25 Jahre Gleichbehandlung an der Universität Wien
| 01. Dezember 2016Heuer begeht der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien sein 25-jähriges Jubiläum. Resümee und Ausblick geben vier Mitglieder des Arbeitskreises – Richard Gamauf, Brigitte Bargetz, Susanne Hochreiter und Ursula Kastner-Koller – im Interview mit uni:view.
uni:view: Seit 1991 ist der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien Anlaufstelle für Universitätsangehörige, wenn es zu Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen kommt. Können Sie kurz skizzieren, mit welchen Anliegen sich Betroffene an Sie wenden können?
Richard Gamauf: Dann, wenn ein Universitätsorgan eine Entscheidung nicht nach sachlichen Kriterien getroffen hat, sondern um jemanden aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, Religion bzw. Weltanschauung, sexuellen Orientierung oder des Alters besser oder schlechter zu behandeln. Besser noch wäre es, wenn bereits dann mit dem Arbeitskreis Kontakt gesucht wird, wenn es Hinweise darauf gibt, dass es zu einer solchen Entscheidung kommen könnte.
Richard Gamauf, am Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte tätig, ist Vorsitzender des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien.
uni:view: Können Sie Ihre persönlichen Aufgabenbereiche kurz beschreiben und was Ihnen persönlich an der Arbeit im Arbeitskreis besonders wichtig ist?
Brigitte Bargetz: Ich bin gemeinsam mit drei Kolleginnen der Fakultät für Sozialwissenschaften für die Überprüfung von Ausschreibungen sowie Neubesetzungen der Fakultät aus der Perspektive der Agenden des Arbeitskreises zuständig, für die Mitwirkung in Berufungs- und Habilitations-Kommissionen und bei der Vergabe der uni:docs-Stipendien. Zudem können sich Studierende und MitarbeiterInnen an uns wenden, wenn es um Fragen der Diskriminierung im Uni-Alltag geht. Die Arbeit im Arbeitskreis ist ein wichtiges geschlechterpolitisches Instrument, um in unterschiedlichen Zusammenhängen im Gleichbehandlungssinn tätig zu werden sowie kontinuierlich zu sensibilisieren.
Brigitte Bargetz, tätig am Institut für Politikwissenschaft, ist Mitglied des Arbeitskreises und Gleichbehandlungsbeauftragte an der Fakultät für Sozialwissenschaften.
Susanne Hochreiter: Meine Aufgabe ist es, gemeinsam mit meinen KollegInnen an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät die Agenden des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen zu vertreten: Mitwirkung in Berufungs- und Habilitationskommissionen, bei Laufbahnstellen-Entscheidungen, uni:docs-Vergaben und anderen Personalentscheidungen. Zudem beraten wir KollegInnen auch im Zusammenhang von sexueller Belästigung und Mobbing und informieren über Wege, Diskriminierung entgegenzuwirken.
Ursula Kastner-Koller: Als Gleichbehandlungsbeauftragte betreue ich die Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften sowie das Zentrum für LehrerInnenbildung. Darüber hinaus bin ich als Stellvertretende Vorsitzende mit allen Agenden des Arbeitskreises befasst. Eine frühere Dekanin hat die Arbeitskreismitglieder einmal als "HüterInnen der Fairness" bezeichnet. Diese Sichtweise meiner Tätigkeit als Arbeitskreismitglied gefällt mir sehr gut und beschreibt mein Selbstverständnis.
Richard Gamauf: Das, was ich tue, lässt sich nicht so einfach auf einen Punkt bringen, aber am ehesten: Ich versuche das, was dem Arbeitskreis wichtig ist, den anderen Universitätsorganen zu vermitteln. Besonders (Geschlechter-)Gerechtigkeit soll ein wesentlicher Wert an einer Universität sein!
uni:view: Was sind Fragen und Probleme, mit denen Sie konfrontiert sind?
Brigitte Bargetz: Fragen zu Ausschreibungen, zur geschlechtergerechten Besetzung von Gremien, zur Kettenvertragsregelung bei Unterbrechung aufgrund von Betreuungszeiten, zum Ablauf von Berufungskommissionen sowie zum Frauenförderplan im Rahmen von Berufungskommissionen (z.B. Anrechnung von Betreuungszeiten). Rund um Besetzungen geht es neben Diskriminierungen von Frauen auch immer wieder um Altersdiskriminierung.
Susanne Hochreiter vom Institut für Germanistik ist Mitglied des Arbeitskreises und Gleichbehandlungsbeauftragte an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät.
Susanne Hochreiter: Ein häufiges Problem aus meiner Sicht ist, dass Personen, die als Kommissionsmitglieder oder -vorsitzende fungieren, den Frauenförderungsplan und das Gebot zur Gleichbehandlung nicht kennen. Meiner Meinung nach wären verbindliche Schulungen – vor allem für KollegInnen in Leitungspositionen –, wie sie an amerikanischen Universitäten etwa selbstverständlich sind, auch an der Universität Wien sinnvoll zu etablieren. Das wäre ein Gewinn für die Gleichbehandlung und für die "Awareness" bezüglich des Themas sehr wertvoll.
