6 Fragen an Dekanin Sigrid Müller (2014-16)

Für Sigrid Müller, Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät, beginnt am 1. Oktober 2014 ihre mittlerweile zweite Funktionsperiode. Im Interview spricht die Theologin über neue Ziele und Herausforderungen.

1) Welche Erwartungen haben Sie an Ihre neue Position?
In meiner vergangenen Dekansperiode lag der Schwerpunkt auf der Konsolidierung der Forschungsstruktur der Fakultät. Ich erwarte und erhoffe mir, dass die gute Kooperation mit den Nachbarfakultäten fortgeführt und weiter gestärkt wird. Auch die Zusammenarbeit der Fachbereiche innerhalb der Fakultät hat eine gute Dynamik. Auf dieser Grundlage kann ich in meiner zweiten Dekansperiode aufbauen, welche eine behutsame und nachhaltige Weiterentwicklung der Fakultät auf Zukunft hin zum Ziel hat. Dazu haben wir eine Fakultätsklausur angesetzt, bei der wir die Entwicklungen in Kirche, Schule und innerhalb der Universität betrachten und Herausforderungen formulieren, die sich uns im Hinblick auf die künftigen Berufsfelder unserer Studierenden stellen. Welche Konsequenzen das für Forschung und Lehre haben soll, wollen wir dann im Laufe des kommenden Jahres konkretisieren und Schritte zur Umsetzung formulieren.

2) Was sehen Sie als größte Herausforderung an?

Als größte Herausforderung sehe ich derzeit, dass die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie die Theologie, die sich methodisch mit diesen Studien in vielem überschneidet, ihren Beitrag zu einer "gesunden" Gesellschaft markant sichtbar machen. Die Umwelt unserer Studienfächer ist von einer häufig einseitig ökonomischen Zwecksetzung geprägt. Kultur, Philosophie und Kunst sowie Religion werden oft nicht als Eigenwert gesehen, sondern meist nur wahrgenommen, wo sie einen negativen oder positiven Einfluss auf das ökonomische System haben. Die tiefe menschliche Bedeutung dieser Aspekte, die Kreativität frei setzen und Freiheit und Verantwortung des Denkens und Handelns fördern, gerät oftmals ins Hintertreffen. Sie sind aber zentral für das Engagement von Menschen für das öffentliche Wohl auf allen Ebenen der Gesellschaft.

BIOGRAPHISCHES:

Sigrid Müller, geb. 1964 in Salach (Deutschland), ist ab 1. Oktober 2012 Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät. 1984-1991 Studium der Katholischen Theologie, Lateinischen Philologie und Italienischen Philologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. 1987-1993 Mitarbeit an Drittmittel-Projekten zu u.a. Interkultureller Ethik. 1993-1995 Forschungs- und Lehrtätigkeit am St. John's College, Cambridge. 1996-1997 Wissenschaftliche Koordinatorin des Graduiertenkollegs "Ars und Scientia im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit". 1997-2000 Aufbaustudium (Master) und Praxis in Systemischer Familienberatung an der Päpstlichen Universität Salamanca bzw. am Zentrum für Familienberatung der Dominikaner von Andalusien. 1999 Promotion an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Tübingen. 2001-2005 Postdoc an der Universität Nijmegen. 2003-2005 Mitarbeiterin des De-Wulf-Mansionscentrums an der Universität Leuven. 2005-2007 Hertha-Firnberg-Stelle an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Wien. 2006 Habilitation an der Universität Tübingen. Seit Sept. 2007 Univ.-Prof. für Moraltheologie der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Wien. 2007-2011 Vorständin des Instituts für Moraltheologie. Seit 2008 Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Junge Kurie). 2009-2010 Doktorats-Studienprogrammleiterin. 2010-2012 Vizedekanin für Forschung. 2012-2014 Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät.


3) Wo sehen Sie die Universität Wien in zehn Jahren, und was ist auf dem Weg dorthin wichtig?

Die Universität Wien ist eine der größten Universitäten in Europa und wird es angesichts des Bevölkerungswachstums in Wien mit Sicherheit auch in den nächsten zehn Jahren sein. Ihre geographische Position macht sie für das Grundstudium sowohl für den gesamten deutschsprachigen Raum zu einem wichtigen Bezugspunkt, wie sie im Hinblick auf aufbauende, vor allem Doktoratsstudien, genügend Attraktivität für den internationalen Raum bieten kann. Diese Kombination von solider Lehre und international sichtbarer Exzellenzforschung im Rahmen einer so großen Universität und angesichts der im Verhältnis zu vergleichbar großen Universitäten zu knappen Ressourcen scheint mir nur bei einer hohen Motivation aller Mitwirkenden möglich zu sein. Diese zu fördern und zu erhalten ist innerhalb einer so großen Universität und angesichts des knappen finanziellen Spielraums eine ständige Herausforderung.

4) Ihr wissenschaftliches Vorbild?
Mein wissenschaftliches Vorbild sind die Theologinnen und Theologen, welche die Herausforderungen der Gegenwart erfassen und ernst nehmen, mit den aktuellen wissenschaftlichen Methoden und u.U. im Gespräch mit allen Wissenschaften Visionen entwickeln, zugleich aber mit der Tradition des Glaubens in einer lebendigen Beschäftigung stehen. Zahlreiche berühmte Theologen im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils waren solche hervorragende Wissenschafter. Heute ist eine solche Verortung und Vernetzung angesichts der Vervielfachung des Wissens nur noch ansatzweise möglich - doch hoffe ich, dass künftige Generationen auch manche Theologinnen und Theologen unserer Generation so beurteilen werden.

BLICK INS FOTOALBUM:
"Zu den wichtigsten Momenten meiner Studienzeit gehören die Seminare an der Universität Tübingen, die eine sehr intensive Vorbereitung erforderten und meist mit informellen Lesegruppen einhergingen", erzählt Sigrid Müller: "Für mich waren die Seminare auch der Einstieg in die wissenschaftliche Mitarbeit an Forschungsprojekten. Gerne erinnere ich mich auch an die wissenschaftlichen Exkursionen (im Lateinstudium nach Rom und Süditalien und nach Trier). Meine Auslandsaufenthalte – für das Theologie- und Italienischstudium in Rom sowie während des Doktorats in Cambridge (woher das Foto stammt) – haben prägende Spuren hinterlassen. Zum Beispiel beeindruckt mich die Weise, wie am St. John's College gelehrt wurde, bis heute, und ich hoffe, in der Lehre einige Elemente davon übernehmen zu können." (Foto: Privat)


5) Ihr Lieblingsplatz an der Universität Wien?
Die Cafeteria im Arkadenhof.

6) Welches Buch liegt zurzeit auf Ihrem Nachtkästchen?
"Der fremde Gott. Glaube in postsäkularer Kultur" von dem Kölner Theologen und Religionsphilosophen Hans-Joachim Höhn.