6 Fragen an Zentrumsleiterin Larisa Schippel (2014-16)

Larisa Schippel leitet das Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien. Im Interview erzählt sie von ihren Anliegen als Hochschullehrerin und Zentrumsleiterin und warum nicht nur die Qualität eines Studiums, sondern auch die Atmosphäre des Hauses eine Rolle spielt.

1) Sie sind seit Oktober 2011 Leiterin des Zentrums für Translationswissenschaft. Was war besonders spannend bzw. herausfordernd?

Eine Herausforderung? Ja, das war dieses erste Jahr als Zentrumsleiterin schon! Mir schien es zunächst einmal das Wichtigste, die Atmosphäre am Zentrum zu verändern. Bereits als ich zum Berufungsvortrag ans ZTW kam, fiel mir auf, dass das Haus nicht besonders einladend wirkt: Man nahm kaum wahr, was in dieser Einrichtung eigentlich gemacht wird. Mittlerweile hängt eine Ausstellung zur Geburtsstunde des Simultandolmetschens beim Nürnberger Prozess, weitere Ausstellungen sind in Vorbereitung – unter Beteiligung von Studierenden –, einmal jährlich findet der Hieronymus-Tag statt, denn das ist der Schutzpatron der ÜbersetzerInnen, zwei GastprofessorInnen waren im vergangenen Semester am ZTW, jedes Semester findet eine Ringvorlesung zu wechselnden Themen statt, die weitere Umgestaltung des Hauses läuft … usw. usf. Ich möchte gern, dass Studierende und Lehrende gern ans ZTW kommen – nicht nur, "weil sie müssen".


BIOGRAPHISCHES:


Larisa Schippel, geb. 1951 in Karpinsk, UdSSR, ist seit 1. Oktober 2011 Leiterin des Zentrums für Translationswissenschaft. 1957 Übersiedelung mit der Familie nach Dresden. 1969-1973 Studium an der Humboldt-Universität Berlin und der Universität Bukarest (Dipl.-Sprachmittler in der Fächerkombination Rumänisch und Russisch). 1973 Diplom-Sprachmittlerin für Russisch und Rumänisch. 1973-1977 Assistentin an der Sektion Romanistik der Humboldt-Universität. 1977-1982 wiss. Mitarbeiterin an der Sektion Romanistik der Humboldt-Universität Berlin. 1982-1985 Leiterin der Dolmetschergruppe der HU Berlin. 1983 Promotion zum Dr. phil. 1985-2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Sektion/am Institut für Romanistik der Humboldt-Universität. Seit 1991 Fachprüferin am Landesprüfungsamt für Übersetzer des Landes Berlin. 2000-2002 freiberufliche Übersetzerin. 2002-2008 Gastprofessorin für Übersetzungswissenschaft am Institut für Slawistik der Humboldt-Universität Berlin. Seit Oktober 2010 Professur für Transkulturelle Kommunikation am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien.


2) Warum lohnt es sich, Zentrumsleiterin zu sein?

Ich kam ja von der Berliner Humboldt-Universität, damit liegt es wohl nahe, dass ich mich auch dem Humboldtschen Bildungsideal, die Universität als eine Korporation von Lehrenden und Lernenden zu verstehen, verbunden fühle. Studierende nicht als Empfänger im Sinne eines Nürnberger Trichters zu sehen, sondern mit ihnen gemeinsam Neues zu ergründen, ist mein Anliegen als Hochschullehrerin; als Zentrumsleiterin kann ich darauf hinwirken, dass die Studienpläne das möglichst befördern, dass gemeinsame Projektarbeit zur Selbstverständlichkeit wird, dass in einem offenen Haus öffentlich debattiert wird, das ZTW als eine anregende – im besten Sinne des Wortes – Einrichtung erlebt wird. Demnächst folgt die Diskussion zum neuen Leitbild des ZTW, das sich dann wiederum auch im Hause widerspiegeln soll.

3) Wo sehen Sie die Universität Wien in zehn Jahren, und was ist auf dem Weg dorthin wichtig?
Die Universität Wien wird in zehn Jahren eine für WissenschafterInnen und Studierende hoch attraktive Universität sein, mit flachen Hierarchien, in der Lösungen auf dem kürzesten Wege gefunden werden, in der unkonventionelle Vorschläge willkommen sind, weil die Universität mutig alte Zöpfe abschneidet, die Internationalisierung weit fortgeschritten ist, die Verwaltung zügig ihre Servicefunktion erfüllt … Der Weg dahin? Jeder und jede arbeitet daran.

4) Ihr wissenschaftliches Vorbild?
Die Frage nach dem Vorbild ist immer eine etwas zwiespältige … Da unsere Zeit voll von flüchtigen Idolen ist, läuft man ein wenig Gefahr, mit der Antwort auf diese Frage in solche Nachbarschaft zu geraten. Und das würde dem Mann, den ich hier nennen möchte, sehr Unrecht tun: Pierre Bourdieu hat meiner Ansicht nach nicht nur das große Verdienst, in der Soziologie ein neues Paradigma eröffnet und damit einen Anstoß für viele andere Disziplinen gegeben zu haben, in denen seine Arbeiten fruchtbar wurden, sondern er hat sich als Wissenschafter in der Gesellschaft engagiert. Mich hat das immer sehr beeindruckt!

5) Ihr Lieblingsplatz an der Universität Wien?
... der Währinger Park, der sich gleich neben dem ZTW befindet.

6) Welches Buch liegt zurzeit auf Ihrem Nachtkästchen?
"Luise Gottsched the Translator" von Hilary Brown.


 BLICK INS FOTOALBUM:



"Dieses Bild wurde 1973 in Budapest aufgenommen. Es handelt sich dabei um eine kurze Pause zwischen zwei Dolmetscheinsätzen. Eigentlich sollte ich dort "nur" Russisch-Deutsch dolmetschen, dafür war ich engagiert. Dann stellte sich kurz vor der Konferenz heraus, dass es Vier-Augen-Gespräche geben soll, für die ein(e) Russisch-Rumänisch-Dolmetscher(in) gebraucht wird. Da ich die einzige war, die diese Kombination bedienen konnte (aber ich hatte noch nie zwischen diesen beiden Sprachen "quer" gedolmetscht), hatte ich einen schwierigen, aber auch sehr anerkannten Dolmetscheinsatz. Rückblickend ist es eine sehr schöne Erfahrung, vor Ort habe ich (vorher) Blut und Wasser geschwitzt." (Foto: Privat)






"Hier bedanke ich mich bei den Studierenden, die während der Tagung 'Rumänische Übersetzungsgeschichte' im Juni 2012 unter der Leitung von Gudrun Huemer simultan gedolmetscht haben. (Foto: Privat)