gut, dass ich in den ersten Tagen kaum Zeit zum Essen hatte, und abends kam ich erschöpft nach Hause. Mit der Zeit spielte sich alles besser ein und ich fing an, Spaß am Studium zu haben. Ebenso schloss ich im Laufe der Zeit neue Freundschaften, die zum Teil bis heute anhalten.
Leticia González im September 1994 auf eine Sommerschule über "Chaos und Turbulence" in Santander, Spanien. (Foto: Privat)
uni:view: Welches Motto hat Sie während Ihres Studiums begleitet?
González: Mein Motto bis heute: "Augen zu und durch." Ich war von vielem fasziniert, aber es gab auch Fächer, die ich langweilig fand. Ich wussste aber, da muss ich durch, also Augen zu und so viel lernen, dass man zumindest die Klausur schafft.
uni:view: Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Studienzeit?
González: Ich vermisse viele meiner damaligen Freunde, die ich aus den Augen verloren habe, und ich vermisse die lustigen Freitage, an denen wir direkt nach der Uni bis tief in die Nacht gefeiert haben.
uni:view: Welche Tipps geben Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg?
González: Heute gibt es vielfältige Wahlmöglichkeiten: Folge deinen Interessen und bilde dich in allem, was möglich ist, so gut wie du kannst. Trau dir zu, mehr zu besuchen, als im Studienplan steht! (red)
Leticia González (geb. 1971 in Madrid, Spanien) studierte von 1989 bis 1994 Chemie an der Universidad Autónoma de Madrid. Nach einem Aufenthalt am King's College London promovierte sie in 1998 in Madrid. Danach wechselte sie an die Freie Universität Berlin, wo sie 2004 habilitierte. Nach einer Professur an der Friedrich-Schiller Universität Jena ist sie seit 2011 Professorin für Theoretische Chemie und Scientific Computing an der Universität Wien. Sie ist verheiratet und hat zwei Töchter.