Wissenschaftskulturen verbinden
| 17. Dezember 2010Im Oktober 2010 startete an der Universität Wien das FWF-Doktoratsprogramm "The Sciences in Historical, Philosophical and Cultural Contexts" unter der Leitung von Mitchell G. Ash vom Institut für Geschichte. Darin widmen sich insgesamt neun Facultymitglieder und zwölf KollegiatInnen verschiedenen Aspekten der Wissenschaftsgeschichte und -theorie. Im Rahmen einer einzigartigen Doppelbetreuung verbindet das Kolleg Geistes- und Naturwissenschaften: Jedem/jeder TeilnehmerIn stehen VertreterInnen beider "Wissenschaftskulturen" betreuend zur Seite.
Als Fortsetzung des von 2006 bis 2009 erfolgreich durchgeführten Initiativkollegs "Naturwissenschaften im historischen Kontext" startete im Oktober dieses Jahres das FWF-DK-Plus-Programm "The Sciences in Historical, Philosophical and Cultural Contexts". Mit dem Wissenschaftshistoriker Mitchell G. Ash vom Institut für Geschichte als Sprecher haben die zwölf teilnehmenden KollegiatInnen die Chance, ihr Doktoratsstudium in einzigartiger interdisziplinärer Doppelbetreuung durch hochrangige WissenschafterInnen aus Natur- und Geisteswissenschaften zu absolvieren.
"Die Idee dahinter ist zum einen, eine ideale Betreuungssituation zu schaffen. Zum anderen kann dadurch jedes Dissertationsthema aus beiden Perspektiven beleuchtet werden. Gleichzeitig leisten wir einen Beitrag zur Überbrückung des Grabens zwischen den sogenannten 'zwei Kulturen'", sagt Ash.
Drei der insgesamt zwölf NachwuchsforscherInnen nehmen als assoziierte KollegiatInnen am Programm teil: Sie sind fester Bestandteil des Kollegs, werden jedoch vom FWF nicht direkt finanziert, sondern erhalten zusätzlich zu ihrer anderweitigen Basisfinanzierung Sachmittel in Höhe von bis zu 5.000 Euro.
Perspektivenvielfalt durch fächerübergreifende ...
Fünf Fakultäten sind im neuen Doktoratsprogramm miteinander vernetzt: Die derzeit neun betreuenden WissenschafterInnen kommen aus den Disziplinen Geschichte (Mitchell G. Ash), Zeitgeschichte (Carola Sachse), Wissenschaftsgeschichte und Philosophie (Friedrich Stadler, Elisabeth Nemeth), Mathematik (Karl Sigmund), Physik (Jakob Yngvason, Wolfgang Reiter) und Lebenswissenschaften (Irene Lichtscheidl, Gerd Müller). Eine intensive und interdisziplinäre Arbeitsatmosphäre wird durch das wöchentliche Kolloquium und regelmäßige Workshops ermöglicht.
... und internationale Zusammenarbeit
Das Kolleg verbindet aber nicht nur Wissensgebiete, sondern auch unterschiedliche Forschungseinrichtungen: Neben den verschiedenen Fakultäten sind das Institut Wiener Kreis, das Konrad-Lorenz-Institut für Evolution und Kognitionsforschung sowie das Erwin-Schrödinger-Institut für Mathematische Physik eingebunden.
Auch international konnte das DK-Plus zahlreiche Kooperationspartner gewinnen. Hierzu zählen derzeit 13 Forschungseinrichtungen aus insgesamt sechs verschiedenen Ländern - darunter z.B. das Department of History and Philosophy of Science der University of Cambridge oder das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.
"Einen weiteren Beitrag zur internationalen Vernetzung leistet das im Programm festgeschriebene Auslandssemester", fügt Ash hinzu: "Die Wahl eines Themenfelds, das Recherchen im Ausland erfordert, bietet sich also nachgerade an - eine einmalige Gelegenheit für eine erfolgreiche Dissertation."
Blick über den Tellerrand
Inhaltlich können sich die KollegiatInnen an von der Faculty festgelegten Themenfeldern aus dem breiten Gebiet der Wissenschaftsgeschichte und der Wissenschaftstheorie orientieren.
Dabei fordern Mitchell G. Ash und seine Faculty-KollegInnen die Studierenden dazu auf, einen Blick über den Tellerrand ihrer jeweiligen Fachbereiche zu werfen.
"Wenn man ernsthaft Wissenschaftsgeschichte oder Wissenschaftsphilosophie betreibt, darf man die bestehende Konstellation der Disziplinen nicht als gegeben betrachten", betont der DK-Sprecher: "Man muss sie sogar hinterfragen, sie historisieren. Denn die Fachrichtungen, so wie sie heute an den Universitäten unterteilt sind, gab es nicht immer in dieser Form."
Als Beispiele für mögliche Dissertationsthemen nennt Ash die Frage nach der Entstehung einer modernen Forschungslandschaft in der späten Habsburgermonarchie, die Wechselbeziehungen zwischen Mathematik und anderen Wissenschaften im 20. Jahrhundert oder das Verhältnis von Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte.
"Pilotprogramm" bereits voller Erfolg
Das Doktoratskolleg ist über einen Zeitraum von zwölf Jahren konzipiert, die ersten vier Jahre sind bereits bewilligt. Die teilnehmenden Fakultäten sind stolz, das ehemalige Initiativkolleg "Naturwissenschaften im historischen Kontext" zu einem FWF-Doktoratskolleg erweitern zu können.
"Schon das Initiativkolleg als 'Pilotprogramm' hatte eine sehr hohe Erfolgsquote: Neun der zwölf ehemaligen KollegiatInnen arbeiten mittlerweile an verschiedenen Forschungsprojekten in den Disziplinen Geschichte, Zeitgeschichte und Philosophie", erklärt Ash zufrieden: "Sechs davon konnten sich an renommierten internationalen Forschungsinstitutionen behaupten." Der Historiker ist zuversichtlich, dass der Erfolg auch für die Fortsetzung "The Sciences in Historical, Philosophical and Cultural Contexts" nicht ausbleiben wird. (il)
Über weitere Unterstützungsangebote der Universität Wien für DoktorandInnen sowie über das Thema "Doktorat neu" informiert das DoktorandInnenzentrum der Universität Wien als zentrale Anlaufstelle für DoktorandInnen, Betreuende und Verwaltung.