Ursula Kastner-Koller: Fragen zum korrekten Ablauf von Berufungskommissionen, Beratung bei der BewerberInnenauswahl (z. B. wenn keine oder zu wenig qualifizierte Frauen sich beworben haben), individuelle Beratung von Fakultätsmitgliedern, die Diskriminierung befürchten oder bereits erlebt haben.
Richard Gamauf: Als rassistisch oder sexistisch wahrgenommene Äußerungen in Lehrveranstaltungen bzw. in der Kommunikation zwischen Universitätsangehörigen; der Eindruck, bei einer Bewerbung (AssistentInnenstelle, Laufbahnstelle, Professur) zu Unrecht nicht zum Zug gekommen zu sein; sexuelle Belästigung.
Ursula Kastner-Koller vom Institut für Angewandte Psychologie ist stv. Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen.
uni:view: Worauf legt der Arbeitskreis besonderen Wert?
Richard Gamauf: In jedem Fall gilt – und ganz besonders bei sexueller Belästigung und Mobbing –, dass nichts unternommen wird, mit dem der/die Betroffene nicht einverstanden ist, insbesondere wird kein Name von Betroffenen oder ZeugInnen ohne deren Zustimmung weitergegeben.
Je nach Problem kann Kontakt mit SPLs, dem Rektorat, der Leitung der Personalabteilung etc. aufgenommen werden, um Abhilfe zu schaffen. Jedenfalls liegt das Hauptaugenmerk darauf, dass die Wiederholung von Übergriffen oder unangemessenem Verhalten verhindert wird; das lässt sich manchmal durch einfache und niederschwellige Maßnahmen erreichen.
uni:view: An der Universität Wien gibt es mehrere Stellen an die sich Universitätsangehörige bei Diskriminierung, Mobbing, etc. wenden können, darunter auch die Abteilung Gleichstellung und Diversität oder die Beratungsstelle Sexuelle Belästigung und Mobbing. Mit welchen Anliegen wende ich mich an diese Stellen beziehungsweise wann komme ich besser zu Ihnen?
Richard Gamauf: Die Universität Wien hat das "Luxusproblem", über verschiedene Stellen zu verfügen, die wegen derselben Probleme in Anspruch genommen werden können. Da jede Stelle, wenn sie meint, dass eine andere kompetenter unterstützen könnte, darauf hinweisen wird, sollte man sich an diejenige wenden, bei der die persönliche Hemmschwelle am niedrigsten ist.
uni:view: 25 Jahre Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen – kurzes Resümee, kurzer Ausblick in die Zukunft?
Richard Gamauf: Schade, dass es ihn immer noch geben muss, und gut, dass es ihn gibt! An den Universitäten wird es zwar keine 170 Jahre dauern, bis Frauen so behandelt werden wie Männer, aber es wird noch dauern.
Brigitte Bargetz: Für die Zukunft sehe ich zwei zentrale Herausforderungen: erstens eine Auseinandersetzung mit den subtilen Formen von Diskriminierung. Denn ein Erfolg von Gleichbehandlung ist es wohl, dass manche Dinge nicht mehr sag- und machbar sind, Diskriminierungen gibt es allerdings nach wie vor, ganz offen und explizit, aber z.T. sind die Diskriminierungsweisen eben auch subtiler geworden. Zweitens die Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen und unterschiedlichen (strukturellen und individuellen) Diskriminierungen und Ungleichheitsverhältnissen.
Susanne Hochreiter: Dank sehr vieler engagierter KollegInnen hat der Arbeitskreis in den letzten 25 Jahren wesentlich dazu beigetragen, dass Asymmetrien und Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts verringert wurden. In manchen Fächern bildet sich anteilsmäßig auch auf Ebene der Professuren die hohe Zahl von Absolventinnen ab. Insgesamt bleibt viel zu tun: Die sogenannte "gläserne Decke" ist von einzelnen durchstoßen, aber nicht dauerhaft aufgelöst worden. Frauen sollten zur Habilitation ermutigt werden und institutionelle Rahmenbedingungen vorfinden, die auch die Übernahme von Leitungsfunktionen erleichtert. In Sachen Gleichbehandlung haben wir uns mit den verschiedenen Diskriminierungsachsen zu beschäftigen, in denen Geschlecht eine wichtige Kategorie ist, die sich mit Alter, Herkunft und Zugehörigkeiten (z.B. zu einer Religionsgemeinschaft) überschneidet. Die Auseinandersetzung mit rassistischen Strukturen erscheint mir besonders wichtig.
Ursula Kastner-Koller: Neben der Gleichbehandlung nach dem Geschlecht und der Frauenförderung, die mir auch weiterhin ein zentrales Anliegen sein werden, finde ich es eine spannende Herausforderung, andere Diskriminierungsaspekte stärker zu berücksichtigen, ohne die Frauenförderung aus dem Blick zu verlieren.
uni:view: Vielen Dank für das Gespräch! (td)