Wer lehrt, hat auch einmal studiert (Teil 9)

"PhysikerInnen suchen stets nach grundlegenden Strukturen und Prozessen, nach denen Systeme funktionieren". Dieser Satz aus ihrer ersten Physikvorlesung begleitet Aerosolphysikerin Regina Hitzenberger bis heute. In uni:view erzählt sie aus ihrer Studienzeit.

uni:view: Erinnern Sie sich zurück: Was haben Sie damals an Ihrem ersten Tag auf der Universität (Studium Physik, Astronomie und Mathematik) erlebt?
Regina Hitzenberger: Der erste Tag auf der Uni Wien hat sich mir sehr eingeprägt. Zuerst: welche Lehrveranstaltungen muss bzw. soll ich besuchen? Curriculum? Gab's nicht. Lehrveranstaltungsverzeichnis: eine Liste von Lehrveranstaltungen, aber: welche für welches Semester? Wo meldet man sich für welche Übung wie an? Dann die nächste Hürde: wie finde ich zum Hörsaal? Da bin ich ziemlich herumgeirrt und kam prompt zu spät zur ersten Mathematikvorlesung. Der Hörsaal war überfüllt und ich fand nur mehr einen Platz auf den Stufen.

Die erste Physikvorlesung hat mich dann sehr beeindruckt. Ich erinnere mich noch heute an zwei Dinge, die Professor Preining damals gesagt hat. Das erste war sinngemäß, dass PhysikerInnen SystemanalytikerInnen sind, und dass sie immer die grundlegenden Strukturen und Prozesse suchen, nach denen Systeme funktionieren. Das ist absolut zutreffend, und in der Zeit seither hat mich dieser Satz (Physik – Systemanalyse) immer begleitet. Das andere war die Antwort auf die hypothetische Frage, welchen einen Satz wir der Nachwelt hinterlassen können, auf dem aufbauend die gesamte Physik rekonstruiert werden könnte, wenn alles andere Wissen verloren wäre. Den habe ich mir sogar wörtlich gemerkt und zitiere ihn heute noch in meinen Vorlesungen, wenn es um das Kapitel Thermodynamik geht.

Ich erinnere mich auch daran, dass alle Uni-Angehörigen eine Engelsgeduld mit uns Erstsemestrigen hatten. Sie haben unsere Fragen geduldig beantwortet, unser anfängliches Chaos mit Nachsicht ertragen, und haben uns geholfen, uns selbst zu organisieren. Nach zwei Wochen war dann alles gut im Laufen, und das Klima blieb während des ganzen Studiums sehr angenehm.



Regina Hitzenberger 1975 vor einem im Rahmen eines Kurses an einer Hobbysternwarte selbst gebauten Spiegelteleskop. "Den Spiegel habe ich selbst geschliffen – das war wirklich mühsam!", lacht die Physikerin. (Foto: Privat)



uni:view: Welches Motto hat Sie während Ihres Studiums begleitet?

Hitzenberger: Eines, das mich noch immer begleitet: die wissenschaftliche Neugier. Mehr noch: "the need to know".

uni:view: Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Studienzeit?
Hitzenberger: Einiges, z.B. die Freiheit, meine Arbeit selbst einzuteilen; die Freiheit, auf der Wiese oder im Freibad für Prüfungen zu lernen; die nächtelangen Diskussionen in Kaffeehäusern über Physik und so ziemlich alle Themen; die Möglichkeit, mich lange, ungestört und gründlich mit einem Thema zu beschäftigen, das mich brennend interessiert.

uni:view: Welche Tipps geben Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg?
Hitzenberger: Wenn man einen Traum (beruflich, privat) hat, soll man zumindest versuchen, ihm zu folgen. Und für den Fall, dass das nicht klappt, soll man immer einen Plan B in der Tasche haben. Dazu: das, was man tut, gut zu tun. (red)


Regina Hitzenberger (geb. 1957 in Gmunden) studierte von 1975 bis 1982 Physik, Astronomie und Mathematik an der Universität Wien, wo sie 1982 auch promovierte. 1983 bis 1986 arbeitete sie als Universitätsassistentin, es folgten Gastaufenthalte z.B. in Los Angeles und an der University of Kyoto (Japan). 1993 habilitierte sie sich an der Universität Wien, war von 1997 bis 2011 Außerordentliche Professorin und 2006-2011 Vizedekanin der Fakultät für Physik. Seit Jänner 2012 hat sie die Professur für Aerosol- und Clusterphysik, Arbeitsgruppe Aerosolphysik und Umweltphysik an der Universität Wien inne. Ab Oktober 2015 wird Regina Hitzenberger Vizerektorin für Infrastruktur der Universität Wien.